Ich saß in der Ecke des Zimmers. Ein weiterer Schauder lief mir über den Rücken, ich zitterte. Im Raum war es eisig kalt und stockdunkel. Die Luft roch modrig und verbraucht. Meine Augen hatten sich an die Dunkelheit gewöhnt, verschwommene Umrisse von Möbeln flackerten vor meinen Augen. Wie von allein wippte ich vor und zurück. Meine Beine hatte ich fest umklammert, ich spürte die Wand, wie sie am Stoff meines Pullovers strich. Mit meinen Fingerspitzen berührte ich die raue, kalte Haut meiner abgemagerten Beine. Auf meinen Wangen spürte ich das Salz meiner Tränen kleben. Ich hörte etwas rascheln, vermutlich eine Spinne, die nach Nahrung sucht. Bei dem Gedanken wurde mir schlecht. Unter der Tür schoben sich hin und wieder ein paar Lichtstrahlen hindurch, die ich so lange gebannt anstarrte, bis sie wieder verschwanden. Ich spürte meine Füße nicht mehr, vermutlich waren sie eingeschlafen und mittlerweile völlig blutleer, doch ich brauchte nicht die Kraft auf, sie zu bewegen. Sie waren wie am Boden festgenagelt. Mein Atem hatte sich der Raumluft angepasst, modrig und verbraucht. Ich spürte, wie meine Lippe bei einer winzigen Mundbewegung aufriss und ich schmeckte Blut. Wie automatisch lehnte ich mich ein Stück zur Seite und würgte. Es war nichts mehr in mir, was ich auch bei den letzten Malen schon bemerkt hatte. Als es aufhörte, rastete mein Körper wieder in die alte Position ein. Ich merkte, wie meine Augen zu fielen, doch ich war hellwach. Aber wenn ich einschlafen würde, dachte ich, würde ich vielleicht nicht mehr aufwachen. Der Gedanke hörte sich so gut an, dass ich all meine Kraft zusammen nahm und mich seitlich auf den eiskalten Steinboden legte. Meine Füße zeigten wieder etwas Regung, sie kribbelten wie verrückt. Es fühlte sich so an, als ob mein Körper dafür all seine Kraft bräuchte und mich ansonsten völlig links liegen ließ. Ich atmete ratternd und ungleichmäßig. Langsam fielen meine Augenlieder zu und die Welt um mich fing an sich zu drehen. Kurz wurde mir noch einmal schlecht, dann konnte ich nicht unterscheiden, ob ich einschlief oder ohnmächtig wurde.
Die Kellertür wird ratternd aufgerissen, Licht ströhmt unter dem Türspalt hindurch. Ich höre Stimmen, fiese, aggressive Stimmen, und sie schreien immer wieder das Gleiche. Immer und immer wieder. Die verzweifelte Stimme meiner Mutter mischt sich ein, dann höre ich einen Aufprall auf Holz, einen kurzen Aufschrei. Schritte nähern sich, ich vernehme etwas atmen. Es murmelt den Satz noch immer vor sich hin. "Wir holen dich, wir holen dich, Verrückte! " Metall klappert, Schlüssel klirren, die Schritte werden lauter und schneller. Das schnaufende Atmen wird auch immer lauter. Ich unterdrücke meine Schreie, denn, obwohl ich keinen Schimmer habe, was hier geschieht, weiß ich, dass es tödlich sein könnte. Plötzlich hören die Schritte auf. Ich nehme den Atem jetzt direkt vor der Metalltür meines Raumes wahr. Ein paar Sekunden passiert gar nichts. Dann wird ein Schlüssel mit einem schaurigen Geräusch langsam in das Schlüsselloch geschoben und mit einem lauten Rattern herum gedreht. Meine Hand geht wie automatisch zum Mund und hält die panischen Schreie in mir gefangen. Ein metallisches Kreischen ertönt, die Tür öffnet sich. Und was ich da hinter sehe, scheint für mich das Schlimmste zu sein, was ich hätte sehen können. Ein kleiner, dicker Mann steht in einem stechend weißen, mit Blut bespritzten Kittel zwischen Kellerflur und meinem Raum. Seine Augen suchen kurz den Raum ab, dann finden sie mich und ein grässliches Lächeln zieht über sein Gesicht. Er bleckt seine braunen, verfaulten Zähne. Mit langsamen, humpelnden Schritten nähert er sich mir. Jetzt kann ich meine Schreie nicht mehr halten. Mit jedem Atemzug werden sie lauter, sie klingen heiser und scheinen vom untersten Ort meiner Brust zu kommen. Meine Rippen heben und senken sich zu schnell, sie tun nach wenigen Sekunden weh, mein Herz hämmert und mein Kopf dröhnt. Der Mann mit dem Kittel kommt näher, er streckt die Hand aus, als sei ich ein Tier, das er streicheln wolle. Ich kauere mich noch enger in meine Ecke. Je näher er mir kommt, desto lauter wird das Dröhnen in meinem Kopf und desto lauter werden meine Schreie. Seine ebenfalls mit Blut befleckten Finger sind jetzt nur noch wenige Zentimeter von meiner Schulter entfernt. Das Dröhnen ist jetzt nicht mehr auszuhalten, es scheint gleich meinen Kopf zu sprengen. Dann ist es so weit. Seine Hand berührt mich und ich verspüre einen Schmerz, wie ich ihn noch nie erlebt habe. Ein elektrischer Schlag durchfährt meinen Körper, der zuckt und zittert. Ich habe das Gefühl, mein Gehirn würde verschmoren und ich beiße mir so fest auf den Kiefer, dass ich sicher bin, dass er bricht.