Nachdem der Professor seine Vorlesung beendet hatte, begann das große Gekruschel. Die meisten packten hektisch ihre Sachen zusammen, um den Bus oder die Straßenbahn noch rechtzeitig zu erwischen oder bei der Hitze einfach möglichst schnell aus dem stickigen Vorlesungssaal zu kommen. Ich ließ mir dagegen etwas Zeit. Den Nachmittag über hatte ich eh für nichts anderes geplant, als die Themen für die neue LeNews-Folge rauszusuchen und etwas zu recherchieren und da ich das vormittags schon fast abgeschlossen hatte, hatte ich keinen Grund zur Eile. Erst recht nicht bei der Hitze, wo einen schon das bloße Rumhocken ins Schwitzen bringen konnte. Abends würde Frodo vielleicht noch vorbei schauen. Gemeinsam würden wir die ein oder andere Mate leeren und später vielleicht noch mit den Frogs zusammen um die Häuser ziehen, aber erst wenn es draußen ein paar Grad weniger hatte.
Während die meisten Studenten bereits den Saal verlassen hatte, kramte ich in meiner Tasche noch nach meinen Kopfhörern, um auf der Heimfahrt ein wenig Musik zu hören. Ich griff nach der mittlerweile leeren Mate-Flasche, packte sie ein und blickte mich noch einmal um. Die zwei vor mir waren bereits verschwunden. Der Gedanke an die beiden heiterte mich trotz Hitze etwas auf. Man hatte gemerkt, wie viel die Kleine für die Große bedeutete und man hatte diese Liebe zwischen ihnen gespürt. Diese Liebe, die man wohl erst nachvollziehen kann, wenn man selbst zum Elternteil wird.
Vor einem Jahr noch hätte ich mir auch vorstellen können eines Tages Vater zu werden, auch wenn ich natürlich erst mein Studium beenden wollte, aber mit 26 machte man sich darüber dann - so jung man sich auch fühlte- doch manchmal Gedanken. Mittlerweile war das Thema wieder völlig vom Tisch und würde es wahrscheinlich auch bleiben. Mit Ina hatte ich mir das lange Zeit vorstellen können, aber zum Ende unserer Beziehung hatte ich über Monate immer mehr mitbekommen, wie sehr wir uns eigentlich auseinander gelebt hatte, wobei Youtube keine gerade unwesentliche Rolle gespielt hatte.
Aber mir war das auch irgendwie von dem Zeitpunkt an, als wir beschlossen hatten gemeinsam uns in meiner Heimatstadt Berlin eine Wohnung zu suchen, klar gewesen, dass Berlin keine Stadt für sie war. Die Hektik, das Großstadtleben. Es war eben nichts für sie und ich konnte sie verstehen. Sie war eben nicht der Mensch für so ein Leben und auch der Personenkult, der um mich unbeabsichtigt entstanden war, hatte ihr zu schaffen gemacht. Und auch das konnte ich verstehen. Ich konnte zu gut nachvollziehen, dass es sich mehr als seltsam und unangenehm anfühlen musste, wenn man wusste, dass es irgendwo da draußen eine nicht gerade unbedenkliche Zahl von Mädchen (und vielleicht auch Jungs) gab, die für einen schwärmte (ob jetzt nur als Fan oder doch in der Fantasie). Weil man "cool" war. Weil man seinen Platz im Leben gefunden hatte. Weil man erwachsen geworden war, ohne das Verständnis für jüngere Generationen verloren zu haben.
Ich seufzte unwillkürlich, als ich nach meinem Board griff. Youtube machte mir Spaß. Es war Teil meines Lebens geworden, auch wenn es manchmal unheimlich war, wie bekannt man war, wie viele Leute es gab, die einen besser kannten, viel mehr über einen wussten als man über sie.
Natürlich freute es mich gleichzeitig die geilste Community und wohl die tollsten Fans auf dieser Welt zu haben. Nicht falsch verstehen! Aber Ruhm und Berühmtsein hat auch immer seine Schattenseiten wie alles im Leben.
Mit dem Board in der Hand ging es den Gang hin zum Ausgang entlang. Ich war einer der letzten. Zu gern hätte ich mich auf's Board geschwungen und wär die paar Meter gefahren, einfach weil's weniger anstrengend war als bei der Hitze zu laufen, aber dafür waren dann doch zu viele Leute noch in der Uni unterwegs.
Der Haupteingang führte direkt hin zu einer eher weniger befahren Nebenstraße, die jedoch am Ende in einer der Hauptstraßen Berlins mündete. Ich richtete gerade noch meine Tasche, damit sie beim Boarden nicht im Weg war und wollte meine Kopfhörer aufsetzen, als ich aus den Augenwinkeln merkte, wie jemand auf mich zu kam. Ich hielt kurz inne und blickte auf.
"Sorry, das ist mir jetzt furchtbar peinlich, aber mein Handyakku hat grad den Geist aufgegeben. Könnte ich vielleicht kurz..?"
Es war die Braunhaarige von vorher, die sich verlegen eine Haarsträhne hinters Ohr strich. Die Kleine hatte sie an der Hand. Sie blinzelte leicht, als sie zu mir aufsah und sich gleichzeitig etwas näher an ihr Mutter drückte.
"Äh... ja klar.", meinte ich etwas überrumpelt. "Danke.", kam es erleichtert von meinem Gegenüber. Ich kramte kurz in meiner Hosentasche, steckte die Kopfhörer ab, entsperrte und reichte es ihr. "Hab ne Flat, also keinen Stress.", gab ich lächelnd zurück. "Das ist wirklich lieb. Danke noch mal.", kam es von ihr, als sie nach dem Handy griff und eine Nummer eintippte. Ich blickte dabei zu der Kleinen und war mir ziemlich sicher, dass die Kleine ihr -hätte sie einen Rock anstatt der Jeans getragen- sprichwörtlich am Rockzipfel gehangen wär. Doch Mutti hatte sich zum Telefonieren kurz abgewendet, natürlich nicht ohne noch ein Auge auf sie zu haben.
Die Kleine musterte mich etwas schüchtern. "Und du bist?", fragte ich vorsichtig, als ich in die Hocke ging, um mit ihr auf einem Augenlevel zu sein. "Nele.", kam es schüchtern mit ihrem Kinderstimmchen von ihr. Ich lächelte ihr aufmunternd zu. "Schöner Name.", meinte ich, worauf hin sie stolz nickte. "Magst du deinen Namen?" Sie nickte abermals.
Ein Schatten wanderte auf mich zu, als ich mich wieder erhob und zu der Braunhaarigen sah, die mir mein Handy entgegenstreckte. "Danke nochmals. Ohne dich hätte ich jetzt wahrscheinlich nochmal Richtung Zentralverwaltung laufen können.", meinte sie als Nele bereits wieder an ihrem Hosenbein klebte.
Ich winkte ab. "Kein Problem. Man hilft gerne, wenn man kann.", erwiderte ich und nahm mein Handy entgegen. Die Braunhaarige nickte und für einen kurzen Moment trat Stille ein. Nur die lärmende Hauptstraße war im Hintergrund zu hören. "Darf ich fragen wie alt sie ist?" Ich hatte eigentlich gar nicht fragen wollen, aber irgendwie hatte ich mich auch nicht einfach verabschieden wollen, mich umdrehen und davon fahren. "Nele? Im September wird sie sechs. Da ist sie ganz stolz drauf, nicht?", kam es von meinem Gegenüber auf Augenhöhe. "Schon sechs?", meinte ich spielerisch erstaunt, als die Kleine stolz nickte. "Bist aber ganz schön ruhig für dein Alter. Ich war in deinem Alter anders drauf."
Die Braunhaarige nickte zustimmend. "Sie ist ein bisschen schüchtern. Aber lieber so, als dass sie mit dem erstbesten, dahergelaufen Fremden mitgeht." Sie strich ihr sanft über die Haare, während die Kleine nur verlegen lächelte. "Naja, wir packen's dann. Danke nochmal.", kam es von der Braunhaarigen. "Jo, dann wünsch ick noch 'nen traumhaften Tag.", erwiderte ich ihre Verabschiedung und griff mir aus Spaß an die Cap. Ein Grinsen schlich sich auf die Lippen der Braunhaarigen. "Sagst du auch noch 'Tschüss'?"
"Tschüüüss.", kam es kurz drauf von der Kleinen, die noch kurz winkte, ehe sich die Beiden langsam umdrehten und davon gingen.
Für einen Moment blickte ich ihnen noch hinterher, ehe auch ich mich umdrehte und auf mein Board stieg.
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So jetzt die Masterfrage: Was macht man, wenn man um zwei Uhr nachts nicht schlafen kann?
Richtig! Man schreibt ein neues Kapitel, weil man sich ja vorgenommen hat, endlich mal wieder regelmäßiger etwas hochzuladen ;)
Also freut euch, denn meine schlaflosen Nächte sind zu euren Gunsten ;D
LG Heide :x
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Adult Love (LeFloid FF)
FanfictionLiebe ist so eine Sache. Man kann nicht bestimmten, wen man liebt oder ob man überhaupt liebt, selbst wenn man es gerne würde. Flo ist bereits 26 als er in einer Vorlesung auf die drei Jahre jüngere Alexa und ihre fünfjährige Tochter trifft. Mehr od...