Kapitel 30 - Warum

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Ich reagierte schnell und schubste Dylan vom Sofa, so dass er auf dem Boden lag. Meine Eltern hatten ihn nicht gesehen, da sie gerade stritten. Als sie Dylan jedoch aufschlagen hörten, drehten sie sich zu mir um.
"Brooke, Schatz. Alles in Ordnung?" Schnell sprang ich auf und lief zu ihnen, darauf bedacht, nicht auf meinen Freund zu treten. Bei dem Gedanken kribbelte es in meinem Bauch. Es war ein schönes Gefühl ihn meinen Freund zu nennen, wenn auch nur in Gedanken.
"Bei mir schon, aber wie sieht es bei euch aus?", fragte ich und schritt auf sie zu. Meine Mutter und mein Vater sahen sich verunsichert an, bis mein Vater nur mit den Schultern zuckte. Meine Mutter stöhnte und wischte sich über die Augen.
"Es ist nichts." Damit verschwand sie. Ich machte mir nicht weiter Gedanken darüber, denn momentan hatte ich das Problem, dass mein verbotener Freund im Wohnzimmer meiner Eltern lag.
Jetzt musste ich jedenfalls nur noch meinen Vater aus dem Raum schaffen, dann könnte Dylan heimlich verschwinden. Meine Eltern würden nichts von uns erfahren, bis ich 18 und somit volljährig war und dann würden wir glücklich bis an unser Lebensende Zusammenleben. Natürlich war diese Vorstellung absolut unrealistisch, aber sie gefiel mir trotzdem.
"Dad. Kommst du mal mit? Ich glaube im... ähh Badezimmer. Da ist was kaputt." Mein Vater sah mich komisch an. Für einen Moment dachte ich, er glaubte mir nicht und würde sich jetzt über die Couch schwingen um einen Film zu sehen, dann setzte er sich jedoch in Bewegung, dicht gefolgt von mir.

Schnell hatte ich meinem Vater erklärt, dass ich mich wohl getäuscht hatte und alles heil war. Als ich ins Wohnzimmer zurück kam, war Dylan verschwunden und ich atmete erleichtert auf. Mein Handy klingelte und ich hatte eine Nachricht von ihm.

Ich hol dich morgen früh vor der Schule ab. ♥️

Lächelnd antwortete ich ihm und wir schrieben eine Weile hin und her.
"Mit wem textest du denn?", fragte meine Mutter lächelnd und setzte sich neben mich. Ich verzog das Gesicht und richtete mein Handy von ihr weg. Wer, abgesehen von meinen Eltern, benutzte denn noch das Wort 'texten'?
"Nur mit..." Mir fiel auf, dass ich meinen Eltern irgendeinen Namen nennen könnte, sie hätten keine Ahnung wer es war - keine Ahnung von meinem Leben. Sie hatten zwar die Namen Lucy, Blake, Rayn und Rose schon mal gehört und ich hatte ihnen auch Bilder gezeigt, aber sie haben sich nie kennengelernt. Natürlich habe ich ihnen auch nichts von den Ereignissen der letzten Wochen erzählt. Die einzige Person aus meinem Umkreis, die sie kannten, war Dylan. Leider mochten sie ihn nicht wirklich. Oder nur seine Eltern nicht, keine Ahnung. Ich blickte da einfach nicht durch.
"Äh, mit Rose.", murmelte ich und setzte ein falsches Lächeln dahinter. "Wann lernen wir eigentlich mal deine ganzen Freunde kennen?", fragte sie munter weiter.
"Wahrscheinlich ist Dylan bald mein einziger Freund...", sagte ich zu mir eher selbst.
"Was hast du gesagt, Schatz?" Ich zuckte zusammen. "Ach nichts Mum."

Am nächsten Morgen beeilte ich mich und stand rechtzeitig draußen vor der Tür. Ich bin froh, dass es langsam wärmer wurde und ich die Winterjacke im Schrank hängen lassen konnte.
Punkt 7:00 Uhr hielt Dylan mit seinem Motorrad vor unserem Haus. Ich lächelte und ging auf ihn zu, um ihn zu küssen.
"Bist du bereit?" Ich nickte und setzte mich hinter ihn auf sein Motorrad. Er gab mir deinen Helm, welchen ich aufsetzte und dann fuhr er auch sofort los. Schnell krallte ich meine Nägel in seine Jacke, um nicht herunterzufallen.

An der Schule angekommen, atmete ich noch einmal tief durch. Dylan lächelte mir ermutigend zu und umfasste dann meine Hand. Ich lächelte auch kurz als sich unsere Finger ineinander kreuzten und konzentrierte mich dann auf meine Füße und den Boden, um nicht hinzufallen oder zu stolpern.
Langsam liefen wir durch die Flure. Ein paar Leute schauten uns an und begannen zu tuscheln, aber die meisten Leute ignorierten uns einfach. Ich freute mich tatsächlich über die Reaktionen der Mehrheit. Was ist so interessant an einem Paar, welches eine Beziehung hatte? Ganz genau nichts... Doch dank Lucy wird so was an die große Glocke gehangen. Oder eher wurde...
Apropos Lucy. Da stand sie, an ihren Schrank gelehnt, uns gehässig angrinsend. Ich wusste nicht, warum sie noch lachte, aber ich war mir sicher, dass ihr dieses Lachen bald vergehen würde.
"Na wer kommt denn da? Ihr zwei seid aber auch herzallerliebst." Sie kicherte und ich fragte mich was mit ihr nicht stimmte. "Du kannst allen mein Geheimnis verraten. Wie du siehst", ich hielt demonstrativ unsere verschränkten Hände hoch,"ist es mir egal. Ich lie... Dylan und ich sind jetzt ganz offiziell ein Paar und alle können es erfahren." Abgesehen von unseren Eltern natürlich, aber das würde ich Lucy bestimmt nicht sagen, sonst kam sie noch auf dumme Gedanken.
"Wie süß. Erwartest du jetzt, dass ich heulend wegrenne und mich in der Toilette einschließe?" Nein, damit hätte ich nicht gerechnet, aber trotzdem hatte ich mir vorgestellt, dass irgendetwas passierte. Wir standen uns einfach nur gegenüber. Dylan hatte ein Pokerface aufgesetzt, was er wirklich ziemlich gut konnte. Lucy und ich funkelten uns an. Für eine gefühlte halbe Stunde passierte nichts anderes.
"Tja. Also dann. Viel Spaß noch euch Beiden.", flüsterte Lucy und verschwand. Verwundert blickte ich ihr hinterher. Mit dieser Reaktion hätte ich nun wirklich nicht gerechnet.
"Was war denn das?", fragte Dylan mindestens genauso verwirrt, wie ich es war.
"Ich weiß nicht. Vielleicht sieht sie ein, dass sie verloren hat und lässt uns jetzt endlich in Ruhe."
Dylan schüttelte den Kopf und sagte langsam:"Das bezweifle ich."

Am Freitag stellte sich heraus, dass er recht gehabt hatte. Der restliche gestrige Tag verlief völlig normal und heute Morgen kam Dylan wieder zu meinem Haus und holte mich mit seinem Motorrad ab. Als wir heute die Schule betraten starrten mich alle an. Ich stöhnte. Langsam wurde das anscheinend zur Gewohnheit. Am liebsten hätte ich allen entgegen geschrien, dass ich nicht blind war und sie sehen konnte. Dylan schien es ähnlich sehr zu nerven. Er hatte es auf einen Typen abgesehen, welcher den Blick gar nicht von mir abwendete.
"Kannst du mir erklären, warum du meine Freundin so anstarrst?", knurrte er und baute sich dabei bedrohlich vor dem Jungen auf. Seine Augen wurden groß und er stotterte:"Ich äh... Es sind nur Gerüchte, aber..." Dylan unterbrach ihn.
"Was für Gerüchte?" Der Junge schluckte und fasste sich offensichtlich wieder.
"Es heißt, dass Brooke Lavien allen etwas vorgemacht hat. Angeblich ist sie nicht nur eine schlechte Freundin und Verräterin, sondern auch noch eine Männerdiebin und dazu bettelarm."
Mein Mund klappte auf und Dylans Augen funkelten vor Zorn.
"Wer hat dir das erzählt?" Der Typ zuckte mit den Schultern. "Es hängt überall..." Verwundert dreht Dylan sich zu mir um, da ich etwas abseits stand. Ich zuckte jedoch mit den Schultern, da mir auch nicht so ganz klar war, was er damit meinte. Die kurze Unaufmerksamkeit nutzte der Junge, der wahrscheinlich nicht mal in der achten Klasse war und verschwand Richtung Ausgang.
"Ich wette, das Ganze hat etwas mit Lucy zu tun.", murmelte ich grimmig. Er nickte. "Ich denke da hast du Recht."

Wir machten uns auf die Suche nach Lucy, da wir vor Unterrichtsbeginn noch genug Zeit hatten. Auf dem Weg kamen wir am schwarzen Brett vorbei, an denen die Vertretungspläne und weiter wichtige Informationen der Schule betreffend hangen.
"Äh Brooke. Warte mal." Ich hielt an und schaute zu Dylan, der auf das schwarze Brett deutete. Es war zu tapeziert mit einem Bild von verschiedenen Tieren. Es Waren darauf Schlangen, Schweine oder auch Spinnen abgebildet. Jedoch hatten sie alle eins gemeinsam - mein Gesicht war bei ihnen eingefügt und die Bilder waren nicht gerade vorteilhaft gewählt. Ich schnappte nach Luft. In einer dicken roten Schrift wurde über alle Fotomontagen WHORE geschrieben. Es gab noch ein paar weiter Wände im Schulgebäude, an denen es ein ähnliches Szenario gab, jedoch mit anderen Beleidigungen. Ich konnte es nicht fassen. Meine ganze Welt drehte sich und ich hatte das Gefühl mir wurde schwarz vor Augen. Diesmal ist sie zu weit gegangen. Lucy ist definitiv zu weit gegangen. Sie hat über diese Art nicht nur mein Geheimnis verraten, sondern mich auch zutiefst beleidigt und gedemütigt. Ich spürte wie mir eine Träne über die Wange lief und mir schlecht wurde.

Lucy hatte das alles von Anfang an geplant. Sie wollte nie etwas von Dylan. Sie wollte mich demütigen und das hatte sie geschafft. Nicht nur dass ich Rose angeblich eine schlechte Freundin war, jetzt hatte ich ihr auch noch Dylan weggenommen. Alles was sie mir zuschrieb war eigentlich sie. Sie war schon immer das Problem.

Mir liefen die Tränen immer schneller über die Wangen. Schnell lief ich durch die Gänge zu den Toiletten.
"Brooke, warte!" Ich hörte Dylan meinen Namen rufen, aber ich reagierte nicht. Ohne auf etwas zu achten, rannte ich einfach weiter.

Sie hatte das alles geplant. Sie hatte mich nie gemocht. Sie hatte nie vor, mich in ihre Clique aufzunehmen oder zu respektieren. Niemals wollte sie etwas anderes, als mich am Boden zu sehen. Ich war mir ganz sicher. Ich hatte einfach dieses Gefühl, dass mir sagte, dass das die Wahrheit ist. Jetzt stellt sich mir nur noch die Frage: Warum?

Sometimes love is not enoughWo Geschichten leben. Entdecke jetzt