Die Liebe findet ihren Weg

Kapitel 1

Gegen acht griff Dr. Jessica Smith ihre Kellybag von Hermes, steckte Patientenakten hinein, schloss ihr Büro und fuhr mit ihrem weißen 911er aus der Tiefgarage. Sie würde heute noch in einem indischen Takeaway ihr Abendessen mitnehmen, das aus Nudeln, Gemüse und Soja bestand. Anschließen musste sie sich noch auf die Operationen am kommenden Tag vorbereiten. Morgen sollte sie ein Gesicht nach einem schweren Unfall wieder herstellen. Die Patientin war dazu extra aus Abu Dhabi angereist. Es war eine neue Operationstechnik, über die Jessica schon mehrfach Vorträge gehalten hatte. Ein Kollege aus Japan, der diese Technik lernen wollte, würde ihr assistieren.

Ihre Sekretärin war längst heimgegangen, als sie ihr Büro verließ, um nochmals nach ihren operierten Patientinnen zu schauen. Es war still auf der Station, nur die Schwestern der Nachtschicht waren hier.

»Geht es allen Patienten gut?«, fragte Jessica die Nachtschwester, bevor sie die Klinik verließ.

»Alles gut, machen Sie sich keine Sorgen«, antwortete sie.

Das Krankenhaus glich eher einem Hotel, und es gab nichts, was sich vermissen ließ. Die meisten Patienten bestellen ihr Essen aus einem der Fünf Sterne Hotel oder ließen es direkt von Harrods bringen, die Einzelzimmer hatten alle echte Gemälde, und die Bäder waren aus Marmor. Sie war eine der fünf Ärzte für Plastische Chirurgie, die hier arbeiteten. Die junge und doch so erfolgreiche Chirurgin wirkte fast bescheiden in dem ganzen Luxus. Denn sie liebte ihn zwar, doch ihr ging es immer um die Medizin. Alles andere war Beiwerk. Jessica war wohl einer der begnadetsten Chirurginnen in London, wenn sie das selber auch nie gerne hörte und darauf immer sagte: Ich tue nur meine Arbeit. Aber jeder wusste, dass sie das mit ganzem Herzen tat. Denn alles, was sie tat, machte sie mit Herz. Das ist vielleicht meine größte Gabe, dachte sie. Sie hätte sich damals in er Universität in Heidelberg nie träumen lassen, dass sie einmal in der berühmten und exklusiven private clinic for esthetic medicine arbeiten würde. Dann wurde ihr Vater, der Geschäftsführer einer englischen Firma war, in das Headquarter nach London versetzt. Seine Frau, eine Amerikanerin und seine drei Töchter kamen mit. Sie fanden ein nettes Häuschen in einem noblen Vorort der Metropole. Die Mädchen waren fasziniert von dem Treiben der Großstadt und fühlten sich gleich wohl. Nur seine Frau, die das amerikanische Leben gewöhnt war, brauchte etwas Zeit, um sich an die englische Förmlichkeit zu gewöhnen.

Jessicas Freundinnen konnten nicht verstehen, wie sie auf die Londoner Szene- Clubs verzichten und stattdessen soviel arbeiten wollte. Das Nachtleben in London hatte sie ausreichend genossen, und jetzt machte ihr Beruf ihr mehr Spaß als vieles andere. Ja, sie hatte ihre Berufung gefunden. Sonst würde sie nicht so viele Stunden am Operationstisch stehen können und auch viele Wochenenden in der Klinik verbringen.

Es war für sie das Wichtigste im Leben, außer ihren Eltern und ihren zwei Schwestern, ihren Freunden und natürlich ihrem geliebten Kater Jonathan. Er würde jetzt schon an der Türe warten und mit ihr schimpfen, dass er sein Abendessen wieder so spät bekam. Und es war das einzige Mal, dass sie etwas schlechtes Gewissen bekam. Haustiere haben uns doch ganz schön in der Hand, dachte sie, als sie sich durch den abendlichen Verkehr von London kämpfte und musste dabei innerlich schmunzeln.

Kapitel II

Peter Miller winke seiner Frau zu, als sie mit dem schwarzen Cayenne die Ausfahrt hinausfuhr. Sie fuhr mit ihrer Tochter Julia noch kurz in die Stadt, um Einkäufe für das Wochenende zu erledigen. Die Familie wollte einen Kurzurlaub auf Sylt verbringen, das für Peter immer Erholung und Entspannung von seiner anstrengenden Tätigkeit als Marketingleiter einer großen Kosmetikfirma brachte. Er liebte es, jeden freien Moment mit seiner Familie zu verbringen. Den größten Teil seiner Zeit war er in Flugzeugen zwischen New York, Singapore, London und allen anderen Metropolen dieser Erde. Es gab wohl noch keine fast keine Hauptstadt, in der er nicht gewesen war.