KAPITEL 1

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KAPITEL 1

„Sie wollen, dass ich nach North Carolina fliege? Ich?"

Sicherheitshalber wollte ich nochmal nachfragen. Es wäre nicht das erste Mal, dass Missverständnisse aufgekommen wären.

Schallend lachte Louise und strich sich ihre seidigen, braunen Haare über die Schulter. Sie sah wie immer perfekt aus. Wie aus dem Ei gepellt.

„Ich denke du wärst mehr als gut für diese Aufgabe." Ihre trällernde Stimme klang beinahe wie das Glockenspiel an Weihnachten.

„Aber ich ..." Wollte ich unbedingt etwas sagen, allerdings brach ich ab. „Seit Monaten telefonierte ich mit Graham Green – Bestsellerautor und Junggeselle des Jahres – hinterher.

Rebecca hatte sich vor vier Monaten das Bein bei einer Charity-Veranstaltung gebrochen und gezwungenermaßen wurde ich – Tora Rosalie Frederika Wolf, Assistenz der Assistenz – Nachfolgerin.

Für mich hieß das eigentlich nicht wirklich viel, da sich die Aufgaben nicht geändert hatten. Bis jetzt.

Denn Graham Green war ein Autor der seine Privatsphäre schätzte. Das ging allerdings so weit, dass er weder zu Veranstaltung kam die sein Buch vermarkteten und auch keine Bücherreise machte.

Es gab nicht ein einziges Foto im Internet, was erstaunlich war, da er als bestverdienender und somit als begehrtester Junggeselle ausgezeichnet wurde.

Allerdings war in seinem Vertrag fest verankert, das er zur Öffentlichkeitsarbeit beitrug und versicherte diesem Verlagshaus, dass es wenigstens ein paar tausend Bücher verkaufte.

Einige Male schon hatte ich mit Herr Green telefoniert. Es entstanden keinerlei Illusionen, dass es irgendwas gab, was dieser Mann für mich tun würde.

Er war immer unfreundlich und kurz angebunden. Andererseits, musste ich zugeben, dass es da doch eine Illusion gab. Zwar wusste ich nicht, wie nah diese Vorstellung an die Realität heranreichte, doch ich bildete mir gerne ein, dass es so war.

Er schrieb und schickte uns die Manuskripte. Er wollte das Geld nicht, dass auf ein gesondertes Konto ging und von mir und einem der Finanzmitarbeiter des Verlages überwacht wurde.

Immer wieder schrieb ich Briefe, die ungeöffnetes wieder auf meinem Tisch ankamen.

Für mich stand damit klar, dass er schrieb, weil er es liebte zu schreiben und seine gesamte Leidenschaft dem Schreiben galt.

Zurückgezogen und in seinem Arbeitszimmer sitzend stellte ich ihn mir vor. Er war ein Mythos.

Das Problem nur war, dass ich nun vor der größten Herausforderung meiner Karriere stand. Denn wie sollte ich diesen Mythos dazu überreden in ein Flugzeug mit mir zu steigen und nach Berlin zu fliegen?

„Es ist mir egal, wie du es machst. Sorg nur dafür, dass Graham Green am fünften des nächsten Monats hier ist." Trotz ihres barschen Tonfalls, klang sie so unschuldig.

„Ich denke nicht..." Schon wieder versuchte ich mich da irgendwie heraus zu manövrieren, doch diesmal unterbrach Louise mich.

„Tora, meine Liebe. Enttäusche mich nicht." Diesmal klang ihre Stimme nicht wie ein Glockenspiel. Sie klang eher wie die Schulglocke an dem ersten Schultag. Dann erhob sie sich geschmeidig von ihrem Stuhl und verließ ihr eigenes Büro.

Völlig irritiert ließ sie mich in ihrem perfekten, kleinen Büro zurück.

Auf meinem Schoß lag alles was ich noch hatte. Ein paar Flugtickets, eine Spesenkarte und einige Informationen.

GRAHAM GREEN- Regen und DonnerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt