Das Vorspielen

19 0 0
                                    


Der Rest der Woche ging schleppend vorüber. Es verging leider auch kein Tag an dem ich nicht von Larissa und Co. beschimpft oder ausgelacht wurde. Aber nach dem Vorfall von Montag hatte ich mich scheinbar wieder eingekriegt und agierte genauso wie gewöhnlich: Ich versuchte alles und jeden zu ignorieren und mich auf den Unterricht zu konzentrieren, anstatt sinnlos Energie und Nerven darauf zu verschwenden, mich zu wehren oder in irgendeiner Weise zu kontern. Cornelius hatte mir auch davon abgeraten. Am Samstag feierte er mit seiner Familie Zuhause seinen 18. Geburtstag und hat mich natürlich eingeladen, als einzigen Freund. Und ich freue mich, ihn wieder zu sehen, ebenso wie mein Heimatdorf. Nun musste ich nur noch den Freitag überstehen und dann noch ins Einkaufszentrum, um das perfekte Geschenk zu besorgen. Ich wusste schon in etwa, in welche Richtung es gehen würde. Die zweite Stunde war zu Ende und ich hatte ziemlichen Hunger, deswegen ging ich in die Cafeteria, auch wenn ich mich nicht gerne dort aufhielt. Tatsächlich versuchte ich die Cafeteria zu meiden. Nicht nur, weil es dort laut und voll war, sondern auch, weil es dort höllisch gefährlich war. Ich erinnerte mich nur zu gut an mein letztes Mal dort, als Larissa und ihr Gefolge mir entgegenkamen und sie mir ohne jegliche Vorwarnung mein Tablett gegen die Brust drückte, sodass mein Pullover mit Tomatensuppe vollgesaut und der Rest auf dem Boden verteilt war. Das größte Übel war, neben der Tatsache, dass es ein riesiges Gelächter gab, dass ich den ganzen Dreck später mit Larissa sauber wischen musste, nachdem mir die Aufsicht nicht genug Glauben schenken konnte, als ich ihr zu vergewissern versuchte, dass das alles allein Larissas Schuld war. Ich weiß noch ganz genau, wie sich der Kloß in meinem Hals angefühlt hatte, als ich die Unfairness der ganzen Situation erkennen konnte. Meistens nahm ich mir also Irgendetwas mit, dass ich dann auf dem Weg zum Unterrichtsraum essen würde. Heute hatte ich es leider vergessen, weil ich morgens knapp dran war. Ich konnte nun entweder versuchen, mir den Hunger zu verkneifen bis ich wieder Zuhause war oder in die Halle des Grauens gehen und mir dort etwas kaufen. Im Moment des Nachdenkens machte sich mein Bauch laut knurrend bemerkbar und nahm mir damit so ziemlich die Entscheidung ab. Ich hatte noch 20 Minuten Pause und ging in die Cafeteria. Ich holte mir ein belegtes Brot und diesmal kein Tablett. Ich setzte mich auch an keinen Tisch. Ich verließ den Saal wieder so schnell es ging. Als ich wieder im Gang stand, atmete ich tief ein und aus, als ob ich gerade schleichend an einem Rudel schlafender Wölfe vorbei gekommen wären. Ich hatte keine der drei Schlangen gesehen, beziehungsweise habe ich einfach alle Leute dort ausgeblendet. Das tat ich relativ häufig, vielleicht als eine Art Selbstschutz, sodass ich mich sicherer fühlen konnte. Ich ging zu meinem Spind und holte meinen Kram für die nächste Stunde heraus, während ich mit meiner sonst freien Hand das belegte Brot aß. Ich schaute an die Innenseite der Spind-Tür, auf den Stundenplan der dort hing, um zu sehen, was ich als nächstes hatte. Schlagartig fiel es mir ein und eine Sekunde später sah ich es dann auch auf meinem Plan: Musik mit Mr Reed. 'Oh, Scheiße!', dachte ich. Laut. "Was ist scheiße?", fragte mich eine Stimme. Ich schloss schnell meinen Spind und sah auf einmal Danny Morrison dort stehen. Ich habe ihn in ein paar Kursen, aber wir reden nie miteinander. Er hat dunkelblonde Haare, eine dick umrahmte Brille und grüne Augen. Ich weiß so ziemlich nix über ihn, außer dass er sehr gut zeichnen kann, weil ich ihn mal im Unterricht dabei beobachtet habe und dass er "singen" als Fähigkeit im Musikunterricht angegeben hat. Starrte ich schon wieder anstatt zu antworten?! "Uh, nix", brachte ich schließlich hervor. Er fing an zu lächeln. "Okay", antwortete er. "Kommst du mit zu Musik?"Ich nickte und merkte erst danach, dass ich eigentlich noch gar nicht zu Musik wollte, weil noch circa 10 Minuten Pause waren und ich außerdem keine Nerven hatte, Mr Reed zu sehen oder zu hören. Ich würde vermutlich Gefahr laufen, wie heiße Butter zu zerschmelzen...Wenn ich doch nur tatsächlich "heiß" wäre, dann hätte ich vielleicht doch Lust, ihn zu sehen! "Und wie findest du Mr Reed so?", fragte Danny auf einmal, während wir die Treppe zum nächsten Stock hinaufgingen. "Gut und du?""Auch." Was für eine Konversation. Wir erreichten das vierte Stockwerk und bald auch den Musikraum. Die Tür stand offen, aber der Raum schien auf den ersten Blick leer zu sein. Danny ging vor und zur Tür rein, ich folgte. Und puh, der Raum war tatsächlich leer bis auf uns zwei. Danny setzte sich auf seinen Platz, dritte Reihe von den vier Sitzreihen und direkt vor den Plätzen der Tussis. Ich setzte mich ebenfalls und packte aus. "Bestimmt müssen wir heute vorspielen und -singen, oder?"Ich drehte mich zu ihm um."Mhm, ja, ich glaub' auch", meinte ich relativ gelassen klingend, während ich innerlich schrie, da ich daran gar nicht mehr gedacht habe! Konnte ich überhaupt etwas spielen? Ich hatte seit Ferienanfang nicht mehr am Klavier gesessen und ich wollte mich nicht schon wieder blamieren. Plötzlich ging die Tür neben der kleinen Bühne im hinteren Teil des Raums auf und Mr Reed trat hervor. Mein Bauch kribbelte auf einmal wie verrückt. Er trug ein schwarzes Hemd und eine schwarze Weste darüber, dazu schwarze Jeans und braune Lederboots. 'Lassen Sie mich Ihre Gothik-Braut sein, Mr Reed!'Okay, dieser Gedanke brachte mich tatsächlich zum Grinsen. "Freut mich auch, Sie zu sehen!", hörte ich ihn auf einmal lachen und ich brauchte eine Sekunde, um zu realisieren, dass ich noch immer wie ein Idiot grinste und dass er dementsprechend mich meinte. Danny schnaubte ein kurzes Lachen und der Lehrer ging mit ein paar Zetteln, die er in den Händen hielt zum Lehrerpult. Ich entschied mich, die Sache dabei zu belassen und mich nicht zu erklären. Hätte sowieso kein Wort rausbekommen und tatsächlich hatte ich mir mich als seine Braut vorgestellt, insofern war die Wahrheit noch peinlicher, als seine Annahme für meine Freude. Ich richtete mich wieder nach vorne und versuchte beschäftigt zu wirken, indem ich mein Notizbuch öffnete und darin schrieb. Ich schrieb das Datum. Dann den Wochentag vor das Datum. Egal, Hauptsache irgendwas schreiben. Während ich mir überlegte, was ich noch so schreiben könnte, sah ich mit immer noch auf meine Notizen gerichtetem Kopf für einen Moment nach oben in Richtung Lehrerplatz. Er saß auf seinem Stuhl und schrieb irgendwas in seinen Planer. Vielleicht ja auch das Datum mit Wochentag? Wohl eher nicht. Auf einmal merkte ich wie sein Blick vom Papier abschweifte und ahnte, dass er gleich nach oben schauen könnte, daher schaute ich schnell wieder zu meinem Buch. "Pst!" Ich drehte mich zu Danny. "Ja?""Kann ich neben dir sitzen?""Uh, wieso?""Hm, ich mag's da vorne lieber!"Ich schaute zu Mr Reed rüber, der mich nun anguckte. Kein bestimmter Gesichtsausdruck zu erkennen. "Ich weiß nicht, von mir aus schon", meinte ich zu Danny. Er sprang auf, nahm seinen Rucksack in eine und seinen Kram mit seiner Jacke in die andere Hand und setzte sich rechts neben mich. Dann fragte er den Lehrer: "Ist das okay, wenn Ron und ich Plätze tauschen, Sir?" Mr Reed schaute kurz zu ihm, dann wieder mich an und nickte schließlich. "Jap" '"Jap"?! Welcher Lehrer sagt denn bitte "Jap"?! Vielleicht habe ich ja doch Glück und er ist ein Schüler, der das System gehackt hat und jetzt einen auf Lehrer macht...warte, aber welches System eigentlich?' Ich sah Danny neben mir seinen Block fürs Zeichnen aufschlagen und wusste, dass er sich als ruhiger Sitznachbar erweisen würde. Außerdem mochte ich ihn vielleicht sogar; er erinnerte mich ein bisschen an Cornelius. Die anderen kamen zur Tür rein- der übliche Mop... Kaum zu glauben, dass ich bis vor kurzem Danny dazugezählt hätte. Larissa, Maddy und Riley wurden in der Zwischenzeit leider noch nicht von der zurzeit umlaufenden Grippewelle erfasst. Sie kamen rein und blickten mich gleich verächtlich an. "Dumme Hühner", murmelte Danny. Ich teilte seine Meinung ungemein, auch wenn ich insgeheim wünschte, er wäre nicht so feige wie ich und hätte es laut ausgesprochen. Ron stellte nur kurz etwas zu unüberrascht fest, dass sein eigentlicher Platz belegt ist und setzte sich daraufhin gleich auf den einzig frei gebliebenen. Dann fing der Unterricht an. Mr Reed stand vor uns und begrüßte uns mit dem süßesten Grinsen. Und er erklärte uns den Plan für heute: "Ich dachte, heute könnte jeder mal etwas vorspielen oder vorsingen, damit ich euch besser kennenlerne und ihr euch womöglich auch! Also, was das Singen anbelangt...Wenn jemand von euch sich nicht ganz traut, könnt ihr auch gerne als Gruppe singen oder mit Partner oder so", er kratzte sich an der Wange und schmollte ein wenig. Er wirkte wie ein Hundewelpe, verdammt nochmal! Ich versuchte mich zu sammeln und ernsthaft darüber nachzudenken, was ich vorspielen könnte...Mr Reed las auf einmal einen Namen vor; ich musste schon länger in Gedanken gewesen sein, da das Vorspielen und -singen bereits anfing. Ein Mädchen namens Anne und ihre Freundin Taylor kamen nach vorne. Taylor nannte Mr Reed noch ihren Namen. Dann begannen sie zu singen. Irgendein Lied von irgendeiner neumodischen Band, die ich nicht kannte, womit ich wahrscheinlich allein war in diesem Raum. Der Gesang war recht schrill, aber ich sah mich nicht wirklich befugt, schlecht darüber zu denken. Schließlich musste jeder, der kein Instrument spielte, singen, ob er wollte oder nicht. Am Ende gab es leicht schwächelnden Beifall, aber Mr Reed klatschte so laut und auf eine so ulkige Weise, dass es mir erst im Nachhinein auffiel. Die Mädchen setzten sich und der nächste Name wurde aufgerufen. Danny stupste mich an. "Hey, weißt du schon, was du spielst?""Nein, nicht wirklich..." Ich wusste es tatsächlich immer noch nicht und bekam langsam Panik. "Ich muss singen und naja...ich kann's nicht!" Plötzlich fing er an zu lachen und ich stimmte ein. Sein Lachen war ziemlich ansteckend. Vorne stand jetzt ein Junge, Norman Whitley, der einen Geigenkoffer auf den Lehrertisch abstellte, ihn öffnete und das Streichinstrument entnahm. Er klemmte es sich fachmännisch unters Kinn und fuhr mit der Hand in der er den Bogen hielt durch seine strähnigen Haare. Ich sah zu Mr Reed rüber, der große Augen machte und Norman wie gefesselt dabei zuschaute, wie dieser seine Geige noch mal kurz stimmte. Norman spielte Debussys "Clair de Lune" und er spielte ziemlich gut. Natürlich, er ist der Jahrgangsstreber und übte mit seiner Geige wahrscheinlich jeden Tag für Stunden. Alle klatschten am Schluss dieses Auftritts, der für einige insgeheim ein früheres Ende hätte finden können. Drei waren dran, 13 weitere sollten noch folgen. Da die Namensliste nicht nach dem Alphabet geordnet war, konnte ich mir nicht einmal ausrechnen, wann ich ungefähr dran sein würde. Bei den nächsten Schülern schaltete ich allmählich ab und schielte zu Mr Reed rüber, der so aufmerksam schien und den Schülern, die vorne waren mutmachend zulächelte. Ich war mir sicher, dass ich noch nie so ein schönes Lächeln gesehen hatte. Dann schaute ich wieder weg, damit es nicht zu auffällig wurde. Ich sah, dass Danny wieder zeichnete; es waren super realistisch aussehende Blumen und andere Pflanzen, die er in seinem Block skizzierte. Dabei ragte seine Zungenspitze etwas aus seinem Mund und er wirkte hochkonzentriert. Nach ein paar Sekunden drehte er sich zu mir. Sein hochkonzentriertes Gesicht schwand und er lächelte mit Mund und Augen. Ich lächelte zurück. "Danny Morrison!"Wir sahen uns immer noch an, aber wir lächelten nicht mehr. "Ich bin dran", sagte Danny nur matt, stützte sich mit beiden Händen auf seinem Pult ab und ging bedächtig nach vorne. Dann stand er da und wirkte nicht mehr wie er selbst, er wirkte sogar ziemlich nervös. Oder vielleicht kam es mir nur so vor?"Was singst du?", fragte Mr Reed. Danny sah ihn an, ich konnte seinen Gesichtsausdruck allerdings nicht erkennen. Mr Reed schaute nun besorgt und ging näher zu Danny, redete leise mit ihm. Ich verstand nur Worte wie "Lied" und "Partner" und "nicht alleine". Danny nickte nur und schob sich seine Brille höher auf die Nase. Er tat mir ungeheuer Leid und ich hörte schon langsam das Tuscheln von den Leuten hinter mir. Dies war ein Moment, in dem ich mich entscheiden musste, ob ich weiterhin nur bei dieser unangenehmen Situation zusehen oder aber, mich zur Abwechslung wie eine soziale Person benehmen und ihm helfen wollte. 'Nicht wie eine soziale Person allein, sondern wie eine Freundin', dachte ich und merkte erst nach diesem Gedanken, dass mich meine Beine bereits nach vorne führten. Zu Danny. Und zu Mr Reed. 'Oh, nein. Beschissene Idee!'Aber es war schon zu spät. Auf einmal stand ich rechts neben Danny und schaute in die verwirrten Gesichter meiner Klassenkameraden oder wie man sie auch nennen mag. "Samantha?", flüsterte Danny entgeistert. Ich war wie versteinert und hatte keine richtige Kontrolle mehr über mein Sprachzentrum. "Singen", stieß ich schließlich aus. Und dann kam auch endlich mein Verstand zurück und erinnerte mich daran, dass meine Singstimme mit dem Gekrächze einer erstickenden Stadttaube vergleichbar ist. Und was bitte schön singen? Mein Hirn ratterte...Dann beugte sich Danny zu mir und flüsterte in mein Ohr: "Kannst du was von Kings of Leon?" 'Ich liebe Kings of Leon!', dachte ich kurz und war überrascht über die Auswahl. Für einen Augenblick dachte ich an die vielen Kings of Leon-Songs, die ich kannte. Von vielen wusste ich sogar den ganzen Text. Nur leider habe ich nicht die passende Stimme und außerdem war ich so extrem nervös, wie vielleicht noch nie zuvor. Jetzt fiel mir auch wieder Mr Reed ein, der neben uns stand und in wenigen Augenblicken das üble Ausmaß meines Versuchs, ein guter Freund zu sein, beobachten können würde. "Comeback Story?", murmelte ich so leise wie möglich. "Kay", war alles, was Danny entgegnete, dann sah ich aus dem Augenwinkel wie er sich am Hemdkragen zog und sich ordentlich hinstellte. 'Oh, Scheiße', zog wie der Schriftzug eines Dauerbanners in meinem Kopf vorbei. Es war soweit. Keine Musik im Hintergrund. Keine Rettung. Jetzt würde es losgehen. "Picking up the pieces of the world I know With one in the fire and one in the snow It's a comeback story of a lifetime A comeback story of a lifetime..."Danny fing an zu singen. Und zwar ohne mich. Ich war starr vor Angst, doch nach wenigen Sekunden auch vor Begeisterung und Verwunderung über diese Stimme! "I'm bent on believing everything is alright I break with the day and I bend with the night It's a comeback story of a lifetime A comeback story of a lifetime I walk a mile in your shoes And now I'm a mile away And I've got your shoes..." Er klang wunderschön und ich hätte den Teufel getan und dazwischen gesungen. Manchmal schaute Danny zu mir und wollte sehr wahrscheinlich, dass ich mit einsteige. Aber ich konnte es einfach nicht, ich dachte nicht einmal daran. Ich vergaß für die Zeit, in der Danny sang sogar die anderen Schüler und Mr Reed. Deswegen empfand ich es auch gar nicht als peinlich, einfach nur so daneben zu stehen, nachdem ich vorher "todesmutig" von meinem Platz aufgesprungen und zu Danny gegangen bin, um ihn zu unterstützen. Danny sang weiter ohne mich. Irgendwann sang er die letzte Zeile und nachdem er verstummte, war für einen Moment Stille. Doch dann gab es einen plötzlichen und lauten Applaus von allen. Mr Reed klatschte mit und legte Danny eine Hand auf die Schulter. "Das war wirklich großartig", sagte er und ich kann mir vorstellen, dass das "runterging wie Öl", wie man so zu sagen pflegt. Ich war ungemein stolz auf Danny und froh für ihn. Aber langsam setzte sich auch wieder ein Gefühl des Unbehagens durch. Ich hatte nur da gestanden, hatte ihm nicht wirklich geholfen, ihn eher im Stich gelassen. Plötzlich sah Mr Reed zu mir rüber, er hatte ein breites Lächeln auf den Lippen. "Samantha, auf meiner Liste steht, du spielst Klavier. Möchtest du nicht als nächstes?" Ich schaute ihn mit weiten Augen an. Zumindest hat er nicht in Frage gestellt, warum ich vorhin aufgesprungen bin. Naja, nicht laut. Trotzdem raste mein Herz jetzt, weil er mich erstens ansprach und zweitens meinte, dass ich jetzt an der Reihe sei. Danny setzte sich wieder an seinen Platz und ließ mich allein mit dem Lehrer vorne stehen. Auf seinem Platz sitzend, nickte er mir jedoch mit einem aufmunternden Lächeln zu. Ich ging wortlos zu dem Klavier rüber, das neben der Tafel stand. Alles im Raum war so schrecklich still und meine Beine fühlten sich schwach und zittrig an. Ich setzte mich auf den breiten Schemel und versuchte mich abzuregen, was aber nicht recht funktionieren wollte. Ich hörte Gemurmel ohne ein einziges Wort zu verstehen und ich konnte Mr Reed hinter mir näher kommen hören. Mir stieg eine Hitze ins Gesicht und ich hoffte, nicht merklich rot anzulaufen. Mr Reed stand jetzt neben mir und beugte sich, um mit mir auf Augenhöhe zu sein. "Was wirst du spielen?", fragte er. 'Oh, Scheiße!!' "Ich- ich...hab' keine Ahnung", sagte ich gedankenverloren. Mr Reed lachte kurz auf. "Okay. Möchtest du Noten haben, soll ich dir ein Stück heraus suchen?" 'Nein. Lassen Sie mich einfach wieder an meinen Platz gehen und beenden Sie diesen Horror!', dachte ich. Doch dann fiel mir ein, was ich kurz vor den Sommerferien noch wie besessen geübt hatte. Ich hatte früher Klavierunterricht, das war nicht einmal drei Jahre her und meine Klavierlehrerin hatte mir in meiner letzten Stunde ein Buch geschenkt mit vielen berühmten Stücken und Sie meinte, ich solle damit weiter üben und das tat ich auch, manchmal mehr, manchmal weniger. Jedenfalls übte ich vor den Ferien noch an diesem Stück und ich hoffte, dass ich es noch irgendwie beherrschte. Ich konnte es damals auswendig, aber ob das jetzt noch der Fall war? "Joe Hisaishis 'One Summer's Day'?" Ich wusste nicht genau, warum ich daraus eine Frage machte. Mr Reed schaute verblüfft. "Wow, uh, okay!" 


....



Sam's TownWo Geschichten leben. Entdecke jetzt