Zwischen Traum und der Frage nach der Wirklichkeit

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Als ich abends im Bett lag, schien mein Unterbewusstsein erstmalig alles zu verarbeiten. Ich träumte von Fips, der plötzlich in der Bücherei lag, und ich stand daneben – mit einem Staubwedel in einer Hand und einem Buch in der anderen. Irgendwie hatte er mich überredet, ihm zu helfen, seine Brüder zu finden. Und so waren wir ins Mittelalter gereist und in einem Kerker gelandet, nur weil Fips einen Kohlkopf vom Feld des Königs geklaut hatte. Wie immer hatten wir es geschafft, wieder herauszukommen, aber von Klaus fehlte jede Spur. Die Suche führte uns weiter nach Rhun, doch auch dort fanden wir ihn nicht. Schließlich schickte mich Fips ins Traumland, um Zeke zu suchen.

Im Traumland lernte ich Fabio kennen, einen Tagtraum, der mich zu einem Markt führte, auf dem mir ein Armband geschenkt wurde – und ich entdeckte, dass es sich in einen Drachen verwandeln konnte. Azhar wurde ein treuer Begleiter, der mich durch noch viele weitere Abenteuer führte.

Doch dann begannen sich die Bilder zu verändern. Sie verschwammen und wichen etwas anderem – etwas Dunklerem.

Plötzlich fand ich mich in einem Wald wieder. Das Laub raschelte unter meinen Füßen, und die Atmosphäre war seltsam. 

„Cassy."

Ich wirbelte herum. Da stand er wieder. Seine schwarze Kleidung und das mit Stofffetzen verhüllte Gesicht waren unverkennbar. Die runde schwarze Brille, die so sehr an Zekes erinnerte, glänzte im schwachen Licht zwischen den Bäumen.

„Was willst du?" fragte ich und zwang mich, nicht vor ihm zurückzuweichen. Ich hatte ihn ewig nicht mehr gesehen – vielleicht das letzte Mal im Traumland? Ich war mir nicht sicher, doch er war immer noch unheimlich.

„Bislang war ich davon ausgegangen, dass du unwichtig bist für den Verlauf der Zukunft", sagte er langsam, den Kopf geneigt, als würde er mich prüfend ansehen.

„Was?"

„Es war notwendig, dass die Wächter ihren Bruder zurückholen und sich versöhnen. Du warst das Puzzlestück dafür, oder besser gesagt, dein Tod."

Eine Gänsehaut lief mir über den Rücken. „Wirst du mich jetzt töten?"

„Nein", lachte er. „Das hier ist ein Traum. Nur Zeke selbst vermag in Träumen solche Dinge zu tun."

Diese Information beruhigte mich etwas.

„Ich bin hier, um dir zu zeigen, warum es notwendig war, alle zu vereinen und warum es letztlich unwichtig ist, was mit dem Märchenwald geschieht", erklärte er und streckte seine behandschuhte Hand aus. Unsicher ergriff ich sie, und ließ mich von ihm durch den Wald führen.

Es war ein alter Wald, voll mit totem Holz, der sich tot und leer anfühlte. Kein Vogel war zu hören.

Plötzlich hörte der Wald auf, und wir standen vor einer steilen Klippe. Der Wind blies kräftig, sodass ich einige Schritte zurücktaumelte, ehe ich einen festen Stand fand.

„Du musst hinuntersehen", rief der Fremde gegen den Wind an.

Vorsichtig kämpfte ich gegen die Sturmböen und blickte hinunter.

„Was ist das?" entfuhr es mir. Unten tobte ein Wirbelsturm, Blitze in lila, gelb, orange, rot und blau zuckten durch ihn. Die Farben erinnerten mich an Rhun, Zeke, Fips, Klaus und Eos, wenn sie ihre Magie einsetzten.

„Das ist der Ursprung ihrer Macht", erklärte der Fremde. „Es war nie geplant, dass diese Macht auf Menschen übergeht. Und nun ist der Zeitpunkt gekommen, an dem es sich diese Macht zurückholen will."

„Was ist es?" fragte ich und wurde vom Wind zurückgedrängt.

„Keine Ahnung. Ich forsche schon daran, seit es begonnen hat zu wachsen. Aber fest steht, es zieht bereits an Rhuns Macht. Er hat den Märchenwald erschaffen, und nun schwindet er zunehmend. Die Abspaltung zu Dark... ich schätze, das war der Tag, an dem es begann."

Achtsam jammern mit dem Osterhasen | Eine Julien Bam FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt