Es war nun eine Woche vergangen. Ich hatte mich so gut es ging körperlich erholt und fühlte mich wieder was fitter. Gleichzeitig plagten mich allerdings auch regelmäßige Albträume, mein Schlaf war also nicht der beste.Ich hatte mich aber mit Ezra drauf geeinigt, dass ich ihn wecken würde, damit er mir helfen konnte. Er war wirklich gut darin mich runterzubringen und manchmal lagen wir die ein oder andere Stunde wach und unterhielten uns.
Auch Ezra hatte sich verändert, er war weicher geworden, er ließ seine Gefühle mehr zu und manchmal konnte er sie auch offen zeigen. Ich hatte das Gefühl, dass wir mehr auf einer Wellenlänge waren und es machte unser Zusammenleben viel vertrauter. Manchmal fühlte es sich so an, als würden wir uns schon ewig kennen, als seien wir ein altes Ehepaar. Ich mochte den Gedanken irgendwie.
Ezra hatte mir angeboten, dass wir zusammen in den Urlaub fahren könnten und ich hatte zugestimmt. Eigentlich wollte er ganz weit weg, aber ich war dagegen. Ich glaube er wollte in die Karibik, aber ich wollte nicht, dass er so viel für uns zahlen würde.
Ich konnte ihn von Norwegen überzeugen, eine kleine Hütte an einem See mitten im nirgendwo. Etwas Ruhe würde uns denke ich mal besser tun, als in den großen Trubel zu kommen.
Heute war Ezra das erste Mal wieder auf der Arbeit, aber nur um endlich mit Evelin zu sprechen. Er war heute Morgen sehr angespannt, wenn es nach ihm ginge, dann hätte er das Gespräch wahrscheinlich direkt aufgesucht, aber er nahm sich die Zeit mich wieder Zuhause ankommen zu lassen.
Es war ein komisches Gefühl zu wissen, dass er dort war und mit ihr reden würde. Was wenn sie immer noch glaubte, dass ich sie verraten habe? Was war, wenn sie Ezra verbieten wollen würde mit mir zusammen zu sein?
Ich könnte in diesem Moment kein weiteres Problem ertragen, ich versuchte mich gerade erst erneut zu sammeln und ich hatte das Gefühl, jeder weitere Stein in meinem Weg, würde meine Grenzen sprengen. Es war so schwer sich auf das positive zu konzentrieren und nicht in alte Gedankenmuster zu fallen.
Ich versuchte mir einzureden, dass sie sich eingestanden hat, dass sie einen Fehler begangen hat und es ihr leid tat. Was war eigentlich aus meinem Schutz geworden? Würde ich den bekommen und wenn ja, wie durfte ich mir das vorstellen?
Ich war am kochen, da Ezra bald wiederkommen sollte. Aber es fiel mich schwer mich zu konzentrieren. Die Gedanken kreisten und ich vergaß ständig, was ich gerade eigentlich machte.
Ich hatte gehofft, dass mich das kochen etwas ablenken würde, aber das tat es nicht, stattdessen war ich ständig in irgendwelchen Tagträumen gefangen und kam nicht mehr raus.
Nach einer Weile machte ich was laute Musik auf meinem Handy an, so könnte ich mich gedanklich vielleicht mehr darauf fokussieren. Musik hören tat eigentlich immer gut, es gab meinem Kopf eine Pause, welche ich gerade mehr als alles andere brauchte.
Plötzlich klopfte es hinter mir und als ich mich umdrehte stand Ezra im Türrahmen und lächelte mich vorsichtig an. Ich kam auf ihn zu und begrüßte ihn.
„Hey, wie geht es dir?" fragte ich ihn. „Gleich viel besser." seufzte er zufrieden.
Er nahm mich in den Arm und schaukelte mit mir ein wenig zu der Musik. Ich lachte „Das Essen brennt mir gleich an." „Nagut, ich decke den Tisch." sagte er und ließ von mir ab.
Ich schmunzelte ein wenig, ich hatte mich wie in einer kitschigen Romanze gefühlt, aber irgendwie hat es mir auch gefallen. Ich mochte seine Spontanität und schon wieder hatte er mich mal eben so aus meinen Gedankenkreisen befreit, unfassbar.
Beim Essen fragte ich dann endlich, wie das Gespräch war. „Willst du das wirklich wissen?" fragte er mich und guckte mich ein wenig skeptisch an. „Ja, wieso? Ist was passiert?" fragte ich ihn nervös, hatten sich meine Befürchtungen etwa bestätigt?
„Nein, aber schön war es auch nicht." Ich nickte wissend. Er hatte wirklich meinen tiefsten Respekt dafür, dass er all diese Aufgaben und Verantwortungen für mich aufnahm. Ich wollte nicht, dass er alles in sich reinfraß, weshalb es das mindeste war, dass ich ihm zuhörte.
„Ich glaube die meiste Zeit hab ich sie eigentlich nur angeschrien, es war wirklich hart sich im Zaun halten zu können. Sie bereut sehr was sie getan hat und es tut ihr leid, aber ändern tut das leider auch nichts mehr... Sie wollte sich nochmal persönlich mit dir unterhalten, aber ich hab ihr gesagt, dass das auf keinem Fall drin ist." erklärte er mir.
Schon der Gedanke diese Frau wieder zu sehen und dann auch noch ein Gespräch mit ihr zu führen, bereitete mir Bauchschmerzen. Gott sei Dank hatte Ezra es abgelehnt.
„Danke, vielleicht irgendwann mal, aber gerade kann ich das glaube ich nicht verkraften." sagte ich, aber Ezra schüttelte nur mit dem Kopf. „Verschwende daran keinen Gedanken, du sollst nichts mehr mit irgendeinem von denen zutun haben. Nur das hier ist noch für dich." sagte er und schob mir einen prallen Umschlag über den Tisch.
Was sollte darin sein? Eine Entschuldigung? Ich schaute Ezra ein wenig skeptisch an und nahm den Umschlag in die Hand. Er nickte und ich öffnete ihn vorsichtig.
„Das ist nicht dein Ernst. Das kann ich nicht annehmen." stotterte ich verwirrt. Der Umschlag war prall gefüllt mit Geld.
„Es kann nicht wieder gut gemacht werden, aber sie muss beweisen, dass sie ihren Fehler eingesehen hat und dir Respekt zeigen." erklärte Ezra mir. Ich starte immer wieder in den Umschlag und dann zu Ezra.
So viel Geld, wofür? Er hatte recht, es machte nichts wieder gut, es überforderte mich. So viel Geld konnte ich doch nicht einfach so annehmen.
„Du bekommst jetzt den vollen Schutz von uns. Du musst dir also auch nicht mehr um den Geheimdienst oder sonst was Sorgen machen, okay? Wenn du irgendwas brauchst, dann sagst du es mir und wir kümmern uns darum, egal was." sagte er und schaute mich wissend an.
Ich glaube er meinte es so, wie er es sagte, egal was, alles. Ich nickte vorsichtig. Ich war total überfordert. „Danke, ich weiß garnicht was ich sagen soll, das ist so unglaublich viel." stammelte ich und Ezra nahm meine Hand.
„Marlon, du nimmst so viel in Kauf für mich, du hast so viel durchlebt, es ist wirklich das mindeste was ich dir zurückgeben muss. Für dich ist wahrscheinlich das meiste schon zum Alltag mit mir geworden, aber denk dran wie alles angefangen hat und ich will es dir nicht noch schwerer machen. Ab jetzt sollst du unsere Zeit ausschließlich genießen können. Kein Drama mehr, kein nichts." sagte er und irgendwie rührten mich seine Worte zu Tränen.
Es kam ganz plötzlich, aber seine Worte waren endlich bei mir angekommen. Ich hatte endlich verstanden, dass ich das richtige getan hatte.
„Du meinst, wir leben jetzt ein normales Leben?" „So normal wie es mit mir sein kann, ja." „Ich liebe dich Ezra." „Ich liebe dich auch Marlon." sagte er und lächelte.
All das Warten, die Arbeit, die Schmerzen und Ängste haben sich wohl ausgezahlt. Aber konnte ich darauf auch wirklich vertrauen? Wie konnte er oder ich mir da zu einhundert Prozent sicher sein?
„Ich danke dir, dass du all das mit mir durchgemacht hast und ich freue mich wirklich sehr auf unseren Urlaub, dann können wir alles machen, wozu du Lust hast." versprach Ezra mir.
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Ein Leben ohne Gesetze (BoyxBoy)
Short StoryMarlon ist Polizist und gerät eines Tages zufällig in eine Geiselübergabe. Dort trifft er auf einen gesuchten Schwerverbrecher, welcher ein gewisses Interesse an ihm pflegt. Gleichzeitig ist er einer der wenigen Menschen, die ihn selber nicht nur al...