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Die letzten Sonnenstrahlen tanzten auf der Meeresoberfläche. Echèque spürte seine lächelnden Lippen an ihrem Hals. Seine Arme waren um ihren Körper geschlungen. Sie schloss ihre Augen und lehnte den Kopf an seine Schulter. Es war schön, ihm so nah zu sein. Als sie sie wieder öffnete richtete sie sie auf den fantastischen Sonnenuntergang. Fasziniert beobachtete sie wie sich die Farben des Himmels mit jeder Minute veränderten, jede einzelne Farbkombination war einzigartig, aber doch vergänglich.
"Wunderschön", murmelte sie verträumt vor sich hin.
"Da hast du recht", flüsterte er und strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht, er hatte seine Augen die ganze Zeit auf sie gerichtet. Seine faszinierenden Augen. Man konnte sich so leicht in ihnen verlieren, er war so charmant, sie konnte sich ihm wirklich nicht entziehen. Manchmal wunderte sie sich, wie manipulativ seine Augen sein konnten. Ob er wusste, dass er so betörend auf andere Menschen wirkte?
Sein Gesichtsausdruck veränderte sich nicht, als sie mit dem Finger sein Gesicht nachzeichnete. Als sie langsam über seine Wangenknochen fuhr schlossen sich seine Augen. Schließlich beugte sie sich weiter vor und legte ihre Lippen auf seine. Ohne zu zögern erwiderte er ihren Kuss. Es war schon fast unreal, wie glücklich Echèque mit ihm war. Es war ihr unmöglich sich diese Situation mit jemand Anderes vorzustellen.

Sie hatten sich vor zwei Monaten genau an diesem Strand kennengelernt. Damals wollte Echèque sich mit ihrer Schwester in der Stadt treffen, die sich jedoch verspätete. Cécile war noch kurz auf ihrer Arbeit gewesen, um etwas zu klären, bis ihr der nervenaufreibende Feierabendverkehr zum Verhängnis geworden war.
"Ich bin in spätestens einer Stunde zu Hause und stelle den Wagen ab, bevor ich dann zu dir komme. Je t'aime p'tit sœur" , waren ihre Worte am Telefon gewesen, die Echèque etwas genervt zurückließen.
Sie hatte schon beschlossen voranzulaufen und stand nun am Hafen. Das Wetter war fabelhaft wie immer, einfach das perfekte Urlaubsziel.
Dort fand man abends viele junge Leute vor, die auf eine schöne Zeit anstießen, aber auch hin und wieder reiche Junggesellen, die versuchten leichte Mädchen mit ihren Yachten zu beeindrucken. Das normale Leben der Neurreichen eben.
Gelangweilt spazierte sie den Weg entlang und machte sich Gedanken darüber, wie es mit ihr weitergehen sollte. In letzter Zeit hatte sie sich oft mit ihrer Mutter gestritten und sie seitdem auch nicht mehr so oft besucht. Sie teilte ihre Vorstellung von einem glücklichen und erfolgreichen Leben nicht, was für Echèque nunmal das Singen miteinbezog. Beruflich versteht sich.
Seufzend setzte sie sich auf eine leere Bank und stopfte ihre Sonnenbrille in ihre Tasche. Gedankenverloren fing sie an mit ihrem Perlenarmband zu spielen, ein Geschenk von Cécile zu ihrem letzten Geburtstag, und summte ein paar Melodien vor sich hin. Nach einer Weile, wurde ihr langweilig und sie beschloss ein wenig zu lesen.
Sie war so sehr in ihr Buch vertieft, dass sie kaum merkte wie es ihr langsam vom Schoß rutschte und auf den Boden viel. Gerade als sie es aufheben wollte, kam ihr eine fremde Hand zuvoor, die ihr Buch aufhob und zuklappte.
Wie klischeehaft, dachte sie sich.
Verwundert blickte sie in die schönsten Augen, die sie je gesehen hatte. In das außergewöhnlichste Gesicht, dass sie je gesehen hatte. Dass sie jemals sehen würde. Der Anblick war nahezu fesselnd.
Der Fremde wendete seinen Blick zuerst ab und richtete ihn auf den Bucheinband, als er langsam aufstand. Echèque lies ihn nicht aus den Augen, während sie sich wieder aufrecht auf die Bank setzte.
Der brünette Mann blickte weiterhin interessiert auf das Buch, während Echèque versuchte aus seinem Gesichtsausdruck schlau zu werden.
Dann legte er nachdenklich den Kopf schief und starrte sie an.
"The loneliest moment in someone's life is when they are watching their whole world fall apart, and all they can do is stare blankly", zitierte er mit seiner angenehmen Stimme. Er war kein Franzose, so wie er das Buch akzentfrei zitierte. Echèque blinzelte irritiert.
"Der große Gatsby", schmunzelnd gab er ihr ihr Buch zurück.
"Darf ich mich setzen?"
"Sicher", antwortete sie schnell und platzierte ihre Handtasche auf ihren Schoß, damit er sich auf die Bank setzen konnte. Sie war noch ganz verwundert.
"Sie kennen den Roman also"
Er zog die Augenbrauen hoch "Er ist einer meiner Lieblingswerke.Was ist ihr Lieblingszitat?"
Die Frage brachte Echèque kurz aus dem Konzept. Erwartungsvoll und geduldig hatte er seine leuchtenden Augen auf sie gerichtet.
"Ich habe kein richtiges Lieblingszitat fürchte ich", gestand sie "Jedoch mochte ich immer das Zitat 'He looked at her the way all women wanted to be looked at by a man'
Es hat mir immer zu denken gegeben und das tut es immernoch. Ich frage mich nach wie vor, wie das wohl aussehen mag"
"Ich verstehe", sagte er gedehnt und schenkte ihr ein kleines Lächeln.
"Ich habe mich ja noch gar nicht vorgestellt, ich bin Raymond Leon" er streckte seine Hand aus.
"Echèque Manier. Es ist mir einVergnügen Sie kennenzulernen Raymond", sagte sie und streckte die Hand aus. Doch anstatt sie zu schütteln, nahm er sie und murmelte "Das Vergnügen liegt ganz bei mir" und drückte ihr einen Kuss auf den Handrücken ohne sie aus den Augen zu lassen. Obwohl er kein Franzose sein mochte, an Charme fehlte es ihm nicht.

"Woran denkst du?", fragte Raymond während er ihr über das Gesicht strich. "Du bist so abwesend, langweile ich dich?"
"Keineswegs, du scheinst sogar überall für mich präsent zu sein, sogar in meinen Tagträumen"
"Dir ist bewusst, dass kein Bedarf an Tagträumen besteht, wenn ich direkt neben dir sitze?"
"Wie könnte ich das nur vergessen?" Sie lachte.
Ihr Kennenlernen war für Echèque immer eine schöne Erinnerung gewesen. Sie hatten sich am Strand kennen gelernt, er hatte aus ihrem Lieblingsbuch zitiert, alles war perfekt gewesen.
Es hätte sich auch um eine Szene aus einem Film handeln können. Eine dieser Szenen, die man sich immer wieder ansehen möchte, weil man sie "süß" findet. Süß, weil man sie sich nicht in der Realität vorstellen konnte. Es konnte sie einfach nicht geben. Sie waren zu perfekt.
Aber genau das war ihr passiert, und das brachte sie immer wieder zum Nachdenken.
In diesen Momenten fragte sie sich, ob man eine Person wirklich durch und durch kennen konnte, jedes Geheimnis, jeden Gedanken. Und wie viel Zeit dafür nötig war.
Wochen? Jahre? Jahrzehnte?
Die Tatsache, dass sie ihn nur seit zwei Monaten kannte, beunruhigte sie dabei nur noch mehr. Sie liebte ihn und er liebte sie, davon war sie überzeugt.
Sie saß eng an ihn geschmiegt am Hafen, in dem weißen Sommerkleid, dass er ihr gekauft hatte und beobachtete ihn heimlich, wie er den Sonnenuntergang beobachtete. Seine Miene war wie aus Stein gemeißelt, er schien sich kaum zu bewegen, kaum zu atmen, ganz im Gegensatz zu Echèque dessen Herz in seiner Nähe immernoch schneller schlug.
Sein Blick. Sein Ausdruck. Sein Verhalten.
Das war das erste Mal als Echèque sich fragte, wer er eigentlich war.


As Time Goes By - James Bond 007Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt