1. Asche (Teil 1)

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„Asche zu Asche. Staub zu Staub. Amen" Mit diesen letzten Worten des Pfarrers wurde der schwere Sarg aus Ebenholz in die Tiefe der Erde hinab gelassen. Dort, wo niemand mehr zurückkommen würde. Von den Toten.

Kyle konnte es immer noch nicht fassen. Er und seine Familie waren doch hierher in den Bundesstaat Washington gezogen, um endlich glücklich mit seiner Familie zu sein. Aber das war ihm wohl verwehrt. Nichts mehr würde sein wie früher, hatte er wohl den Menschen verloren, der ihm am meisten bedeutet hatte.

Auf dem Kreuz stand erst schwach erkennbar ins Eichenholz geritzt: Thomas Andrews 1972-2015. Sein Vater. Warum musste es einen Vater treffen? Warum hatte dieser besoffene Autofahrer ihn umgefahren? Warum?

Kyle konnte sich dies alles nicht erklären. Noch vor wenigen Tagen hatte ihm sein Vater alles gezeigt, was es hieß ein Werwolf zu sein. Dieses kleine Problem, was die Andrews schon lange am Halse lag und das sie nicht loswurden. Aber sein Vater Thomas hatte immer gesagt: „Egal wie schwierig eine Situation ist Kyle. Mach das Beste draus." Aber wie sollte Kyle jetzt das Beste draus machen. Sein Vater war der Alpha des ansässigen Rudels gewesen. Keiner hatte auch nur im Entferntesten damit gerechnet, dass er sterben würde. Und jetzt stand das gesamte Rudel ohne Anführer da.

Kyle kannte die Regeln. Sein Vater hatte sich einen ehrenvollen Platz im Rudel erkämpft gehabt, was hieße, dass er das übernehmen musste. Alpha sein. Das konnte er doch noch gar nicht. Er war erst 17, hatte seine Kräfte erst seit einem Jahr richtig unter Kontrolle und war keinesfalls bereit, ein Alpha zu werden.

So vieles schwirrte dem Jungen jetzt durch den Kopf. Was sollte nur werden? Wie kann er das alles schaffen? Er hatte immer noch seine Mutter Claudia und seinen besten Freund Marcus, der ebenfalls ein Mitglied des Rudels seines Vaters war. Aber was sollte er nur ohne ihn machen?

So wie der die Landschaft grau stiebende regen, begannen langsam kleine Tränen aus den Augen des sonst so starken Jungen zu kullern. Er hatte seinen Lebensmittelpunkt verloren.

Immer wieder starrte er auf das kleine Kreuz am anderen Ende des Grabes. Die Frage, warum ließ ihn einfach nicht mehr los. Er merkte nicht einmal, dass sich schon die meisten Besucher der Beerdigung vor dem regen in das Pfarrhaus am anderen Ende des Friedhofs verkrochen hatten. Nur noch er und seine Mutter standen am Grab, als sich plötzlich etwas im Gebüsch regte.

Kyles feine Ohren nahmen sofort war, dass etwas nicht stimmte, aber als der regen kurz seinen Schleier lüftete und ihm einen allzu bekannten Geruch preisgab, beruhigt er sich wieder ein wenig. Denn diese Person, war sie doch seiner Familie nicht immer freundlich gesinnt, hätte jetzt eh keinen Schaden mehr anrichten können.

„Ace, komm vor, ich weiß, dass du dich da versteckst." Kyle hatte ich kurz zu einem der an den Wald angrenzenden Sträucher gedreht. Nur wenige Augenblicke später kam ein junger Mann von 25 Jahren, drahtiger aber doch muskulöser Figur und dunkelblonden kurzen Haaren zum Vorschein. Er war in einer dunklen Jeans und einer Biker Jacke gekleidet, die ihn ein wenig von dem Regen schützte.

„Dass, du mich so schnell schon am Geruch wiedererkennst, Kyle, das hätte ich wirklich nicht gedacht." Ace wollte es ein wenig aufmunternd widergeben, doch scheiterte er kläglich. Der Alpha deskonkurrierenden Rudels aus der Nachbarstadt, schien ebenfalls große Anteilnahme am Tod von Thomas Andrews zu haben.

Langsam schritt er auf Kyle und seine Mutter zu, die ihm einen misstrauischen Blick zuwarf. „Was willst du hier?!", fauchte sie ihn regelrecht an. Claudia war zwar nicht mit dem Werwolf Blut ausgestattet, aber konnte sie ebenfalls Menschen einschüchtern, wie es mancher Werwolf nicht hinbekam.

Ace blieb ruhig. Er wollte sich jetzt nicht noch mehr Zorn auf sich laden, als er schon hatte. „Ich will mich auch von meinem Konkurrenten verabschieden. Auch wenn wir Werwölfe uns manchmal bekriegen. Wir respektieren die anderen und selbst dieser moralische Grundsatz gilt für mich.", fauchte er ein wenig mit scharfer Stimme zurück, trat dann an die Kante des Grabes und schaute auf den herabgelassenen Sarg aus Ebenholz.

„Tut mir leid Kumpel. Unsere Fights haben immer Spaß gemacht. Das muss ich dir schon sagen. Du warst immer der bessere Alpha von uns beiden. Hoffe, dass du bald einen würdigen Nachfolger haben wirst."

Claudia und Kyle waren überrascht. So viel Mitleid hätten sie selbst von Ace nicht erwartet.

Lange Zeit blieb es stumm um die Drei. Ace hatte sich neben Kyle und Claudia gesellt und alle schauten auf das Grab von Thomas. Die übrigen Trauernden hatten sich schon wieder nach Hause begeben, die Dunkelheit rückte immer näher und so langsam begriffen sie, dass es hieß, nach Hause zu gehen.

„Komm Kyle. Lass uns fahren. Wir können morgen noch einmal hierher kommen.", versuchte seine Mutter ihn dazu zu bringen, mit ihr zu kommen. Doch er blieb stehen, stumm, sagte kein Wort und schien nicht die geringste Anstalt zu machen, mit zu kommen. Aus Trauer und Verzweiflung gebannt, schaute er mal auf den Sarg, mal auf das kleine Kreuz.

„Kyle. Kommst du? Dein Anzug ist schon völlig durchnässt. Du holst dir eine Erkältung.", versuchte seine Mutter ihm eindringlich zu erklären, dass es jetzt Zeit war zu gehen.

Doch Kyle drehte sich nur zu ihr um und sprach: „Fahr schon vor. Ich komme nach...irgendwann." Mit diesen Worten, ohne drauf zu achten, ob ihn jemand sah, oder nicht, warf er sich auf alle Viere. Der Anzug riss unter dem Druck des wachsenden Körpers. Dunkelbraunes Fell wuchs aus seiner Haut. Der Kopf verformte sich immer animalischer, bis plötzlich ein übergroßer Wolf vor Claudia stand, der sie nur kurz mit glasigen blauen Augen anschaute, um schließlich mit einem Satz im Unterholz des angrenzenden dichten Waldes zu verschwinden.

Geschockt stand Claudia da. Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Ace hingehen zog scharf die Luft in sich und sprach zu ihr: „Ich gehe ihn holen. Mach dir keine Sorgen. Bis heute Abend werde ich ihn gefunden haben."

Nur einen Moment später verschwand auch er im Unterholz. Das einzige, was Claudia noch sah war eine schwarze Gestalt, die ihrem Sohn folgte.




Hallo liebe Leser. ich hoffe der erste Teil meiner Geschichte hat euch gefallen. Werde auch versuchen mindestens einmal in der Woche etwas hoch zu laden.

Also man schreibt sich;)


Gez.: TheMelancholist


Der Ruf der WölfeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt