Kapitel 16

1.2K 80 24
                                    

Ob ihr die Rose gefallen hat?, fragte Jack sich, kaum war er wieder auf dem Weg zu North, Ich hoffe, ich war nicht zu aufdringlich... Sie ist so wunderschön... Ihr weiß-blondes Haar, ihre eisblauen Augen, die wie Sterne am Nachthimmel glänzen, ihre anmutigen Bewegungen und ihr Lächeln... Wenn es sanft ihre filigranen Lippen umspielt und ihr Gesicht in liebliche Züge taucht...
Jack war so in Gedanken bei der jungen Hüterin, dass er beinahe nicht bemerkte, wie er auf einen Baum zuraste. Gerade noch so konnte er sich bremsen und flog schließlich an dem Gehölz vorbei.
Puh, das war knapp! Ich sollte mich, während des Fluges, mehr auf meine Umgebung konzentrieren... Reiß dich zusammen, Jack! Verdränge dieses Gefühl! Verdränge deine Liebe für Elsa, sperr sie ein! Du darfst nicht, sonst stirbt sie..., versuchte er sich zur Vernunft zu bringen, Keiner darf sie je lieben, auch du nicht! Lass das nicht zu, Jack! Es würde sie töten!
Mit einem mulmigen Gefühl in seiner Magengrube flog er den restlichen Weg, bis er in dem großen Globusraum am Nordpol ankam.
Dort wartete bereits der Weihnachtsmann auf ihn, begleitet von einigen Yetis und Wichteln.
"Ah, Jack! Wie gehen es dir?", begrüßte North ihn.
"Hallo. Danke, mir geht es gut."
"Das ich sehen. Du strahlen über beide Ohren.", lachte er.
Jack wurde rot. War das wirklich so offensichtlich? Er hatte doch versucht, seine Gefühle zu unterdrücken. Das durfte nicht sein...
"Keine Angst! Ich nichts verraten.", zwinkerte North Pole, während er mit seinen Fingern andeutete, seine Lippen zu versiegeln.
"Aber jetzt zu wichtigeren Dingen. Du haben mit Elsa gesprochen?"
Jack nickte nur, immer noch mit seiner, zu Kopf gestiegenen, Hitze kämpfend.
"Gut. Wann Elsa kommen zu uns?", wollte der Mann mit dem weißen Bart von ihm wissen.
Jack setzte zu einer Antwort an: "Ich wollte sie morgen holen. Bis dahin müssen wir ein Zimmer für sie zurechtgemacht haben. Ich hoffe, das ist dir nicht zu früh."
"Nein, das perfekt! Die Yetis machen sich gleich an die Arbeit. Unser Gast soll sich bei uns wohlfühlen.", meinte North und bedeutete den Yetis Phil und Sam, ein Zimmer einzurichten.
Diese nickten und verschwanden sofort in Richtung der Schlafräume. Dort, wo auch Jack sein Zimmer hatte.
"North. Glaubst du, Elsa wird mit der ganzen Situation zurechtkommen?", fragte Jack besorgt.
Der Weihnachtsmann lächelte ihn darauf aufmunternd an.
"Das wird sie. Doch Elsa brauchen Zeit. Sie muss Familie verlassen und das nicht leicht."
Der Wintergeist dachte kurz über das nach, was sein Freund gesagt hatte.
"Du hast Recht. Sie wird sich erst eingewöhnen müssen, doch ich werde mein Bestes geben, damit es ihr hier an nichts fehlt."
"Na siehst du!", klopfte ihm der Hüter der Wunder ausgelassen auf die Schulter.
Nun kamen auch die Yetis zurück. Gemeinsam gingen die zwei Hüter mit ihnen zu dem Zimmer, das sie herrichten sollten. Sie öffneten die Tür und Jack verschlug es fast die Sprache.
Wie konnten sie das nur tun?
"Hey, das ist MEIN Zimmer! Ich kann doch nicht mit Elsa in einem Raum schlafen! North, sag doch auch mal was!", rief er empört, zwischen dem Weihnachtsmann und dem Zimmer hin- und herblickend.
Dieser hielt sich seinen Bauch vor Lachen und versuchte, sein Kichern zu unterdrücken.
"Das ist nicht lustig!"
"Das lustig!", meinte North nun doch lachend.
Jack Frost durchbohrte ihn mit wütenden Blicken.
"Okay, okay... Phil, Sam. Räumt Möbel bitte in anderes Zimmer.", wies er schließlich die zotteligen Yetis an.
Leicht verwirrt nickten die Zwei und und trugen das Himmelbett, welches vorher noch gegenüber von Jacks Bett gestanden hatte, und auch die anderen Möbel, die dazugestellt worden waren, in das Nebenzimmer. North lachte die ganze Zeit über leise in sich hinein.
Als Sam und Phil endlich fertig waren, verließ er kichernd und kopfschüttelnd den Raum und ließ Jack allein zurück.

Die junge Königin hatte in dieser Nacht kaum ein Auge zumachen können. Heute sollte ihr letzter Tag in Arendelle sein, ihr letzter Tag mit Anna... All die Jahre, als sie hätte bei ihr sein können, war sie es nicht gewesen, weil sie Angst hatte, ihr weh zu tun. Jetzt, da ihre Furcht gewichen war, jetzt, wo sie das Gefühl hatte, alles mit ihrer Schwester machen zu können, musste Elsa gehen. Vielleicht sogar für immer... Ihr Herz fühlte sich so schwer an. Nach ihrer Befreiung hatte die Königin gehofft, nie wieder Kummer haben zu müssen, doch nun, eine Woche später, hatte sich alles schon wieder geändert.
Sie musste fort. Wohin wusste Elsa nicht und auch der Grund war ihr unbekannt, aber sie wusste, dass sie dafür ihr Volk im Stich lassen musste. Wie sollte sie das alles nur Anna beibringen? Wie würde sie reagieren?
Elsa hatte bereits einige Briefe geschrieben, die sie hier auf ihren Schreibtisch legen würde, wenn Jack sie holen kam. Bis dahin musste sie, Wohl oder Übel, versuchen, ihren Trübsinn vor ihrer kleinen Schwester zu verbergen. Es würde nicht einfach werden, doch mit etwas Glück war Anna heute den ganzen Tag in der Stadt oder anderswo unterwegs.
Mit einem lauten Seufzer erhob sie sich aus ihrem Bett und zauberte sich ihr blaues Eiskleid an ihren Körper. Dann verließ Elsa ihr Zimmer.
Es herrschte schon reges Treiben auf den Fluren. Diener huschten von einer Tür zur anderen, säuberten mal hier und mal dort. Jeder grüßte die Königin hochachtungsvoll und Elsa erwiderte dies immer mit einem gespielten Lächeln. Sie konnte sich noch gut daran erinnern, dass vor ein paar Wochen noch alle Flure leer waren, schließlich musste sie jeglichen Kontakt zur Außenwelt so gering wie möglich halten. Erst als die Vorbereitungen für die Krönung begannen, füllten sich die langen Gänge langsam mit Leben.
Schnell betrat sie den großen Speisesaal, in dessen Mitte eine lange Tafel stand. Die Königin setzte sich an das, ihr gebührende, Kopfende. Augenblicklich eilten einige Diener herbei und deckten die Tafel reichlich mit Speisen und Getränken ein.
Davon könnte ich mich eine ganze Woche ernähren., dachte Elsa jedesmal.
"Wo ist Anna?", richtete sie ihr Wort an die Bedienstete neben ihr.
"Die Prinzessin hat bereits gespeist, eure Majestät.", kam die knappe förmliche, aber keinesfalls unhöfliche, Antwort.
Keine Herzlichkeit oder Besorgnis lag in ihren Worten, eher ein Hauch von Angst... Nichts, woran Elsa erkannt hätte, dass diese Frau ihre Anwesenheit missen wird. Doch woher sollte sie das auch wissen? Woher sollte das irgendjemand hier in ihrem Königreich wissen? Sie konnte es schließlich niemandem erklären, warum sie gehen musste.
Grübeln biss Elsa in eine Pastete, als sie wieder an den seltsamen weißhaarigen Jungen denken musste.
Ein Hüter...

Die verlorene HüterinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt