Seine stechend blauen Augen durchbohrten sie und hielten ihren Blick gefangen.
Sie versuchte, ihre Atmung zu beruhigen und die Gedanken zu sortieren. Doch seine Anwesenheit lies es nicht zu und warf sie immer wieder aus der Bahn.
Sie wollte weg.
Weg von ihm. So weit es ging.
Und ihn an sich reißen. Seine Haut auf der ihren fühlen. Das Verlangen wurde übermächtig und lies ihre Brust erbeben.
Sie spannte ihren Kiefer an, um diese abscheulich schönen Gedanken aus ihrem Kopf zu vertreiben.Sie brauchte all ihre Konzentration und musste schnell handeln. Entscheidungen treffen, vor denen sie liebend gern davon rennen würde. Doch sie war unvorsichtig gewesen und wurde geschnappt, weil sie sich von der alltäglichen Normalität der Menschen trügen lassen hatte.
Und jetzt musste sie den Preis dafür bezahlen. Seine Anwesenheit ertragen, bis sie es schaffte, ihm zu entkommen und sich wieder auf die Flucht zu begeben.Vorerst musste sie diese Schuldgefühle loswerden. Sie machten sie schwach und beeinflussten ihr Handeln. Cheferon wäre auch ohne sie dem Tod geweiht gewesen. ER wäre ihm überdrüssig geworden und hätte sich seiner entledigt wie ein altes Kleidungsstück.
Sie schaffte es, ihren Blick los zu reißen. Ihr Gegenüber verfolgte gebannt ihre Reaktion und schnürte Cheferons Kehle immer weiter zu. Bald war die Zeit abgelaufen, Cheferons letztes Stündlein hatte geschlagen. Ihr Gegenüber genoss ihre Verzweiflung und spürte ihre Unentschlossenheit über die Entscheidung, die sie gefällt hatte.
Ein Windhauch ging durch ihre Haare. Sie wusste, dass es zu spät war, etwas zu verstecken.
Sie war nicht mehr wie früher.
Sie konnte nicht mehr leichtfertig über das Leben anderer Wesen entscheiden.
Und er wusste es.
In seinen Augen lag dieses versteckte Wissen, funkelte ihr entgegen und erst da realisierte sie, dass er es vom Anfang ihres Wiedersehens an gewusst hatte.Sie fasste einen Entschluss, denn sie konnte ihre Schwäche schon längst nicht mehr verbergen. Ein Ruck ging durch ihren Körper und ihre Finger zuckten. Eine Ranke schoss aus dem Erdboden empor, drehte und wendete sich, als würde sie durch die Lüfte tanzen. Bevor ER reagieren konnte, wickelte sich die Pflanze um sein Faust und riss diese abrupt nach unten Richtung Erde.
Für einen kurzen Moment sah man einen überraschten Ausdruck in seine Augen treten, doch nur Sekunden später war seine Miene wieder undurchdringlich. Aus eisigen Augen sah er sie an. Sein bohrender Blick schaute in ihre Seele.
Ihr Mund war ausgetrocknet und der Wind dröhnte so laut in ihren Ohren. Sie wollte weg und musste das hier beenden."Es reicht, genug Vorführung für heute. Lass ihn gehen." Die junge Frau legte einen arroganten Unterton in ihre Stimme.
Er behalf sich weiter mit seiner Reaktionslosigkeit, stand nur vor ihr und dem sich quälenden Mann auf dem Boden. Doch sie spürte die Verachtung von ihm, die sie förmlich ansprang.
"Wenn ich das richtig deute, willst du Gnade walten lassen? Du entscheidest gegen seinen Tod?"
"Du hast es gehört. Das Spiel ist vorbei!" Die Finger der Frau bewegten sich energisch und die Ranke schlang sich enger um die Hand des Mannes.
Dieser lies sich den Schmerz nicht anmerken und ignorierte die Pflanze, die sich in seine Haut bohrte. Oder er spürte es gar nicht. Er gab seine Antwort:
"Du hast deine Wahl getroffen? Ich muss zugeben, du überraschst mich immer wieder aufs Neue."
Seine Faust öffnete sich langsam, sie atmete erleichtert aus. Cheferon zog mit aschfahler Gesichtsfarbe erleichtert Luft in seine Lungen. Doch ER hatte anders entschieden. Mit einer flinken Handbewegung erhoben sich winzige Tröpfchen vom Gras, die der Morgentau hinterlassen hatte. Sie schwebten in der Luft, umkreisten einander, als würden sie einen heiteren Tanz vollführen. Doch das täuschte. Sachte bewegte der junge Mann seine Finger und das Wasser schloss sich zu fünf größeren Tropfen zusammen, die über den Fingern seiner Hand in der Luft gehalten wurden. Das Wasser veränderte sich, verformte sich, bis fünf Eisspitzen über seiner Hand schwebten.
Keiner wagte es, sich zu bewegen.
Seinem Mund entwich ein kleiner Lufthauch, den er in die Richtung der Pfeile schickte. Die Eispfeile bewegten sich blitzschnell auf Cheferon zu. Der Körper erzitterte und kein Ton entwich dem Leibwächter, als sich die Spitzen in Hals und Brust bohrten. Wortlos kippte er zur Seite, sein Kopf traf auf das Gras auf und er blieb regungslos liegen. Seine erschrockenen Augen starrten in die Leere.Der hochgewachsene Mann suchte den Blick der Frau, die, ohne es verhindern zu können, einen Schritt nach hinten wich. Ihre Augen waren weit aufgerissen, der Mund entsetzt geöffnet. Ein süffisantes Lächeln erschien auf den Gesicht des Blauäugigen.
"Du hast dich so verändert, doch das macht dich nur noch interessanter.", sprach er sie an und schritt neugierig in ihre Richtung.
Sie wich zurück und er stoppte zögerlich. Nachdenklich fuhr sein Blick über die mutige Frau, die es wagte, sich ihm zu widersetzten.
"Komm nicht näher. Du-... du Scheusal.", wehrte sie ihn ab.
Er lachte kurz auf, rau und kehlig.
"Scheusal. Wie originell. Sagst man das so in dieser Zeit? Bezeichnet man so einen alten Freund? Seinen Gleichgestellten?"
"Das ist lange her, die Zeiten haben sich geändert.", erwiderte sie gepresst.
"Ja.", er seufzte leise, "Da sind wir einer Meinung. Bedauernswert, es waren so schöne, unbeschwerte Zeiten mit dir."
"Vergangenheit. Das wird auch so bleiben." Sie drückte sich kurz angebunden aus.
"Na na. So entschlossen warst du vorhin aber nicht. Dein Körper verzehrt sich nach mir."
"Bleib, wo du bist. Ich verzichte auf deine Gesellschaft." Ihre leidenschaftlichen Gedanken waren beim Anblick des toten Mannes, der immer noch neben ihnen im Gras lag, endgültig verschwunden. Er ekelte sie an, so gefühlskalt.
Um ihre Aussage zu unterstreichen, lies sie ein Flamme in ihrer Hand auflodern."Wirke ich denn so erhitzend auf dich?" Erheitert sah er sie an.
"Hüte deine Zunge und lass die Wortspiele bleiben. Man erzürnt das Feuer nicht. Hat dir das niemand beigebracht?" Aufgebracht bohrte sich ihr Blick in den seinen.
Energisch drehte sie sich um und stolzierte hoch erhobenen Hauptes davon. Der Wind trug Worte an ihr Ohr, welche sie gerne überhört hätte.
"Geh nur, meine Feurige. Das Schicksal wird uns immer zusammen führen. Du kannst nicht ewig davon laufen."
Und doch werde ich es versuchen, bis ich bereit bin, mich dir zu stellen. Doch diese Gedanken blieben unausgesprochen.
Die Richtung war für sie nicht von belang. Sie musste in Ruhe nachdenken können und einen geschickteren Fluchtplan als vorheriges Mal ausarbeiten. Sie musste einfach einen Weg finden.
Ihre Augen huschte wachsam hin und her, denn sie erwartete, dass er ihr folgen würde. Aber niemand hielt sie auf, sie musste diese Gelegenheit nutzen.
Er würde ihr nicht lange Zeit geben, bevor er sie mit Hilfe von Suchtruppen auffinden und zurück bringen lassen würde. Jetzt zu fliehen würde ihr keinen Vorteil verschaffen, denn er würde sie ohne Mühe finden. Ihre Seele und die Aura, die sie umgab, waren unverkennbar. Er würde sie überall aufspüren.
So schritt sie weiter und die ersten Gedanken und Pläne nahmen immer mehr Form und Gestalt in ihrem Kopf an. Ein zufriedenes Lächeln umspielte ihre sanft geschwungenen Lippen.
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Lodernde Blüte
FantastikVerunsichert, ohne Freunde. Allein, kein Vater. Unbeachtet, ein Nichts. Niemand kennt sie. Niemand sieht, was tief in ihrem Inneren verborgen liegt. Bis jetzt. Der Schein trügt die junge Cora, welche mit der Existenz der verborgenen Inseln, der Heim...