Seit ungefähr drei Stunden ist Lena nun schon mit ihrem voll beladenen Auto auf dem Weg von München nach Konstanz am Bodensee. Ihr Hund, den sie auf der Rücksitzbank angeschnallt hat, ist auch schon ziemlich erledigt. Ihr Navi zeigt an, dass sie in ungefähr 10 Minuten das Ziel erreichen müssen. Endlich! Es ist ein schöner Herbsttag und eigentlich sollte man das Wetter draußen genießen und nicht den halben Tag mit einem Umzug vergeuden. Aber jetzt haben sie es ja bald geschafft. Der Hund auf alle Fälle. Lena muss noch ihr Auto ausräumen und sämtliche Kisten, Taschen und Rucksäcke in die neue Wohnung befördern. Das Navi zeigt an, dass es in 50 Metern Zeit zum Abbiegen wird. Da erkennt Lena auf halber Distanz die Polizeikontrolle. Schnell wirft sie einen Blick auf ihren Tacho. Nein, zu schnell ist sie nicht unterwegs, also sollte sie nichts zu befürchten haben. Hoffentlich wird sie nicht trotzdem angehalten, denn für so etwas hat sie im Moment weder Zeit noch die nötigen Nerven. Sie sieht, wie der Wagen vor ihr heraus gewunken wird und hofft, dass die Beamten mit dem genug zu tun haben. Dorfpolizisten sind ja auch nicht unbedingt bekannt dafür, dass sie sich gerne überarbeiten. Leider hat sie sich zu früh gefreut, denn auch ihr wird mittels einer roten Kelle signalisiert, dass sie bitte rechts ran fahren soll. Lea parkt ihr Auto am Straßenrand und lässt das Fenster runter, nach dem sie das Radio ausgedreht hat. Ein Polizist, den sie auf ungefähr Mitte bis Ende dreißig schätzt, tritt an ihren Wagen heran. Hinten auf der Rücksitzbank fängt Alina an bedrohlich zu knurren. Ihre Hündin schätzt es nicht besonders, wenn Männer etwas von ihrem Frauchen wollen. Egal, ob in München einer ihrer langjährigen Freunde zu Besuch gekommen ist, oder ob ein männliches Wesen sie beim spazieren gehen am Park oder an der Isar angesprochen hat, Alina hat so gleich ihre Position klar verteidigt. Sie und ihr Frauchen sind in ihren Augen wohl das perfekte Team und da braucht sich keiner dazwischen drängen. Dass Alina ihren Exfreund Timo nicht besonders gut leiden konnte, hat sich im Nachhinein als perfekter Instinkt bewiesen.
Eigentlich schaut der Polizist gar nicht schlecht aus. Er ist groß und schlank, hat blaue Augen, die schon fast türkis aussehen und unter seiner Mütze schauen dunkle, etwas längere Haare hervor, die einen tollen Kontrast zu der faszinierenden Augenfarbe bilden. Außerdem hat er ein wirklich sympathisches Lachen, bei dem sich auf den Wangen kleine Grübchen und um die Augen kleine Fältchen bilden. Er wendet sich zu erst an Alina und meint: „Na, was hast Du denn? Ich mach Dir doch nichts!" „Das sagen sie alle", wäre Lena fast spontan rausgerutscht, aber sie kann sich gerade noch beherrschen und strahlt ihn statt dessen nur etwas unsicher an. Sie hofft, dass ein wenig Freundlichkeit nicht schaden kann und auf diese Weise die ganze Sache hoffentlich schnell erledigt ist. „So, jetzt zu Ihnen", wendet Polizeikommissar Wagner an sie. Dass er Wagner heißt, hat sie in der Zwischenzeit, auf seiner Uniform ablesen können. Und dass er Polizeikommissar sein müsste, meint sie an dem silbernen Stern auf seiner Schulterklappe ablesen zu können. Ja, Fernsehen bildet halt doch und dank Notruf Hafenkante, Rosenheimkops und was es sonst noch im öffentlich rechtlichen Fernsehen zu sehen gibt meint sie mit den verschiedenen Dienstgraden vertraut zu sein. Steffen freut sich, dass er sich für die Kontrolle des Münchener Golf entschieden hat, als die Fahrerin das Fenster runter lässt. Da hätte er es deutlich schlechter treffen können. Sein Kollege bittet weiter vorne gerade einen Senioren um seine Papiere, der hat vermutlich sehr viel weniger Spaß an der Arbeit. Die junge Dame, die soeben vor ihm sitzt hat lange haselnussbraune Locken und bezaubernde grüne Augen, mit langen Wimpern. „Allgemeine Verkehrskontrolle. Ich bräuchte mal ihren Führer- und ihren Fahrzeugschein." Lena holt beides aus ihrer Handtasche, die neben ihr auf dem Beifahrersitz liegt und reicht es ihm mit einer etwas zitternden Hand durch das Fenster. Leider ist diese Tatsache auch dem attraktiven Polizisten nicht verborgen geblieben, denn er zieht leicht die Augenbrauen nach oben und meint: „So kalt ist es doch heute gar nicht. Mach ich sie etwa nervös?" Lena überlegt kurz, was sie auf diese Frage am besten erwidern könnte und entschließt sich, zu einem entschuldigenden Lächeln. Was soll man darauf denn auch antworten. „Wo soll es denn hingehen, mit den ganzen Kisten?" möchte er anschließend wissen. Was hat das denn bitte noch mit einer allgemeinen Verkehrskontrolle zu tun? Überhaupt, hat er wohl noch nicht einen kurzen Blick auf ihre Papiere geworfen. Wollte er die nicht eigentlich kontrollieren. Aber Lena möchte nicht unhöflich sein. „ Nach Konstanz!" Dass sie aus München kommt, kann er ja an ihrem Autokennzeichen ohne Probleme ablesen. „Konstanz ist schön. Sind sie nur zum Urlaub hier oder bleiben sie länger bei uns?" Der andere Kollege der die Autos etwas weiter vorne rauswinkt, hat in der Zwischenzeit schon die dritte Fahrzeugkontrolle durchgeführt. Polizeikommissar Wagner dreht immer noch etwas alibimäßig ihren Führerschein in den Händen. Jetzt hat er scheinbar was entdeckt, denn er beugt sich runter zu ihr und schaut ihr tief in die Augen. „Laut dem Führerschein, müssen sie zum Autofahren eine Sehhilfe tragen. Wo ist denn ihre Brille?" Lena verdreht etwas genervt die Augen. „Ich trage Kontaktlinsen, soll ich eine rausnehmen und sie ihnen zeigen?" „Kein Problem, ich denke, dass kann ich auch so überprüfen" Er beugt sich so dicht zu ihr runter, dass sie sein Aftershave riechen kann. Eigentlich ganz angenehm findet Lena, aber dennoch wünscht sie sich nichts sehnlicher, als dass sie rasch wieder weiter fahren kann. Steffen überlegt währenddessen, ob er die Kontrolle vielleicht doch noch ein wenig in die Länge ziehen könnte, ohne das es allzu auffällig wird. „Könnte ich noch einen Blick auf ihren Verbandskasten, das Warndreieck und die Warnweste werfen?" Das ist jetzt nicht wirklich sein Ernst? Der ältere Kollege vorne hat seine Kontrollen deutlich schneller und wohl auch unkomplizierter abgewickelt. Lena greift hinter ihren Sitz und zieht die Warnweste hervor. Dann öffnet sie die Autotüre um auszusteigen. Warndreieck und Verbandskasten befinden sich hinten im Kofferraum. Sie hofft nur, dass sie zwischen den Kisten und Taschen beides rausholen kann, ohne dass sie den gesamten Kofferraum ausräumen muss. Den Polizisten findet sie optisch eigentlich ganz nett, aber langsam beginnt er ihr unsympathisch zu werden. Sie öffnet ihren Kofferraum und holt wie gewünscht den Verbandskasten und das Warndreieck hervor. Steffen steht während dessen hinter ihr und begutachtet viel eher ihre schlanke Figur, als das er tieferes Interesse an ihrem Warndreieck hätte. Ja, heute macht ihm der Dienst richtig Spaß. Lena dreht sich zu ihm um und schaut ihn fragend an. Er nickt, macht aber immer noch keine Anstalten ihr den Führerschein zurück zu geben. „Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet!" Welche Frage? Sie schaut ihn sichtlich verunsichert an. „Ich meine, ob sie hier bei uns nur Urlaub machen, oder ob sie vorhaben länger zu bleiben." Sie hätte ihn gerne gefragt, was ihr überladenes Auto denn bitte für einen Eindruck auf ihn macht. Oder was er schätzt, wie lange eine Frau mit so vielen Taschen und vor allem auch Kisten Urlaub machen könnte. Aber wer weiß, wie viel Spaß er versteht und sie möchte die Kontrolle nicht künstlich in die Länge ziehen. „So wie es aussieht, werde ich wohl länger bleiben." Ihre letzte Aussage könnte man nun allgemein auf ihren Aufenthalt in Konstanz oder aber auch im speziellen auf ihren Verbleib hier auf der Landstraße beziehen. „Schön, dann sieht man sich ja vielleicht mal wieder." Wegen ihr könnte man sich schon mal in einem Cafe oder in einer Bar treffen, aber das Treffen hier im Nirgendwo könnte so langsam beendet werden. „Kann ich Ihnen sonst noch irgendwas zeigen, oder ist die Kontrolle hiermit beendet?" In dem Moment als sie es ausgesprochen hat, bereut sie es auch schon wieder. Natürlich springt er gleich darauf an. „Die Telefonnummer, könnten sie mir noch geben!" Lena zieht die Augenbrauen ein wenig nach oben und schaut ihn prüfend an. Das ist nun hoffentlich wirklich nicht sein Ernst. Sie ist sich nicht sicher, ob sie sich geschmeichelt oder veralbert fühlen soll. Natürlich, er ist ein äußerst attraktiver Mann, aber er sammelt hoffentlich im Dienst nicht laufend die Telefonnummern von fremden Frauen. Wenn dem so wäre, dann tut ihr seine Freundin von ganzem Herzen leid. „Die hab ich leider nicht zur Hand. Bekomm ich jetzt deswegen einen Strafzettel?" Er lacht. „Einmal lass ich es mit einer Verwarnung durchgehen, aber wenn wir uns das nächste Mal treffen, dann funktioniert das nicht mehr."
Als Lena den Motor startet und davon fährt, schaut Steffen dem blauen Golf nach. Da hat er ja ein richtiges Glück gehabt, dass er gerade sie heraus gewunken hat. Manchmal hat er aber auch wirklich ein gutes Gespür. Außerdem kann man ja auch nur dann neue Leute kennenlernen, wenn man nicht nur die Autos, mit den einheimischen Kennzeichen, kontrolliert.

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Vier Pfoten zum Glück
RomanceLena zieht gemeinsam mit ihrem Hund nach Konstanz und versucht beruflich am Bodensee einen Neuanfang. In ihrem Beruf als Apothekerin ist Lena glücklich, nur mit den Männern hatte sie in den letzten Jahren immer nur Pech. In Konstanz lernt sie gleich...