Es ist ein ganz gewöhnlicher Sommertag. Die Sonne scheint und alle Familien fahren mit ihren Kindern an den Strand. Der perfekte Tag für einen Strandurlaub. Der Sand ist nicht zu heiß, um darauf zu laufen und das Rauschen der Wellen ist im Hintergrund gut zu hören. Kinder sammeln Muscheln und betrachten Fische, selten auch die ein oder andere verirrte Qualle. Die lärmenden kleinen Kinder geben sich nicht nur mit dem klaren Wasser zufrieden und liegen ihren Eltern wegen einer Kugel Eis oder einer Portion Pommes in den Ohren. Und neben all diesen lauten und viel zu glücklichen Familien, bin ich. Ein Junge, den all dies nicht interessiert. Weder die Hitze, welche die Sonne verbreitet, noch das rauschende Meerwasser. Und von den vielen Leuten und der salzigen Luft am Meer will ich erst gar nicht anfangen. Ich bin zu einer Klippe gelaufen, sie ist einen kleinen Fußmarsch entfernt und zum Glück weit genug entfernt von der lästigen Menschenmassen. Zudem ist dort sehr viel Schatten, sodass die Hitze mich nicht völlig irre macht. Ich spüre eine leichte Brise, die an mir vorbei zieht und mein Blick wandert hoch zum Himmel. Eine grau weiße Möwe fliegt an dem strahlend blauen Himmel entlang und lässt etwas vor meinen Füßen fallen. Eine kleine, salzige Muschel. Sie ist sogar in meinen Augen sehr schön. Ich hebe sie auf und betrachte sie ein wenig länger. Nach einer Weile fällt mir eine kleine Gravierung auf. Es ist ein großes ‚P' und ein Herz. Wahrscheinlich diente diese Muschel, als eine art Liebesbeweis für ein frisch verliebtes Pärchen. Aber wie gelang diese Muschel dann zu einer Möwe. Ausgerechnet zu eine Möwe. Sie sind nervig und fliegen quer durch das Land. Dennoch habe ich nichts anderes zu tun, als diese Muschel zu betrachten und mir in meinem Kopf eine Geschichte hierfür auszudenken, denn zurück an lauten und viel zu heißen Strand will ich nicht. Ich hebe die Muschel hoch und betrachte sie von allen Seiten. Plötzlich nehme ich eine weitere Person in meiner Nähe wahr. Ich drehe mich um und dort steht ein kleiner Junge in einer blauen Badehose. „Woher hast du diese Muschel?", fragte er und seine Stimme klang sehr angenehm und niedlich zugleich. Ich erwidere seine Frage mit einer Gegenfrage:„Wieso möchtest du das wissen?" Er zuckte mit seinen Schultern und kam näher zu mir:„Diese Muschel kommt mir sehr bekannt vor und sie ist wirklich schön." Ich sage nichts weiter, denn ich weiß nicht wirklich wie man auf so etwas antworten soll und Lust auf eine Konversation habe ich auch nicht unbedingt. Eigentlich betrachten mich Leute dann eine Zeit lang und erwarten eine Antwort. Wenn sie immer noch keine Antwort bekommen, fragen sie erneut und dann laufen sie weg. Aber diese Person ist anders. Er steht neben mir und betrachtet mit mir die Muschel. Danach atmet er kurz durch:„Darf ich die Muschel kurz haben?" Ich beantworte ihre Frage erneut mit einer Gegenfrage:„Wieso möchtest du sie haben?" Er schweigt eine kurze Zeit aber spricht dann weiter : „Sie kommt mir sehr bekannt vor und ich finde sie sehr schön." Ich überlege einen kurzen Moment, was ich nun tun soll, aber ich beschließe, ihm die Muschel zu geben. Er lächelt, als die Muschel seine Handfläche berührt und er hebt sie genauso wie ich nach oben und betrachtet sie von allen Seiten. Der Junge ist irgendwie komisch, aber irgendwie mag ich seine Gesellschaft. Er stellt keine unnötigen Fragen und seine Antworten sind direkt. So ist es leichter zu verstehen, was er wirklich möchte. Andere Menschen reden viel zu lange über überflüssige Dinge, wie das Wetter. Sie sagen, das Wetter sei sonnig und denken wohl, dass ich so eine Sache nicht bemerken würde, obwohl ich es selbst sehen kann. Und solch unnötige Dinge gibt er nicht von sich. Nach einer kurzen Zeit gibt er mir die Muschel zurück. Danach stellt er sich direkt vor mich : „Mein Name ist Paul und in die Muschel ist ein ‚P' eingraviert. Ich hatte auch mal so eine Muschel. Aber ich habe sie im Urlaub verloren und nie wieder gefunden." Ich stelle für gewöhnlich keine Fragen, die sich auf die Vergangenheit anderer Leute beziehen oder allgemeines, da mich vieles einfach nicht interessiert, aber seine Geschichte und die Geschichte der Muschel interessiert mich : „Paul... Was hast du an dem Tag gemacht, als du die Muschel verloren hast?" Er holt Luft und fängt an zu reden : „Ich war mit meinen Eltern an einem sonnigen Tag wie heute am Strand. Damals waren sie noch glücklich verheiratet im Gegensatz zu heute. Ich hatte sehr viel Spaß mit meinen Eltern und als wir am Strand spazieren waren fand ich diese Muschel. Sie glänzte unglaublich schön und sprang mir sofort ins Auge. Danach ließen mich meine Eltern eine kurze Zeit alleine und so kam es, dass ich irgendwie genau hier an diesem Ort gelandet bin. Meine Eltern suchten mich stundenlang und die Sonne ging allmählich unter. Ich war verängstigt, solch eine Situation kannte ich damals noch nicht. Deshalb setze ich mich in den Sand und hielt die Muschel ganz fest in meiner Hand. Dann fand ich einen kleinen Stein und gravierte ein 'P' für meinen Namen ein und ein Herz. Ich dachte mir, falls meine Eltern mich nicht finden würden, würden sie wissen, dass die Muschel von mir ist und hätten so einen Anhaltspunkt. Als ich die Muschel gerade hinlegen wollte und weiterlaufen wollte, hörte ich jemanden meinen Namen rufen. Es war mein Vater. Als wir heimkamen stritten sich meine Eltern die ganze Nacht lang, wer die Schuld für mein verschwinden hatte, obwohl es allein meine Schuld war. Danach trennten sie sich und ich verlor die Muschel und somit ein für mich sehr wertvolles Erinnerungsstück an einen anfangs sehr schönen Sommertag am Meeresstrand." Ich schweige einen Augenblick und muss verarbeiten, was er gerade erzählt hat. Diese ganzen Erinnerungen verbindet sie mit dieser kleinen Muschel in meiner Hand. Ich nehme seine Hand und lege die Muscheln auf seine Handfläche. Danach lächle ich ihn an und laufe weg. Ich kann mit Gefühlen und Erinnerungen anderer Menschen nicht gut umgehen, deshalb soll sie lieber alleine in ihren Erinnerungen schwelgen. Ich gehe zurück zu meinen Eltern und wir fahren nach Hause und so ist es auch für mich ein doch irgendwie angenehmer Sommertag am Meeresstrand, welchen ich mit einer wunderschönen Muschel verbinde.
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Am Meeresstrand
FantasyDie Kurzgeschichte, welche in der "Ich-Perspektive" ausgetragen wird, handelt von einem jungen Mann, welcher nicht viel von Familienausflügen hält. Aber im Laufe der Handlung erlebt er ein Ereignis, welches seine Denkweise beeinflussen wird.