KAPITEL 6

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KAPITEL 6

Meine Gedanken kreisten. Kreisten. Kreisten.

Der Kuss. Dieser verdammte Berührung ging mir nicht aus dem Kuss. Dabei war Tanner doch der letzte der mich so aus dem Konzept bringen durfte. Immerhin hatte er seine Frau verloren. Er war noch nicht so weit und ich? Ich auch nicht.

Eine Beziehung mit solcher Intensität machte mir Angst. Dabei war das keine Beziehung. Es war nur Verlangen. Mehr nicht.

Eigentlich beruhigte es mich nicht, dass es nur Verlangen war, so wie ich es mir einreden wollte.

Denn wenn ich ehrlich war, dann wusste ich absolut nicht, was genau das war.

Er war attraktiver als alle Männer die ich sonst kannte. Zwar hatte er nicht diese Attraktivität die ihn als perfekten Sunnyboy auszeichnete, sondern die Art, die nur ein Mann haben konnte, der schon wusste wie hart das Leben war.

Er war heiß. Er war erfahren. Er war mein Untergang. Vor allem wenn es um meinen Schlaf ging, der jetzt nicht mehr zustande kam.

Ich lag wach. Einfach so da und starrte an die dunkle Decke. Alleine in diesem Raum zu sein machte mich fertig.

War es Reagens Zimmer? Hatten die beiden Sex in diesem Bett? Oh Mann. Vielleicht war es nicht ihr Zimmer. Wenn nicht, wem hatte es mal gehört? War er überhaupt hier aufgewachsen? Hatte Tanner Familie? Warum war keiner von ihnen hier?

Ich hatte noch nie diese Fragen gestellt, weil ich immer annahm dass es mich nichts anginge und das stimmte natürlich immer noch. Doch mal ehrlich ich wollte es wissen.

Über Tanner wusste ich nichts. Ok. Ich kannte die Geschichte mit seiner Frau. Kannte das was er mir hatte preisgeben wollen, doch mehr wusste ich nicht über ihn. Dieses Ungewisse machte es noch schlimmer, denn so wollte ich mehr über ihn wissen.

Aber mehr wissen wollen, hieß Interesse und Interesse hieß, dass ich tatsächlich etwas von ihm wollen könnte.

Ich würde in fünf Tagen weg sein. Mehr nicht. Ich würde die letzte Woche eh nur arbeiten müssen. Ich würde keine Andere Wahl haben. Ich würde nicht einfach aufgeben. Nicht einfach so tun, als wäre mir dieser Job egal. Ich wollte etwas bewegen. Ich wollte Leute bewegen und ich wollte das mit Worten.

Doch die Worte in meinem Kopf machten mich verrückt.

Jetzt war nur die Frage, warum ich so auf ihn reagierte? War es weil ich einfach keinen Sex seit...? Ich wusste nicht mehr.

Oder weil ich ihn wirklich irgendwie mochte? Auf einer nicht nur körperlichen Ebene?

Ich wälzte mich auf die Seite und beobachte durch das Fenster, wie die Sonne sanft durch die Vorhänge kroch.

Das erste Geräusch hörte ich früh. Als ich die Uhr auf meinem Handy kontrollierte sah ich, dass es kurz vor sechs war.

Da ich eh nicht mehr schlafen konnte stand ich auf und machte das Bett. Ich stapfte die Treppe runter und sah Tanner in der Küche an seinem Kaffe nippen.

„Guten Morgen." Wagte ich mich vorsichtig vor und er sah mich an. Er schien genauso nervös wie ich, dabei war gar nichts passiert.

„Morgen." Erwiderte er und blickte mich an.

Für einige Momente standen wir uns schweigend gegenüber. Keiner von uns wusste, was wir sagen sollten. Am liebsten wäre ich einfach abgehauen, doch mein Wagen stand noch beim SmithsInn.

Ich konnte gar nicht gehen. Ich brauchte jemanden der mich fuhr. Ich musste warten. Und ich musste meinen Mund aufbekommen.

„Also..." Begann ich und ließ mich auf einem der Stühle nieder. „Also..." Wiederholte er und ich hätte wegen der Absurdität der Situation gelacht, doch ich konnte nicht. Dazu war ich viel zu unsicher.

GRAHAM GREEN- Regen und DonnerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt