Kapitel 8 - Das Gefühl jemanden zu kennen

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Manchmal hat man das Gefühl, dass man eine Person sein Leben lang kennt, obwohl man sie heute zum ersten Mal gesehen hat...

Harry's POV
Ihre Wangen waren feucht von ihren Tränen, ihre Schminke leicht verschmiert, ihre Augen wässrig und sie schaute mich so hilflos an. Ich könnte Samantha umbringen... Wie kann sie nur so einer süßen Person weh tun? Aus Instinkt zog ich sie in meine Arme und hielt sie einfach nur fest. Sie schluchzte und weinte in mein Shirt. "Hey, hör nicht auf Samantha.", flüsterte ich, um sie zu beruhigen. Sie zitterte und hielt sich krampfhaft an meinen Armen fest, als würde sie versuchen Halt bei mir zu finden. Wieso fühlt sich mein Herz so schwer an, wenn ich sie so sehe... "Es t-tut m-mir leid.", stotterte sie und löste sich von mir. "Was tut dir leid?", fragte ich verwirrt. Mit ihrem linken Handrücken wischte sie sich die Tränen von den Wangen und schaute zu mir hinauf. "Ich wollte dich nicht voll heulen.", murmelte sie und richtete den Blick auf den Boden. Hat sie Angst davor, dass ich ihr alles übel nehme oder warum ist sie so schüchtern und ängstlich? Ich legte zaghaft zwei Finger unter ihr Kinn und hob es sanft an, damit ich in ihre wunderschönen dunkelblauen Augen sehen konnte. "Dafür brauchst du dich nicht entschuldigen.", wisperte ich und verlor mich in ihren Augen. Sie wirken so trübe, so matt, als hätten die Tränen den Glanz aus ihren Augen genommen. Als sie letzte Woche in mich gelaufen ist, haben mich ihre Augen schon fasziniert. Sie sind wie ein offenes Buch ihrer Gefühle. Damals spiegelten sich Angst und Eile in ihren Augen wieder. Damals war sie total gehetzt. Warum? "D-danke.", stotterte sie. "Wofür?", fragte ich neugierig. "Dafür, dass du nach mir gesehen hast.", wisperte sie und schaute in meine Augen. "Ich habe mir einfach Sorgen gemacht.", flüsterte ich ehrlich. "Warum? Ich meine, du kennst mich doch gar nicht...", sagte sie irritiert. "Aber es kommt mir so vor, als würde ich dich schon mein ganzes Leben lang kennen.", murmelte ich eher zu mir selbst, als dass ich es zu ihr sagte. Ein zaghaftes Lächeln schlich sich auf ihre Lippen und sie wurde leicht rot. Peinlich... Sie hat mich gehört. Jetzt hält sie mich wahrscheinlich für so einen gefühlvollen Idioten... Plötzlich ging sie einen Schritt weg und sagte: "Wir sollten zurück gehen." Zustimmend nickte ich. Am Waschbecken blieb sie stehen und schaute in den Spiegel. Sie verzog das Gesicht und versuchte ihr Mascara etwas zu retten. Hat sie jetzt nur wegen Samantha geweint? Irgendwie glaube ich das nicht. So wie es aussah, ging es ihr schon den ganzen Tag scheiße. Und was meinte Samantha eigentlich mit dem Spruch: "Wie geht es deinem Daddy?"? Das macht doch keinen Sinn. Wieso erkundigt sie sich nach Annabell's Dad, wenn sie Annabell nicht mag? "Warum hat Samantha sich eigentlich nach deinem Dad erkundigt, wenn sie dich nicht mag?", platzte mir die Frage heraus. Annabell zog scharf die Luft ein und schluckte hart. "Ich mö-möchte n-nicht darüber re-reden.", stotterte sie und ihre Stimme brach. Styles, du Vollidiot. Irgendetwas ist mit ihrem Dad und das bedrückt sie, aber ich kann sie nicht darauf ansprechen. Sie hat gerade geweint und wie es aussieht, ist sie dank mir wieder kurz davor. Super gemacht, Styles... "Ist ok.", sagte ich und lächelte sie an, um ihr ein gutes Gefühl zu geben. "Danke.", murmelte sie. Wir liefen aus der Toilette heraus und bewegten uns langsam in Richtung Klassenraum. Kurz bevor wir hineingehen konnten, stoppte mich ihre leise Stimme. "Harry?" Ich drehte mich zu ihr und schaute sie erwartungsvoll an. "Ähm...", begann sie, schaute nervös auf ihre Füße und spielte mit ihren Fingern. "Ja.", sagte ich lieb. Es sollte ermutigend klingen, doch ich wurde das Gefühl nicht los, dass es sie noch mehr verunsichert hatte. Stress sie nicht... "Ich wollte dir noch sagen, dass es mir genauso geht.", murmelte sie und schaute ängstlich hinauf in meine Augen. Wobei geht es ihr genauso wie mir? Was meint sie? Irritiert schaute ich sie an. "Ja, also das ähm das mit dem Ge-Gefühl d-dich schon ja länger zu kennen a-als ich tue.", stotterte sie total nervös. Sie lief rot an und schaute zurück auf ihre Füße. Wie süß sie ist... "Cool.", sagte ich und lächelte sie an. Sie hob ihren Kopf und als sie mein Lächeln sah, bildete sich auf ihren Lippen auch ein zartes Lächeln. "Wollen wir?", fragte ich und griff nach dem Türgriff. Sie nickte. Ich öffnete die Tür und zum dritten Mal heute fielen alle Blicke auf mich. Der Lehrer nickte uns zu und Annabell und ich setzten uns. Sofort begann sie abzuschreiben, was der Lehrer an die Tafel geschrieben hatte. Was bedeutet die Ableitung und was ist jetzt ein Globalverlauf einer Funktion? Fuck... Ich verstehe nur Bahnhof. Fleißig schrieb Annabell alles sauber ab. Ob sie es versteht? Zaghaft stupste ich sie an. "Hmm?", murmelte sie und schaute zu mir. "Verstehst du das?", fragte ich hoffnungsvoll. Sie nickte. "Soll ich dir etwas erklären?", fragte sie hilfsbereit. Es klingelte und so ziemlich alle stürmten aus dem Klassenraum. "Kannst du mir vielleicht so ein bisschen Nachhilfe geben, also nur wenn du willst? Ich habe Mathe irgendwie noch nie verstanden.", fragte ich nervös. So könnte ich sie besser kennenlernen... "Ähh... Ja, also das würde gehen.", murmelte sie. "Cool.", sagte ich lächelnd. "Harry?", fragte sie. Ich mag es, wie sie meinen Namen ausspricht... "Ja.", sagte ich lächelnd. "Ich gehe nach Hause. Es hat keinen Zweck, mir geht's einfach nicht gut. Melde dich, wenn wir uns treffen sollen.", sagte sie lächelnd und reichte mir einen kleinen pinken Notizzettel, auf dem sie ihre Nummer geschrieben hatte. "Ja mach ich, danke und gute Besserung.", sagte ich lächelnd. "Danke.", flüsterte sie und ging sich beim Lehrer abmelden. Als sie gegangen war, wollte ich die Klasse verlassen, wurde jedoch von meinem Lehrer aufgehalten. "Hat Ihnen schon jemand die Schule gezeigt?", fragte er sichtlich desinteressiert. Ich schüttelte den Kopf. "Herr Minkik, würden sie Herr Styles bitte die Schule zeigen.", fragte der Lehrer, den Jungen, den Samantha, glaub ich, Patrick genannt hat. Er nickte und kam auf mich zu. "Patrick, Harry richtig?", fragte er lächelnd und reichte mir seine Hand. Ich nahm sie lächelnd an und nickte. Er wirkt sympathisch. Wir liefen durch die Flure und er zeigte mir die verschiedenen Räume und Höfe. Ich nickte immer und versuchte nett zu sein. Als Patrick die Führung beendet hat, wollte ich zur Cafeteria gehen, doch er hielt mich auf. "Harry?", fragte er, damit ich ihm Aufmerksamkeit schenke. Ich drehte mich zurück zu ihm und schaute ihn erwartungsvoll an. Was kann er jetzt noch wollen? "Magst du Annabell?", fragte er nervös. Was meint er mit mögen? Freundschaftlich oder mehr? "Ich finde sie echt nett.", gab ich schulterzuckend zu. "Bitte tue mir ein Gefallen.", murmelte er. "Welchen?", fragte ich neugierig. "Egal, ob du sie nett findest, magst, hasst oder sogar liebst, verletze sie nicht. Sie musste ziemlich viel durchmachen in der letzten Woche.", flehte er mich förmlich an. Ich könnte sie nie hassen und auch nie verletzen. Ich kenne sie zwar kaum, aber als ich sie weinen sah, fühlte ich mich gebrochen, ich kann sie nicht verletzen. Aber was meinte er mit viel durchmachen? "Keine Sorge, ich könnte sie nicht verletzen.", versicherte ich ihm. Er lächelte. "Was musste sie denn durchmachen?", fragte ich neugierig. Verdammte Neugier... "Ihr Dad ist gestorben und Samantha hat ihr noch am selben Tag die Freundschaft gekündigt.", murmelte er und wirkte bedrückt. Sie war mit Samantha befreundet? Schwer vorstellbar... Ihr Vater ist gestorben, Gott, scheiße... "Ja und ich Trottel treffe im Fahrstuhl auf seine Tochter und erzähle ihr, dass ich einer Frau sagen muss, dass ihr Mann hirntod ist." , " (...) und ihre verdammten Augen gehen mir nicht mehr aus dem Kopf." , "Wie sahen sie denn aus?" , "Große dunkelblaue tränengefüllte Augen."... Annabell! "Wann ist ihr Dad gestorben?", fragte ich, wie aus der Pistole geschossen. "Letzte Woche Montag.", sagte er etwas verwirrt. Montag, am Montag ist sie in mich hinein gelaufen... Jetzt macht alles einen Sinn. Sie war auf dem Weg zum Krankenhaus. Deswegen war sie so ängstlich und in Eile und dort traf sie auf Onkel Louis... Oh Gott, Annabell... Es tut mir so leid. Ich hatte das Gefühl mein Herz rutscht mir in die Hose. "Sie hat so doll geweint und ihre Mutter auch, aber sie tut mir so leid. Ich werde dieses Bild, glaube ich, nie mehr vergessen, wie sie ihren toten Dad anflehte, seine Augen zu öffnen und sie und ihre Mum nicht alleine zu lassen." Mir lief es kalt den Rücken herunter, als mir Onkel Louis Stimme durch den Kopf ging. Das hat Annabell nicht verdient...

(Hi :), ich würde mich über Kommentare freuen. Egal, ob negative/positive Kritik.)

Do you rescue me? (Harry ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt