Kapitel 4

1.8K 117 20
                                    

Seit über acht Jahren beobachteten die Hüter nun schon die Entwicklung der wiedergeborenen Elaine. Ihre Kräfte waren bereits so stark, wie die von Jack Frost. Ihre Familie hatte gut mit ihrer außergewöhnlichen Fähigkeit umgehen können. Sie behandelten sie, wie ein normales Mädchen und die Liebe zu ihrer kleinen Schwester half Elsa, ihre Kräfte zu kontrollieren. Sie liebte Anna abgöttisch. Sie waren wie Pech und Schwefel.
Alles lief gut für Elsa, bis sie in einer Nacht ihre beste Freundin verletzte. Jack Frost hatte sie dabei beobachtet und hätte diesen Vorfall gern verhindert, aber er durfte nicht.

Es war Nacht gewesen, als Anna in Elsas Zimmer trat und sie weckte.
"Elsa, Elsa wach auf!" Sie rüttelte an ihrer großen Schwester.
"Geh schlafen, Anna!", murrte diese.
"Ich kann nicht! Der Himmel ist wach, also bin ich auch wach.", betonte Anna theatralisch, doch Elsa wollte nicht aufstehen.
Einige vergebliche Versuche später fiel ihr ein, wie sie ihre große Schwester doch noch wachbekommen könnte. Sie kletterte wieder auf Elsas Bett, aus dem sie zuvor rausgeworfen wurde, und flüsterte Elsa ins Ohr: "Willst du einen Schneemann bauen?"
Jetzt war Elsa wach. Grinsend lugte sie durch halboffene Augen zu ihrer Schwester. Diese lachte verspielt und schon wurde Elsa aus ihrem Bett und durch den langen Flur des Schlosses gezogen. Anna war ganz schön schnell, wenn sie etwas wollte. Sie zerrte Elsa bis in den großen Saal mit den vielen Bildern.
"Zauber für mich, Elsa!", bettelte sie.
Elsa lächelte und formte eine Schneeflocke in ihren Händen, die bis zu der Decke des Saals stieg und dort in tausende kleine Schneeflocken zersprang.
"Schön!", staunte Anna und lief lachend, und gleichzeitig hüpfend, im Raum umher.
Elsa war so glücklich darüber, ihrer kleinen Schwester eine Freude bereiten zu können.
Nach einer Weile war ein Großteil des Bodens mit Schnee bedeckt. Elsa und Anna hatten einen Schneemann gebaut und ihn Olaf genannt, hatten eine Rutsche aus Schnee gebaut und liefen Schlittschuh. Sie hatten so viel Spaß. Quietschend vor Vergnügen kletterte die kleine Anna auf einen Schneehaufen und sprang davon ab.
"Fang mich auf, Elsa!"
Lachend zauberte Elsa weitere Schneehügel unter ihre Füße, damit ihre beste Freundin nicht fiel, doch voller Übermut sprang diese immer und immer schneller von dem, gerade geschaffenen, Schneehaufen ab.
"Nicht so schnell, Anna!"
Sie hörte nicht.
Elsa hatte es nun schwer mit dem Erschaffen der Hügel hinterherzukommen. Und da sprang Anna wieder ab, doch Elsa schaffte es diesmal nicht, sie aufzufangen. Sie versuchte es, aber sie rutschte auf dem vereisten Saalboden aus, versuchte noch, einen Hügel zu zaubern, traf aber Annas Kopf.
"Anna!", schrie Elsa geschockt auf, eilte zu ihrer kleinen Schwester hin und nahm sie in ihrer Arme.
"Nein!", weinte sie und umklammerte Anna noch mehr, "Mama, Papa!"
In ihr spürte sie etwas, was sie zuvor noch nie gefühlt hatte. In ihr wütete ein unkontrollierbarer Sturm, der nicht enden wollte sie mit Furcht zu erfüllen. Sie konnte ihre Eiskräfte nicht mehr unter Kontrolle halten, sodass der gesamte Gemäldesaal mit Eis überzogen wurde. Die Luft stand für kurze Zeit still in diesem Saal.
Herbeigeholt von Elsas Schreien, stürmten König Adgar und Königin Idun in die Galerie. Entsetzt eilte Adgar zu seinen Töchtern, als er sah, dass Anna sich nicht rührte.
"Elsa, was hast du getan?!"
Verzweifelte Angst spiegelte sich in Elsas Augen.
Hastig suchte das Königspaar nach Hilfe und sie fanden diese auch: Eine Karte, auf der das Volk der Trolle eingezeichnet war, fiel aus einem dicken Buch auf den Boden der Bibliothek.
In Windeseile ritten sie mit ihren zwei Töchtern in den Wald.

Es gerät außer Kontrolle!
Jack war für einen Moment starr von dem Schock. Elsa hatte unglaubliche Kräfte! Und viel stärker, als bis jetzt angenommen. Er löste sich vom Fenster, durch das er noch immer hindurchschaute. Die Königsfamilie war schon seit ein paar Minuten in den Wald geritten.
Ich muss die anderen Hüter informieren!
So kräftig wie möglich stieß er sich von dem Dachvorsprung ab, auf dem er hockte, und flog, getragen vom Wind, zum Nordpol.
Dort angekommen fragte er den Yeti am Eingang: "Wo ist North? Ich muss ihn sprechen! Es ist dringend.", doch der Yeti zuckte nur mit den Schultern.
Jack stürmte sofort an ihm vorbei in den Globusraum. North war nicht dort.
Wo steckt er, wenn man ihn mal braucht?
Er rannte weiter, bis zu dem Raum, in dem der Weihnachtsmann die Modelle für neue Spielzeuge herstellte. Das war der letzte Ort, an dem Jack noch suchen konnte. Wenn North nicht dort war, wusste Jack Frost nicht, wo er noch suchen sollte. Bitte klopfen!, stand auf einem Schild, das an der Tür hing.
Keine Zeit., dachte Jack nur und stieß die große Doppeltür auf. Klirrend fiel etwas zu Boden.
"WIE OFT habe ich schon gesagt, KLOPFT AN!!?!!", schrie ihm North Pole verärgert entgegen. Als er aber den atemlose Jack erblickte, wurde aus seinem wütenden Blick ein besorgter Gesichtsausdruck.
"Jack, was los?"
"North... Es gerät... außer Kontrolle...!", schnaufte Jack. Er musste seinen Satz immer wieder unterbrechen, um Luft zu holen.
"Sie... Elsa, hat... viel stärkere Kräfte... als... wir bisher dachten! Ihre Schwester... Sie... die Eltern...!", erzählte er gehetzt.
North verstand kein Wort.
"Jetzt beruhige dich, Jack! Atme erstmal tief durch. Ich rufen inzwischen andere Hüter.", versuchte North ihn zu beruhigen.
Jack nickte. Komm runter! So kannst du keinem helfen. Hoffe jetzt erstmal, dass die Trolle der kleinen Anna helfen können.

"... Deine Magie ist wunderschön, Elsa. Doch sie birgt auch große Gefahren!", erzählte der Troll Grandpabbie der kleinen Königstochter. Dabei erschuf er über ihm Bilder, die die Gefahren zeigten, von denen er sprach.
"... Die Furcht ist dein größter Feind."
Elsa starrte ängstlich zu den Bildern hinauf.
"Du musst lernen, sie zu kontrollieren!", erklärte ihr der Steintroll.
Mit Furcht in ihren Augen sah Elsa ihre Eltern an. Das hatte sie doch alles nicht gewollt. Sie war ein Monster!
Der König legte ihr seine Hand auf die Schulter.
"Wir danken dir.", richtete er sein Wort an Grandpabbie. Dieser verbeugte sich nur.
Gemeinsam ritten sie zurück zum Schloss.
Idun brachte Anna in ihr Zimmer, als sich der König an seine ältere Tochter wandte: "Sie wird sich nicht an deine Fähigkeiten erinnern können und du darfst sie ihr auch nicht mehr zeigen, solange du sie nicht unter Kontrolle hast. Es ist besser so. Für uns alle. Verstehst du mich, Elsa?"
Sie senkte bedrückt ihren Kopf und schaute zu Boden.
"Ja, Vater."
"Es geht nicht anders.", versuchte Adgar sie zu trösten, doch das konnte er nicht. Elsa war gerade klar geworden, was das eigentlich für sie bedeutete. Sie wird nie mehr mit Anna spielen oder reden dürfen, wenn sie das Eis in sich nicht zum Schweigen bringt. Wie sollte sie das nur schaffen? Eine Träne rollte ihre Wange hinunter.
"Elsa.", sprach Adgar sie erneut an.
Sie blickte zu ihm auf.
"Lass sie nicht rein, lass sie nicht seh'n."
Elsa nickte traurig. "Lass sie nicht rein, lass sie nicht seh'n wie du bist. Nein, das darf niemals gescheh'n."
"Gut.", lächelte ihr Vater.
Langsam und bedrückt wandte sie sich von ihm ab und ging in ihr Zimmer. Dort schloss sie sich ein, um über sie letzte Nacht nachzudenken.

"Versteht ihr jetzt, was ich meine?", fragte Jack, als Elsa sich in ihr Zimmer zurückgezogen hatte und nun weinend an der schneeweißen Holztür lehnte.
"Die arme Kleine!", seufzte die Zahnfee.
"Das übel.", brummte North.
"Ganz übel!", verbesserte ihn Hase, "Wenn wir es nicht schaffen, sie aufzuheitern und sie sich ihrer Angst hingibt, haben wir schon verloren."
Irgendwie ärgerte Jack diese Aussage.
"Was heißt denn, dann haben WIR verloren?! Es geht hier um SIE, um Elsa! Wenn sie keinen neuen Mut fasst, wird sie nie wieder glücklich sein! Mit der Bedrohung werden wir schon irgendwie fertig!", entgegnete er gereizt.
"Hey, Jack. Was ist denn los?" Tooth schaute ihn besorgt an.
"Jack. Ich glaube, du nicht wissen, wovon wir sprechen.", reagierte nun auch North auf Jack Frosts Aussage, "Wenn sie jetzt in Angst versinkt und die Bedrohung nur Stück mit Pitch zu tun, dann sie verloren. Dann wir ihr nicht helfen können, nur er."
"...Und dann könnte es sein, dass sie die Seite wechselt, Keule.", ergänzte Hase.
Der Weihnachtsmann nickte bestätigend.
"Hm...", murrte Jack.
Sie haben ja Recht. Wir müssen ihr helfen, aber warum regst du dich überhaupt so auf? Es hat keinen Sinn, sich mit ihnen darüber zu streiten. Sie wollen alle dasselbe, wie du. Der Grund ist doch egal!, mahnte er sich selbst zu Ruhe.
"Und wie stellen wir das an? Sie darf uns doch nicht sehen, schon vergessen?", fragte er noch leicht verstimmt. Jack wusste nicht warum, aber er spürte, dass ihm Elsas Traurigkeit sehr nahe ging.
Lass das nicht zu sehr an dich ran!
"Das ist das Problem.", meinte auch Hase.

"Was sollen wir nur mit ihr machen, Adgar?", fragte die Königin in Besorgnis um ihre Tochter.
"Sie muss lernen, ihre Fähigkeit zu verbergen. Und bis sie das nicht beherrscht, müssen wir jeglichen unnötigen Kontakt nach Außen verhindern. Sie darf niemanden verletzen.", legte er seine Meinung deutlich dar.
"Aber sie hat das doch auch nicht gewollt und leidet am Meisten darunter."
"Das Einzige, was wir machen können, ist, ihr zu helfen ihre Gefühle zu unterdrücken."
Adgar nahm die Hände seiner Frau in seine.
"Wir schaffen das schon."

Die verlorene HüterinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt