Heute wird mein erster Schultag an der neuen Schule sein. Ich werde niemanden kennen. Auf mich allein gestellt sein. Toll, dachte ich. Ich hatte jetzt schon Angst und ich bin noch nicht einmal aus dem Bett gekrochen. Trotz der Furcht zwang ich mich auf zu stehen und mich in mein Badezimmer zu schleifen. Dort nahm ich eine eiskalte Kurzdusche um die Angst ab zu schütteln. Aber es half nichts. Ich war noch genau so panisch wie zuvor.
Nachdem ich mich abgetrocknet hatte stand ich vor meine Kleiderschrank und überlegte was ich anziehen sollte. Ich wollte nicht wie ein Obdachloser aussehen. Aber auch nicht wie eine dieser dauerkichernden Tussis. Genauso wenig wollte ich wie ein Emo wirken. Ich brauchte einen Look, der aussagt wer ich bin. Der meine Identität zum Vorschein bringt. Nachdem ich mich für eine helle Skinny-Jeans und ein einfaches, langes, dunkelrotes T-Shirt entschieden habe, ging ich zurück ins Badezimmer um meine Haare zu föhnen. Erst als meine blonden Haare voluminös und glatt bis zur Mitte meines Rücken fielen, war ich zufrieden. Ich machte mich daran mich zu schminken. Meine blau strahlenden Augen umrahmte ich mit Mascara und Kajal um sie besonders zur Geltung zu bringen. Am Ende war ich mit dem Ergebnis zufrieden.
Ich ging in die Küche hinunter und bereitete alles für das Frühstück vor. Während ich darauf wartete, dass sich mein Dad und mein Zwillingsbruder zu mir gesellen, lauschte ich dem Gesang der Vögel vor dem Fenster. Ich driftete mit meinen Gedanken ab, sodass ich gar nicht bemerkte, wie mein Bruder nach unten gekommen war und nun wie verrückt mit der Hand vor meinem Gesicht herumfuchtelte. "Erde an Talisha! Jemand da?"
"'Tschuldigung. War gerade in Gedanken woanders."
"Ich hab's bemerkt", antwortete er nur lachend. "Bist du nervös?"
"Lass mich überlegen. Wir kommen auf eine neue Schule, wo uns niemand kennt, weil wir erst vor einer Woche hergezogen sind? Bin ich nervös?", entgegnete ich sarkastisch.
"Schon gut. Fahr deine Krallen ein, Tiger." Er lachte wieder. Den Spitznamen 'Tiger' hat mir mein Bruder verpasst als ich 12 war. Damals hatte ich ein Tiger-Kostüm an, indem ich einfach nur niedlich aussah, seit dem nannte er mich so und ich hatte bisjetzt auch nichts dagegen.
Als nächstes kommt auch schon Dad und wir begannen zu frühstücken. Wir taten das schon immer. Jeden Morgen. Einen lockeren Start in den Morgen. Wir lachten und scherzten.
Mein Dad gab mir ein Kuss ins Haar als wir los mussten und wie immer beschwerte ich mich, da ich inzwischen kein kleines Kind mehr war.
Ich stieg auf der Beifahrerseite des Autos ein, da mein Bruder sich einbildete, immer fahren zu dürfen, weil er ein paar Minuten älter war. Die Fahrt dauerte höchstens eine viertel Stunde, in der ich die Herrschaft über des Radios an mich reiße und meinem Zwilling dazu zwinge, mein Lieblingslied in Dauerscheife zu hören. Im Spiegel checkte ich zum letzten Mal mein Make-up und stieg aus dem Wagen. Wir machte uns direkt auf den Weg ins Sekretariat um unsere Stundenpläne zu holen. Zu meiner Erleichterung stellte ich fest, dass wir die ersten drei Stunde gemeinsam hatten.
In der ersten Stunde hatten wir Mathe und wir mussten uns beeilen um noch rechtzeitig zu sein. Am ersten Tag in der ersten Stunde zu spät zu kommen macht einen sehr schlechten Eindruck, das weiß ich aus Erfahrung.
Der Lehrer stand schon an seinem Schreibtisch als wir ins Klassenzimmer kamen. Er machte sich als ein Mister Taylor bekannt. Danach stellte er uns als die Green-Zwillinge vor. Schließlich durften wir uns auf die freien Plätze in der letzten Reihe setzen. Ich versuchte im Unterricht auf zu passen, aber der Stoff war einfach zu langweilig. Also analysierte ich meine Klassenkameraden und ordnete sie in Gruppen ein. Die Streber. Die Sportler. Die Oberflächlichen. Die Einzelgänger. Die Normalen. In der Fenster Reihe waren drei Mädchen die sich gegenseitig Sms schrieben und die ganze Zeit kicherten. Sie gehörten zu den Oberflächlichen. Eindeutig. Vor ihnen saß ein Junge, der zu den Sportlern angehört. Das sah man ihm von weitem an. Er hatte eine dieser Jacken an, die Footballspieler immer anhaben. Dazu noch eine Jeans und Turnschuhe. Zwei Plätze weiter links saßen ein Mädchen und ein Junge, die so gut wie jedes Wort aufschrieben, das der Lehrer sagt. Eindeutig Streber. Vor mir saß ein Mädchen, das ich zu den Normalen stecken würde. Sie wirkte auf mich sehr sympathisch. Ich hatte sie schon beim Betreten des Klassenzimmers bemerkt, da sie mir freundlich zugelächelt hatte. Als einziges. Die andern sahen eher gelangweilt aus. Dort saß noch ein Junge, der gelangweilt aus dem Fenster starrte. Er hatte eine einfache Jeans und ein Kaputzen-sweatshirt an. Er hatte eine Ausstrahlung, die signalisierte, dass er in Ruhe gelassen werden Möchte. Ein Einzelgänger. Ich hatte noch nicht alle analysiert als schon die Glocke läutete. Ich packte meine Sachen wieder in den Rucksack und wollte schon meinem Bruder folgen, aber das Mädchen, welches ich zu den Normalen zugeordnet hatte, sprach mich an.