Meine Sachen waren gepackt, ich habe sie alle über Wochen aus dem Haus geschmuggelt und in ein Schließfach in der Bahnstation versteckt. Die letzten wichtigen Sachen hatte ich jetzt im meinen Schulranzen. Meine Schwester, Katelyn, wird immer mit dem Auto gebracht und ich muss alleine mit dem Rad fahren, heute kommt mir das gerade recht. Ich stehe in unserem kleinen Flur und weiß wenn ich durch diese Tür gehe wird alles anders. Ich würde alles zurück lassen, ein neues Leben beginnen.
„ Hey, Blödi, was stehst du da so steif rum?“ Kate, mal wieder, aber diesmal zum letzten mal. „Tschüss“ sage ich und frage mich ob ich die gemeine Kate, die mich beleidigt wenn sie den Mund aufmacht vermissen werde. „ Tschüss?“ OMG, was gab es daran wieder aus zu setzten, vergesst meine Frage, Kate werde ich niemals vermissen. Bevor Kate irgendeinen an den Haaren hervor gezogenem Grund nennen konnte. Weswegen ich mal wider falsch liege, schlüpfte ich durch die Tür.
Ich blieb kurz stehen, das war die Freiheit. Mein Rad stand wie immer an der Hauswand. Ich schnappte es mir und fuhr los. Die Bahnstation lag in der selben Richtung wie die Schule. Ich musste in der nächsten Straße nur rechts abbiegen anstatt links.
In wenigen Minuten war ich da. Ich ging zu dem Schließfach Nummer 103 und holte mein Zeug raus. Nach gut 10 Minuten saß ich in der richtigen Bahn und fuhr los.
Ich konnte es kaum glauben. Nie wieder im Schatten meiner ach so perfekten Schwester stehen. Nie wieder verstellen um dazu zu gehören. Ganz ehrlich, wenn mir noch mal ein wild fremder Biker blöd kommt und meine „Freunde“ das normal finden, flippe ich aus. Aber das wird nie wieder so sein. Mein Beschluss steht fest, schon länger. Und ich bereue es nicht, ich glaube nicht das ich es jemals bereuen werde. Es ist ein herrliches Gefühl, köstlich und dazu dieser Reiz des Ungewissen. Das liebte ich schon immer.
Plötzlich höre ich eine fremde Stimme: „Hallo, ist dieser platz noch frei?“ Die Frau, die gesprochen hat, ist groß und hat wild gelocktes rotes Haar, auf ihrer Nase sieht man viele Sommersprossen und ihr Gesicht ist leicht rundlich, daher wirkt sie ziemlich jung schon fast mädchenhaft. Die Frau deutet auf den Platz neben mir. Ich sitze am Fenster und als ich nicke setzt sie sich auf den Platz am Gang. „Ich heiße Patrice, und wie heißt du?“ fragt die Frau. Oh, nein eine Labertasche und die Fahrt dauert noch 7 Stunden. „Alice.“ sage ich denn neues Leben Neuer Name.
Vor Jahren hab ich mir einen Ausweis fälschen lassen. Ich habe mir den Namen Alice Dalredwunn ausgesucht, den Dalredwunn ist ein Anagramm zu Wunderland und Alice im Wunderland war mein und Kates Lieblingsbuch als wir kleiner waren. „Also Alice, und zu wem gehörst du?“ Okay, nicht nur Labertasche sondern noch komisch, na prima. Neues Leben, neue Probleme.
„Ich verstehe die Frage nicht so ganz.“ versuche ich ihr freundlich zu erklären. Sah ich etwa so aus als müsste ich noch mit Begleitung fahren? Ihre grünen Augen schauten mich leicht misstrauisch an. „Gut oder böse, Alice?“ Oooooookay, die Frau war ja total freaky. „Ähm, … ich würd mal sagen gut.“ Schließlich war ich nicht mehr Mary, sondern Alice. Neues leben, neue Geschichte.
Die Frau sah nach meiner Antwort ziemlich erleichtert aus. „Gut, Alice dann musst du mir gut zuhören. Du versteckst deine Gabe vielleicht und vor Unerfahrenen kannst du sie vielleicht verbergen. Aber ich bin dafür zu mächtig.“ Wow, wow, jetzt mal langsam, Freaky. Woher weiß diese Frau von meiner Gabe? Ich habe so gut wie niemand davon erzählt. Diese Gabe habe ich schon immer, aber ich habe sie immer unterdrückt und versteckt. Als ich in die Schule kam, gab mir mein Klassenlehrerin eine Halskette und sagte mir ich darf sie niemals abnehmen. Irgendwann bemerkte ich das ich meine Gabe nicht einsetzten konnte, wenn ich die Kette trug und deshalb nehme ich sie auch heute nur selten ab. Aber was meint sie mit vor mir kannst du sie nicht verbergen. „Wohin willst du?“ fragt sie plötzlich. „Nach New York City“ sage ich den das sagt auch mein Ticket. „Gut, du musst dann zur Regan School gehen. Erzähl ihnen von deiner Gabe, dann nehmen sie dich auf. Nur dort bist du sicher.“ Sie steht auf. „Du kannst dich und deine Gabe verstecken, aber ich spüre trotzdem das du eine Regi bist.“Mit diesen Worten verließ sie das Abteil.