27. Treffen mit Lara

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Ich stieß ihn von mir und verschwand augenblicklich im Badezimmer, wo ich mich verzweifelt ein schloss. Ich hörte Diegos Schritte, die unruhig über das Laminat gingen. „Clara? Wo bist du?", rief er vorsichtig. Ich zog mich zurück, kauerte mich in die hinterste Ecke und zog die Beine an. Erst leise, dann immer lauter fing ich an zu schluchzen. Wieder sprang ich in der Erinnerung. Ich hörte Schritte, die geradewegs auf das Badezimmer zu kamen. Dann wurde laut dagegen geschlagen. „CLARA! MACH SOFORT DIE TÜR AUF!", hörte ich Angelo brüllen. „Verschwinde, Angelo! Ich komme hier nie wieder raus!", schrie ich zurück. „DANN WIRST DU DA DRINNE VERHUNGERN MÜSSEN!", kam es laut von Angelo zurück. Ich fing jetzt richtig an zu heulen. „Dann sterbe ich eben! Ist doch eh besser für alle!", schrie ich wieder zurück. Das laute schlagen wich einem leisem Klopfen und Angelos aggressive Stimme wurde von Diegos besorgter Stimme verdrängt.

„Clara, ich bin nicht Angelo... Ich bin Diego... Ach, verdammt... Ich wollte das nicht... Wirklich nicht! Es tut mir leid... Aber bitte! Bitte, mach nichts Unüberlegtes!", sagte er ruhig, aber fürchterlich besorgt. Zitternd stand ich auf und suchte den Weg zur Tür. Ich erkannte nichts, da die Sicht durch meine Tränen vollkommen verschwommen war. Das klopfen hörte auf und ich hörte wie etwas oder jemand an der Wand runter rutschte. „Ich werde hier sitzen bleiben bis du wieder raus kommst!", murmelte er müde und dann wurde es still. Einige Minuten lang blieb ich starr stehen und lauschte nach draußen... Doch ich hörte nichts. Langsam kämpfte ich mich zur Tür und schloss sie vorsichtig auf. Mit Tränen auf den Wangen ist er neben der Tür wieder eingeschlafen. Mit dem Rücken an die Wand gelehnt und dem Kopf am Treppengeländer saß er da und schlief. Ich fühlte mich schlecht. Seine Beine hatte er etwas angezogen und er sah total unglücklich aus.

Hin und wieder lief eine Träne über seine Wange. Ich seufzte leise und verließ das Bad vorsichtig. Hinter mir schloss ich lautlos die Tür und dann kniete ich mich neben ihn um beobachtete ihn ein wenig beim schlafen. Die ganze Nacht lang lag er neben mir und hat mich beobachtet... Er hat auf mich aufgepasst. Als er an fing unruhig zu schlafen, kletterte ich dicht neben ihm und schmiegt mich sanft an ihn. Meinen Kopf legte ich vorsichtig auf seine Schulter und meine Arme legte ich Trost suchend um seinen Oberkörper. Ein paar Minuten lang saßen wir einfach nur da, als ich eine leichte Berührung an meiner Schulter. „Clara... Meine kleine, süße Clara...", murmelte Diego traurig und ein wenig verschlafen. Ich drückte mich fest an Diego und spürte wie mir ein paar Tränen über die Wangen laufen. Tröstend legte er beide Arme um mich und streichelte beruhigend meinen Arm. Seine Wange drückte er sanft an meinen Kopf. „Tut mir leid, Diego!", schluchzte ich leise. Er drückte mich etwas fester an sich. „Dir muss nichts leid tun, Clara... Es war meine Schuld!", versuchte er mich zu beruhigen. „Ich hätte wissen müssen, dass du nicht bereit bist..."

Ich schwieg. Er nun auch. So saßen wir mehrere Stunden auf dem Boden und starrten die himmelblaue Wand an. Als ich dann auf die Uhr sah erschrak ich. 12:55 Uhr... Um 13 Uhr bin ich mit Lara verabredet. Hastig sprang ich auch und verschwand wieder im Bad. Dieses Mal schloss ich nicht ab. Im Gegenteil... Ich ließ die Tür sperrangelweit auf stehen. Diego folgte mir verwirrt. „Ist irgendwas? Hab ich wieder was falsch gemacht?", fragte er mich schüchtern. Ich musste lachen. „Ach Quatsch, Diego... Ich habe nur eine wichtige Verabredung in 5 Minuten im Starlight! Und ich muss mich noch fertig machen!", sagte ich hektisch und schminkte mich dezent und schnell. Danach sprintete ich die Treppe nach unten, zog mir Schuhe an und packte schnell mein Handy, meinen Schlüssel und eine Sonnenbrille ein. Bevor ich das Haus verlassen konnte, packte Diego mich noch einmal und küsste mich sanft. „Viel Spaß!", sagte er lächelnd und ließ mich dann gehen. Ich stolperte aufgeregt und ungeschickt die Straße entlang.

Die Sonne blendete mich nun doch sehr stark und war erleichtert, dass ich meine Sonnenbrille mit genommen hatte. Diese setzte ich mir nun auf und rannte weiter. Mit 10 Minuten Verspätung kam ich schwer atmend und mit leichtem Seitenstechen im Café Starlight an. Ich steckte mir die Brille in die Haare und sah mich suchend um. In der hintersten Ecke des Cafés sah ich eine junge Frau sitzen, die gedankenverloren in ihrem Cappuccino rührte. Mein Gefühl sagte mir, das die kleine Brünette mir helfen könnte. Langsam und vielleicht auch ein wenig unsicher ging ich auf sie zu. „Guten Tag!", sagte ich vorsichtig und die junge Frau sah auf. Sie war kurz verwirrt, doch dann fing sie an zu strahlen. „Clara Alonso! Hallo, ich bin Lara!", sagte sie und reichte mir ihre Hand. Zögerlich schüttelte ich ihre Hand und lächelte. „Setz dich doch!", sagte Lara und klopfte leicht neben sich. Ich nickte und setzte mich neben sie. „Du suchst also deine Schwester... Wie kommst du darauf, das du eine hast?", fragte ich freundlich. Unsicher rührte Lara in ihrem Cappuccino. „Also vor zwei Wochen habe ich heraus gefunden, nachdem meine Adoptivmutter gestorben ist, dass ich adoptiert bin. Mein Vater hatte mir erzählt, dass man mich damals im Wald gefunden hätte, wie ich nach meiner Schwester rief. Ich wurde dann für drei Wochen in ein Kinderheim hier in Buenos Aires gebracht. Nach diesen drei Wochen kam ich dann halt zu meinen jetzigen Adoptiveltern.

Ich habe sie ganze 18 Jahre für meine leiblichen Eltern gehalten und als meine Mutter starb, konnte mein Vater das Geheimnis nicht mehr für sich behalten. Tja und jetzt suche ich meine Schwester. Das einzige was ich von früher noch weiß, ist, dass wir an einem See gewohnt haben. Wir haben dort schwimmen gelernt...", erzählte sie mir traurig und sah aus dem Fenster um meinem Blick auszuweichen. „Ich würde dir gerne meinen Lieblingsort zeigen! Was hältst du davon?", fragte ich sanft und beobachtete ihre Reaktion. Mit einem Lächeln sah Lara wieder zu mir. Sie hatte Tränen in den Augen und ich verstand, dass sie weg gesehen hatte, damit ich sie nicht sehe. „Gerne... Ich trinke nur noch den Cappuccino aus, ok?", antwortete sie leise und nippte an der Tasse. Sie versank wieder vollkommen in ihren Gedanken.


Claras Vergangenheit ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt