Hinter dem Vorhang

morgens

Ein lautes schrilles Klingeln reißt mich aus dem Schlaf. Nein, Ich bekomme nicht etwa Besuch, es ist der super Wecker auf meinem iPhone. Schlaftrunken torkele ich ins Bad und stelle die Dusche an. Während ich auf das warme Wasser warte, das auf sich warten lässt, wie die Deutsche Bahn, betrachte ich mich im Spiegel und wunder mich erneut über das Gesicht, was mir müde entgegenschaut. So viele Gedanken in meinem Kopf und doch blickt das Gesicht mir gleichgültig und ohne eine Regung der Mimik entgegen. Eine Fassade, die mehr verbirgt als offenbart. Mit diesen Gedanken steige ich in die dampfende Dusche und versuche meine Müdigkeit auszuschwitzen.

Dampfend und halbtrocken stehe ich in meiner kleinen Wohnung. Der wohltuende Geruch von frischem aromatischem Kaffee steigt mir in die Nase. Kaffee, der Longdrink des Morgens. Jeder liebt das schwarze Wunderelexier, was die Lebensgeister weckt. Auch ich bekenne mich schuldig in Sinne der Anklage. Ohne Kaffee kein Aufstehen oder kein Aufstehen ohne Kaffee. Ich bin Student, ein ganz normaler Student, kein ich studiere, weil ich nicht weiß, was ich machen will oder ich studiere, aber eigentlich verprasse ich das Geld meiner Eltern Student. Studenten müssen studieren und ich muss zur Universität. Raus aus der Haustür und rein in den wunderschönen –zum Glück nur leise quietschenden- hellroten Fahrstuhl.

Eine noch morgendliche nebelige Herbstfrische schlägt mir entgegen. Herbstmorgende sind was besonderes. Man streift durch das herumliegende goldgelbe Laub und erfreut sich dabei an der kühlen frische des morgendlichen Herbstwindes. Auf dem Weg zur Uni kommen mir viele Menschen entgegen. Viele von Ihnen schon auf dem Weg zur Arbeit gestresst, kaum einer dessen Augen nicht auf dem Smartphone festgetackert wären, als ob sie Nachrichten von der Bundeskanzlerin persönlich bekommen würden. Die wenigsten ein Lächeln im Gesicht. Ich lächele, es ist ein wunderschöner Morgen. Sobald man anfängt seine Umgebung wahrzunehmen, auf sie zu achten, gibt es selten etwas schöneres auf meinem 4Zoll Handy Bildschirm zu finden.

Ich komme am Campus meiner Uni an. Schuluniformen oder Uniformen für die Uni kenn ich nicht und doch sieht ein großer Teil der Masse gleich aus, obwohl natürlich alle ihren eigenen Kleidungsstil haben. Im Herbst darf auf keinen Fall der Burberry Schal fehlen. Was im Sommer die Ray Ban ist, ist im Herbst der Burberry Schal. Ihre Selbstdarstellung findet so ungeniert statt, dass man denken könnte, sie würden wollen, dass man sie doppelt antippt, wie auf Instagram. Zum Glück bewahrt mich meine Selbstdisziplin an dieser Stelle vor der ein oder anderen peinlichen Situation. Ich zünde mir eine Zigarette an und fange an nachzudenken. Leben die ihr Leben für sich oder für andere? Mit dem verglimmen meiner Zigarette verschwinden auch meine Gedanken und ich stürze mich in meinen Alltag.