Freaky Bad Girl

6

Ich starrte die Zimmerdecke an.

Niall wollte mich küssen. Und ich denke an Ty.

Ich seufzte. Und morgen würde ich Beide wieder sehen!

Ich drückte mein Gesicht in das Kissen. Das ist zu viel für mich!

Niall weiß wer ich bin und redet trotzdem noch mit mir. Der Gedanke an ihn und wie nah er mir war, ließ mich wohlig erschaudern.

Doch dann schlich sich Ty wieder in meine Gedanken. Ty der, laut Niall, extra aus dem Klassenzimmer geflogen ist. Ich seufzte. Was mache ich jetzt nur?

Und als der Wecker klingelte, wurde das Erwachen noch schlimmer. Ich stöhnte auf und lag so lange im Bett, dass Bella ins Zimmer kam.

"Gigi! Du kommst zu spät!" Ich hörte ihre panische Stimme.

"Gut, dann kann ich mich ja nochmal rum drehen." Ich kuschelte mich weiter in meine Bettdecke ein.

"Nein, raus mit dir!" Wieder zerrte sie an der Bettdecke herum, wie an meinem ersten Schultag.

Ich stöhnte genervt auf. Es war nicht einmal eine Woche vergangen und ich war immer so kurz davor, einfach nicht zur Schule zu gehen. Brauche ich das wirklich?

Dann rappelte ich mich auf und sprang ins Bad.

"Beeil dich!" Rief sie mir hinterher. Ich verdrehte nur die Augen. Dann duschte ich mich, zog mich an und schminkte mich in aller Ruhe.

Ich schaute auf die Uhr. Ich könnte es bis zur Hälfte der ersten Stunde schaffen.

Also ging ich runter in die Küche und nahm mir das, was Bella für mich gemacht hatte mit einem grummeln an.

"Und versuch heute bitte nicht wieder aus der Klasse zu fliegen, ja?" Sie schaute mich ernst an, obwohl ich einen leicht amüsierten Unterton in ihrer Stimme hörte.

Ich riss meine Augen auf. Woher wusste sie das?! Das kann sie gar nicht wissen! Ich glaube nicht, dass mein Rektor extra Bella angerufen hatte. Er hat mich nur verwarnt!

"Die Leute reden viel, Gigi. Ich stand in der Supermarktschlange und höre von einem neuen heißen Bad girl namens Gigi. Die angeblich schon zweimal aus dem Unterricht geflogen ist und ohne Bestrafung davon gekommen ist."

Jetzt war sie gar nicht mehr amüsiert über die Situation. Bella war wütend. Und wie.

"Oh, ich kann das erklä-",

"Und man sagte sie hat einen heißen Hintern. Ich weiß ja nicht ob sie dich meinten, deiner ist nur mittelmäßig."

Sie schaute kurz auf mein Hintern und ich versuchte nicht zu lachen.

"Aber ich glaube, es heißt hier keine Andere Gigi." Sie warf mir ein wütenden Blick zu, also wurde sie wieder ernst.

"Bella, wir bereden das später, ja?" Ich drückte ihr trotzdem ein Kuss auf die Wange.

Dann schnappte ich mir mein Helm und verließ das Haus.

Ich liebte Bell. Bell war immer für mich da, wie meine zweite Mutter, die alles ein bisschen lockerer sah. Matt, ihr Freund war auch ganz in Ordnung, aber mit ihm redete ich nicht allzu viel. Matt war immer eher nur für Bell da. Er kam immer spät Abends und musste früh aus dem Haus. So wie Techniker eben waren.

Als ich die Richwood High erreichte war es so, wie ich es vermutet hatte. Ich kam mitten in der Stunde an. Deutsch.

Eigentlich war Deutsch immer mein Lieblingsfach gewesen. Romeo und Julia, Literatur allgemein. Ich hatte so viele Versionen von Romeo und Julia in meinem Zimmer. Nur alles vergraben, dass ich nicht in mein altes Muster falle.

Ich ging in die Klasse ohne anzuklopfen, entschuldigte mich aber. "Entschuldige, Mrs Dorson, ich habe die Uhr aus den Augen gelassen."

Mrs Dorson nickte nur, doch ich hörte ein fieses kichern von Madison. Na toll, ich bin mit ihr in Deutsch.

Wie kann es bei so einer großen Schule sein, dass man immer mit den Leuten im Unterricht ist, die man hasst? Erst Sean, Ty war auch nicht besser und dann Madison.

Obwohl ich mich über Ty früher immer gefreut hatte. Doch jetzt sah ich jemand anderes mich anlächeln. Niall. Er saß ganz hinten, umgeben von besetzten Stühlen. Der einzige freie Platz war vor Madison. Na toll. Auch das noch.

Ich schaute unauffällig nach oben, wo Gott sein sollte. Das machst du extra, oder?, dachte ich mir und nahm meinen Platz ein.

"Hattest du auch dein Spiegel aus den Augen gelassen? Du siehst grässlich aus." Alle lachten.

Madison grinste sicher triumphierend, jedoch drehte ich mich nicht um. Die Genugtuung würde ich ihr nicht geben. Also starrte ich einfach auf Mrs Dorson, die etwas auf die Tafel schrieb und ich schrieb sorgfältig mit.

Vielleicht konnte ich mich ja doch im Unterricht verlieren? Immerhin hing ich immer an Mrs Dorsons Lippen. Früher jedenfalls.

"Nun ich habe mir etwas Neues für euch ausgedacht. Da viele mündlich ziemlich schlecht sind, da viele sich mitten im Unterricht die Nägeln feilen", Mrs Dorson schaute bewusst zu Madison, die gerade an ihren Nägeln arbeitete und Mrs Dorson böse zurück anfunkelte. "Werde ich jetzt jede Stunde ein Gedicht vorlesen und einer von euch sagt mir, um was es dort geht. Das wird eure mündliche Note. Wer also nicht aufpasst, an dem Tag nicht da ist, oder zu spät kommt ist dann selbst Schuld." Damit sah sie mich an.

Sie vertritt ihren Standpunkt ganz klar, deswegen habe ich Mrs Dorson immer geliebt. Sie hat mich unterstützt, wenn die ganze Klasse mich auslachte. Georgia. Nicht mich. Jetzt lag in ihrem Blick etwas warnendes.

Ich rutschte auf meinem Stuhl weiter hinunter.

"Dann fangen wir mal an!" Sie kramte etwas aus ihren Unterlagen hervor und setzte sich auf ihren Pult, genau vor mich.

"Der Neubeginn

Ich glaube an
einen Tag –
irgendwann,
der die Vergangenheit
aufsuchen wird,
um sie einzufangen
und einer neuen Zeit zu
übergeben –
irgendwo.
Eine Zeit, die das Böse
verurteilen wird
und alles Leiden im Nichts
verschwinden läßt.
Ich glaube an diesen Neubeginn."

Mrs Dorson ließ uns Zeit nachzudenken. Dann hob sie den Kopf und ließ ihren Blick über die Klasse schweifen.

Bitte nicht ich, bitte nicht ich, wiederholte ich in meinem Kopf. Nicht das Thema.

"Niall." Wir drehten uns alle automatisch zu Niall nach hinten, sogar Madison hat ihre Feile weggelegt.

Niall starrte mich an. Nicht Mrs Dorson, sein Blick lag felsenfest auf mir.

"Ich glaube das Gedicht möchte uns vermitteln, dass man Sachen die man in der Vergangenheit gemacht hat, nicht einfach vergessen kann. Die Vergangenheit kommt immer ans Licht, wenn auch in einer späteren Zeit und ich zitiere 'um sie einzufangen und einer neuen Zeit zu übergeben'. Ein Neubeginn ist es erst, wenn man sich um die Vergangenheit keine Sorgen mehr machen muss, auch wenn man verurteilt wird."

Stille breitete sich aus. Noch nie war eine Klasse so ruhig. Niemand bewegte sich, niemand blinzelte auch nur.

Ich zitterte, während Niall mich immer noch anschaute.

Dann klingelte es. "Das war gar nicht so schlecht, Niall. Nächste Stunde befassen wir uns nochmal mit dem Gedicht und schauen ob du Recht hast. Und nun raus mit euch!"

Ich schreckte hoch. Packte meine Sachen so schnell wie möglich ein und wollte so viel Distanz zwischen mir und Niall bringen wie möglich. Ich rannte förmlich aus dem Klassenzimmer.

Was war das gerade? Will er das ich sage wer ich davor war? Damit ich mir alles kaputt mache? Ich will nicht wieder ausgelacht und mit Essen beworfen werden. Ich bin kein Freak.

Ich lief so schnell wie möglich von Klassenzimmer weg und als ich um die Kurve ging, prallte ich mit jemand zusammen. Ty.

Meine Schulsachen fielen zu Boden, doch Ty fing mich auf, bevor ich zu Boden fallen konnte. Seine starken Arme waren um mich geschlungen und instinktiv hielt ich mich an ihm fest. Ich wagte nicht einmal mehr zu atmen.