Die Kluft zwischen den Brüdern

142 14 7
                                    

Pov Rhun

Fips war nicht im Keller zu finden, und Eos hatte – wie erwartet – nichts als Schweigen für mich übrig. Das machte mich wütend. Es war, als wäre jede Sekunde, die ich mit dieser Suche verbrachte, verschwendete Zeit. Und es konnte doch nicht sein, dass dieser Hase ständig verschwand.

„Zahnfee, ein Brief für euch!“ 

Mintys Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Sie rannte auf mich zu, ein Blatt Papier in den Händen, das aussah, als hätte es schon bessere Tage gesehen. 

„Danke,“ murmelte ich und nahm den Brief entgegen. Ich brauchte nur einen Blick auf die krakelige Schrift, um zu wissen, von wem er war. 

Hallo Bruder,
Ich schreibe dir aus zwei Gründen.
1. Hörst du mir sonst eh nicht zu.
2. Hab ich halt auch einfach manchmal Angst vor dir.
Geh allein zu Eos und zeig ihm dieses Papier. Es ist an der Zeit, dass ihr zwei miteinander redet (das sagt sogar Seraphine). Ich verstehe immer noch nicht so ganz, was da zwischen euch damals passiert ist und warum wir alle sauer auf ihn sind. Dieses ganze mit der Liebe, Trauer und Verlust scheint nichts für so ein Häschen wie mich zu sein. Aber was ich weiß und verstehe, ist, dass wir Eos brauchen.
Dein Fips.

Ich las den Brief ein zweites Mal. Ein kleines Lächeln stahl sich auf mein Gesicht – nicht aus Freude, sondern aus einem müden Verständnis heraus. 

„Dummer kleiner Hase,“ murmelte ich, während ich das Papier in meiner Hand zerknüllte. 

Ich schaute zur Kellertür. Der Gedanke, mit Eos zu reden, fühlte sich wie der schlechteste Plan an, den ich je gehört hatte. Fips war naiv und verstand die Welt um sich herum nicht. Aber gerade deshalb wunderte es mich, das er mich zu diesem Gespräch aufforderte. 

Nach einem kurzen Moment des Zögerns entschied ich mich, seinem Vorschlag zu folgen. Vielleicht, nur vielleicht, wusste er etwas, das ich nicht wusste. 

Ich stieg die Treppen hinab und ließ mit einer Bewegung meines Zepters die Fackeln an den Wänden aufleuchten. Das Licht vertrieb die Dunkelheit und enthüllte Eos, der in einer Ecke saß. Seine Augen funkelten emotionslos, als er den Kopf hob, um mich zu betrachten. 

„Das Känguru ist nicht hier,“ sagte er tonlos, seine Stimme klang wie ein Echo in der kalten Stille des Kellers. 

„Ich weiß,“ antwortete ich steif und blieb auf Abstand. „Fips will, dass ich mit dir rede.“ 

Eos erhob sich langsam, sein Gesicht zeigte eine Spur von Spott. „Seit wann hörst du darauf, was Fips sagt?“ 

Ich ignorierte den Hohn in seiner Stimme. „Was hast du mir zu sagen, dass Fips glaubt, dieses Gespräch sei notwendig?“ 

Eos schwieg einen Moment, dann sprach er mit einer Ruhe, die mich beunruhigte: „Fips war hier, weit bevor ihr gekommen seid.“ 

Seine Worte trafen mich wie ein Schlag. „Was soll das heißen?“ fragte ich scharf. 

Eos’ Augen schienen in die Ferne zu blicken, als würde er Erinnerungen hervorrufen, die nur ihm bekannt waren. „Das Häschen ist weitaus schlauer als ihr denkt. Wir haben uns unterhalten, über damals. Zekes Entscheidung Iris zu töten und meine Entscheidung es mit Cassy gleichzutun.“ 

Ich ballte die Hände zu Fäusten, während mein Herz schneller schlug. „Wenn du glaubst, ich lasse mich von dir mit kryptischen Antworten abspeisen, liegst du falsch. Sprich Klartext, Eos.“ 

Eos schmunzelte – ein kaltes, emotionsloses Schmunzeln. „Ihr glaubt, ihr wärt Wächter, Hüter von etwas Heiligem. Aber Fips ... er hat als einziger verstanden worum es wirklich bei all dem geht. Um was es seit Jahrhunderten geht“ 

Achtsam jammern mit dem Osterhasen | Eine Julien Bam FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt