Kapitel.1. Die Ankunft

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Mit trübem Blick starre ich auf den schwarzen Bildschirm meines Handys. Jede Sekunde..jede Minute hoffe ich, dass es hell aufleuchtet und eine Nachricht meiner Eltern anzeigt in der steht : ,, Haha! Reingefallen Luzie! Du musst gar nicht weg ! Wir haben dir nur einen Streich gespielt! Wir lieben dich, komm schnell wieder Nachhause ..sonst wird das Abendessen noch kalt.

Aber so war es nicht. Seit nun beinahe 4 Stunden sitze ich schon in diesem Taxi und lasse meinen Blick immer wieder zwischen Fenster und Display hin und her schweifen. Draußen zieht die Landschaft nur so an mir vorbei und auch der Fahrer würdigt mich keines Blickes. Seufzend lehne ich meinen Kopf gegen die Glasscheibe. Mein Mund ist trocken und durch meinen Kopf schwirren tausende Fragen. 

Wo geht es hin?

Wie heißt dieser Ort überhaupt?

Lieben sie mich nicht mehr?

Warum muss ich dort hin?

Die letzte dieser Fragen kann ich mir eigentlich selbst beantworten. 2 Jahre lang litt ich schon unter diesen Träumen. Jedes Mal wenn ich aufwachte, waren meine Arme, Beine und mein Gesicht zerkratzt. Meine Eltern brachten mich zu jedem erdenklichen Arzt, doch keiner wusste was mit mir nicht stimmte. Schlussendlich verlor jeder die Hoffnung. Die Ärzte..meine Eltern und sogar Ich selbst. Ich würde wahrscheinlich nie dahinter kommen, was diese Träume zu bedeuten hatten. Sicherlich war es eine gute Entscheidung von ihnen gewesen mich auf dieses Internat zu schicken. Wahrscheinlich meinten sie es einfach nur gut mit mir...oder vielleicht wollten sie mich auch einfach los haben, denn eine Tochter auf die jedermann neidisch war...war ich eindeutig nicht.

Missbilligend sehe ich an mir herunter. Blasse Haut mit vielen Narben. Eine mittelgroße Wölbung an meinem Bauch und viel zu kleine Füße. Ich bin alles andere, als das was man heute als Schönheitsideal sieht. Seit ich 14 bin trage ich die Konfektionsgröße 40-42. Normalgewicht wie man meinen könnte, doch neben meinen weiblichen Mitschülerinnen sehe ich aus wie Bowlingkugel mit Armen und Beinen. Beschämt wende ich meinen Blick von der Scheibe ab, in welcher sich mein Gesicht spiegelt. Ich bin keine Schönheit, aber ich wollte es auch nie sein. Schnell hatte ich gemerkt wie oberflächlich die heutige Gesellschaft war. Ich hatte versucht abzunehmen, doch ich hatte sehr schnell wieder aufgegeben. Ich liebe das Essen einfach viel zu sehr. 

,,Wir sind bald da.'', meldet sich der Fahrer plötzlich zu Wort.

Seine Stimme klingt rau und ziemlich kratzig. Erneut hebe ich meinen Blick und ein großes Gebäude taucht vor mir auf. Ein Knirschen ertönt, als das Auto auf einen Kiesweg fährt und schließlich anhält. Einen Moment lang bleibe ich noch sitzen, ehe ich die Tür mit zittrigen Fingern  öffne und mich mit großen Augen umsehe. Vor mir erstreckt sich ein weiter Hof, welcher von einer hohen Hecke umgeben ist. In der Mitte steht eine große Eiche, welche ihre prächtigen Äste in die Luft streckt. Eine merkwürdige Stille liegt jedoch in der Luft. Weder hört man Vogelgezwitscher, noch das Rauschen von Bäumen.

,,Ihre Koffer.'', brummt es neben mir und als ich mich umdrehe ist der Taxifahrer auch schon wieder in seinen Wagen gestiegen und braust davon, als würde er vor irgendetwas fliehen wollen. Meine Knie beginnen zu zittern und ein großer Kloß bildet sich in meinem Hals.

Wo muss ich denn jetzt überhaupt hin?

Ich fühle mich gerade sehr verloren und allein. Ich bücke mich und schultere meine blaue Umhängetasche, meinen Koffer nehme ich in Hand. 

Ich würde mich zuerst anmelden müssen. Mit meiner noch freien Hand greife ich in die Bauchtasche meines Kapuzen-Pullis und ziehe einen ziemlich zerknitterten Plan heraus. Nachdem das Sekretariat auf der Karte gefunden habe, mache ich mich mit gesenktem Kopf auf den Weg. Nach kurzer Zeit tun mir meine Arme weh. Die Umhängetasche drückt unangenehm gegen meine Schulter und auch mein Rollkoffer lässt sich nur sehr schwer über den Kies ziehen. 

Im Schatten der Dämmerung..Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt