„Ich? Etwas Verbotenes?" konterte Zeke mit gespielter Empörung. „Ich habe mich nicht versucht, hier rauszuschleichen."
„Und was hast du dann gemacht, dass du nicht mal mehr den heiligen Rasen unter deinen Füßen spüren darfst?" fragte ich provokant, mein Grinsen breit.
„Genug!" schnitt Klaus das Geplänkel ab und trat einen Schritt vor. Seine Stimme war so streng, dass selbst ich zusammenzuckte. „Es geht nicht um irgendwelche eurer Fehltritte – wobei diese sich in letzter Zeit ganz schön häufen."
„Ja, Zeke ist und bleibt der kleine Rebell in dieser Familie," seufzte ich zustimmend.
„Und du ein Taugenichts," zischte Zeke zurück.
Ich setzte gerade an, eine schlagfertige Antwort zu geben, als ich aus dem Augenwinkel sah, wie Rhun sein Zepter leicht bewegte. Ehe ich mich versah, flog ich durch die Luft und landete in einem der großen, alten Sessel. Zeke fand sich im Sessel gegenüber wieder – beide auf Abstand.
„Ruhe jetzt!" wies Rhun uns scharf zurecht, und seine Stimme ließ keinen Widerspruch zu.
Zeke und ich wechselten einen irritierten Blick. Was war so wichtig, dass wir unsere gewohnten Sticheleien nicht machen durften? Weihnachten war noch nicht, also gab es keinen Grund, uns plötzlich zusammenzureißen.
„Der Fremde hatte recht," begann Rhun mit ernster Miene. „Im Märchenwald passieren merkwürdige Dinge. Figuren verschwinden oder finden den Verlauf ihres Märchens nicht."
„Und was ist so schlimm daran? Da läuft nichts Nobelpreisverdächtiges rum," fragte ich, wenig beeindruckt.
„Der Märchenwald schützt das Hotel, Fips," warf Zeke genervt ein.
„Dieser Schuppen sieht jetzt nicht so schutzbedürftig aus," murmelte ich und lehnte mich zurück. „Wann war hier zuletzt ein Gast? Abgesehen von uns?" Ich verstand das Problem nicht und fühlte mich, als würde ich Zeit vergeuden. Das Buch oben in Rhuns Büro schrie nach meiner Aufmerksamkeit – nicht dieses ewige Familiendrama.
„Können wir das Gespräch ohne ihn weiterführen?" fragte Zeke, sichtlich genervt, und machte Anstalten, aufzustehen. Doch Rhun fixierte ihn mit einem kleinen, aber bestimmenden Schwung seines Zepters zurück in den Sessel.
„Fips gehört als Wächter dazu," sagte Klaus entschieden, und Rhun nickte zustimmend.
„Muss ich das?" fragte ich murrend.
„JA!" kam die einstimmige Antwort meiner Brüder, so laut und fest, dass ich das Gefühl hatte, der Raum zitterte.
„Das Hotel zu schützen hat immer oberste Priorität," erklärte Klaus und verschränkte die Arme.
„Warum?" Ich sah erst zu Klaus, dann zu Rhun und schließlich zu Zeke. „Rhun kann sich doch ein neues Hobby suchen. Habe gehört, so eine Karriere als Rapper soll sich lohnen." Ich grinste und wartete auf Zekes Reaktion, doch diesmal ging er nicht darauf ein.
„Fips, das Hotel schützt alle vor Eos," seufzte Zeke schließlich, und seine Worte ließen die Luft aus meiner kleinen Provokation.
„Aber der ist doch unten im Keller gefangen," warf ich ein, während ich die Augenbrauen zusammenzog. „Solange, bis du wieder normal tickst, können wir ihn dann auf den Mond verbannen. Und das Hotel ist dafür zuständig, die Barrikade aufrecht zu ... aaah." Ich hielt inne, als der Groschen fiel. „Okay, wir müssen das Hotel schützen."
Klaus nickte, Rhun wirkte etwas entspannter, und selbst Zeke hatte für einen Moment keinen spitzen Kommentar. Ich ließ meinen Blick von einem Bruder zum nächsten wandern und seufzte.
„Na gut. Und was machen wir jetzt?" fragte ich schließlich, bereit, zumindest halbherzig zuzuhören.
„Ich werde mit Zeke in den Wald gehen und mich umhören," sagte Rhun mit seiner üblichen Autorität. Zekes Augen weiteten sich sofort, bevor er sein Grinsen zurück aufsetzte.
„Wenn du irgendwelche Faxen machst, sitzt du unten neben Eos," drohte Rhun ihm eindringlich, bevor er ihn mit einem Wink seines Zepters aufstehen ließ.
„Aber natürlich, Sir," antwortete Zeke, immer noch grinsend, doch man sah ihm an, dass er die Drohung ernst nahm.
„Und wir beide sorgen dafür, dass niemand das Hotel ungefragt betritt," erklärte Klaus und richtete seinen durchdringenden Blick auf mich.
„Nichts leichter als das. Rhun, wo liegt der Schlüssel von der Tür?" fragte ich und stand auf.
Doch Rhun und Zeke waren bereits gegangen, ohne meine Frage zu beantworten.
„Nimm das Ganze hier bitte ernst," sagte Klaus eindringlich, und sein Blick war so schwer wie eine Kette.
Ich nickte pflichtbewusst – naja, ganz vielleicht hatte ich dabei die Finger hinter meinem Rücken gekreuzt.
Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass alle Türen abgeschlossen waren und das Hotel sicher schien, wanderte mein Blick zur Treppe nach oben. Eigentlich wollte ich zurück zu Azhar und weiter in dem Buch stöbern. Doch ein seltsames Gefühl zog mich in eine andere Richtung.
Mein Blick fiel auf die verschlossene Tür am anderen Ende des Raumes.
Meine Brüder würden mir die Hölle heiß machen, wenn sie das herausfanden. Ach, was redete ich da? Sie würden mich vermutlich direkt ins vorgeheizte Feuer werfen. Aber Rhun und Zeke waren nicht da, und Klaus würde es vermutlich erst merken, wenn ich längst wieder oben war.
Entschlossen – oder eher neugierig – nahm ich die Kerze vom Empfangstresen, öffnete die Tür leise und trat die erste Stufe hinunter. Die Tür fiel hinter mir mit einem sanften Klick ins Schloss.
„Hallo?" rief ich leise in die Dunkelheit des Kellers. Meine Stimme klang fast wie ein Flüstern. „Eos? Ich bin's, Fips."
Langsam setzte ich einen Fuß vor den anderen. Das schwache Licht der Kerze reichte gerade aus, um die nächste Stufe zu erkennen. Der Keller roch modrig, nach altem Holz und kühler Feuchtigkeit.
Das Gefühl in meiner Brust wurde stärker – eine Mischung aus Furcht und Neugier. Vielleicht war es ein Fehler, hier hinunterzukommen, aber ich konnte nicht mehr umkehren. Nicht, bevor ich nicht diese eine Frage stellen konnte, die mir auf dem Herz lag.
„Eos?" fragte ich noch einmal, meine Stimme diesmal etwas lauter, während ich die letzten Stufen erreichte. Vor mir lag nichts als Dunkelheit. Nur der schwache Schein der Kerze schien dagegen ankämpfen zu wollen.
Und dann – ein leises Geräusch. Ein Wispern, das fast wie mein Name klang.

DU LIEST GERADE
Achtsam jammern mit dem Osterhasen | Eine Julien Bam FF
FanfictionKeine Panik, Leute - das hier wird kein Buch über Achtsamkeit. Ich weiß, der Titel klingt, als ob gleich Meditations-Tipps und Rezepte für Smoothies folgen würden. Keine Sorge, hab selbst keine Ahnung von dem Zeug. Aber irgendeinen Titel musste das...