Das Zeichen Lunors

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Außerhalb von Raum und Zeit,

Mira

Das Erste, was ich wahrnahm, war ein seltsames Summen. Ein schon fast spürbares Klingen lag in der Luft. Langsam öffnete ich die Augen. Im ersten Moment war ich geblendet und blinzelte mehrmals. Ein seltsamer, leuchtender Dunst umgab mich und hüllte alles ein. Erstaunt drehte ich den Kopf hin und her und schaute mich um. Erst dachte ich, ich würde liegen, aber um mich herum war schlicht und einfach... Nichts!

Ich schwebte auf der Stelle, umgeben von undurchsichtigem, goldenem Nebel. Auf einmal spürte ich, dass ich etwas in den Armen hielt, es so fest umklammerte, als hinge mein Leben davon ab.

Ich hielt eine lange, lederne Tasche in den Armen.

Irritiert schaute ich die braune Tasche an. Sie war ein bisschen ausgebeult und an manchen Stellen zerkratzt. Die Tasche kam mir so seltsam bekannt vor. Und plötzlich fiel es mir wieder ein. Mein Bogen! Ja, und auch meine Pfeile waren darin.

Aber wo war ich? Und wie, um Himmels Willen, war ich hierher gekommen?

Wieder sah ich mich um. Der goldenen Nebel wogte in dicken Schlieren hin und her, doch ich konnte weder irgendwelche Gegenstände noch Schatten erkennen. Jegliche Orientierung war mir verloren gegangen. Wo war oben und wo unten, lag oder stand ich oder hing ich etwa kopfüber?

Ich presste die Tasche enger an mich.

„Hallo?", rief ich leise, doch der Nebel schien alle Geräusche zu verschlucken.

„Ist da jemand?", probierte ich noch einmal. Doch ich bekam keine Antwort. Ein seltsames Gefühl stieg in mir auf. Da gab es etwas, an das ich mich erinnern sollte. Etwas sehr wichtiges. Aber ich hatte keine Ahnung was! Ich hieß Mira, wie der hellste Stern im Sternzeichen Walfisch, ich wohnte in...

Ich stutzte und Furch stieg in mir auf. Der Name des Ortes flog irgendwo in meinem Kopf herum und zerplatzte jedes Mal, wenn ich ihn fassen wollte, wie eine Seifenblase.

„Hallo!", rief ich noch einmal. Lauter diesmal. Wieder erhielt ich keine Antwort aber es schien mir als würde das Klingen in der Luft lauter.

Ich löste meine rechte Hand von der Tasche und streckte sie aus. Der Nebel, der mich einhüllte, fühlte sich überhaupt nicht wie normaler Nebel an. Er war weder kühl noch feucht, sondern knisterte leise sobald er meine Hand berührte. Ab und an blitzte es auf. Die Lichtblitze sahen aus wie kleine elektrische Entladungen. Funken sprühten nach allen Seiten.

Goldene Sprengel in einem goldenen Meer.

Das Summen wurde stärker und plötzlich, obwohl ich noch immer keine Orientierung besaß, kam es mir so vor, als würde ich nach unten gleiten. Nach einer Weile trafen meine Füße auf festen Boden.

Ich traute meinem wieder gewonnen Gleichgewicht noch nicht und setzte mich vorsichtig hin. Kurz spielte ich mit dem Gedanken meinen Bogen hervor zu holen, verwarf ihn dann aber gleich wieder. Irgendetwas sagte mir, dass ich hier keine Waffe brauchen würde. Der goldene Nebel begann sich zu lichten und ich konnte nach und nach meine Umgebung erkennen.

Der Boden, auf dem ich saß, war glatt und kühl und hatte die Form eines Sechsecks. Die sechs Wände, die mich umgaben, waren aus demselben Material und so hoch, dass sie sich im Nebel verloren. Und alles schimmerte in den unterschiedlichsten Goldtönen. Alles schien aus diesem Nebel geformt zu sein.

Ich kniete in der Mitte dieses Sechsecks, meine Tasche fest an die Brust gedrückt, und sah mich staunend um. Plötzlich frischte Wind auf, ließ meine Haare fliegen und wirbelte den Nebel umher. Die Umgebung verschwamm vor meinen Augen und begann sich auf zulösen. Doch der Nebel verteilte sich nicht gleichmäßig sondern ballte sich an mehreren Stellen zusammen.

Prophecy - Die Vierte Tochter des WindesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt