Schwesterliebe 1. Kapitel

74 3 11
                                    

1. Kapitel

Die Morgensonne schien durch einen winzigen Spalt in das Zimmer und ließ das erste Licht in den Raum. Der Duft des Sommerregens drang durch das geöffnete Fenster. Ich sah mich um. Der Zipfel der Bettdecke meiner kleinen Schwester hing vom Doppelstockbett herunter und durch das Schlüsselloch konnte man erkennen, dass in der Küche schon Licht war. Vermutlich war es Anja, meine Stiefmutter, die um diese Zeit schon wach war.

Der einzige Lichtstrahl im Raum fiel direkt auf ein Bild. Es zeigte eine glückliche Familie. Eine selbstbewusste, ehrgeizige Frau, ein verantwortungsvoller Daddy und ein süßes kleines Kind im Sommerkleid. Es hielt einen Kuchen mit drei Kerzen in der Hand. Das ist vermutlich der einzige positive Moment den ich mit ihr in Erinnerung habe. Mein 3. Geburtstag. Meine Mutter hat mir einen großen Kuchen gebacken und ich habe am nächsten Tag meine Freunde noch einmal einladen müssen, weil wir den Kuchen nicht schaffen konnten. Mein Vater brachte mir an diesem Tag das Fahrrad fahren bei. Es war einfach zu perfekt um wahr zu sein. Kurze Zeit später kam mein Vater in mein Zimmer und begann meinen Koffer zu packen. Ich begriff in dem Moment gar nicht was passierte. Meine Mutter weinte als sie mich und Daddy fortlaufen sah.

Aber ich sah nur eins: Meine Mutter, die uns auf Grund ihrer Berufes im Stich gelassen hatte. Natürlich habe ich versucht Kontakt mit ihr aufzunehmen. Sie zu fragen warum. Aber ich habe nur einen Brief von ihr erhalten, einen Brief mit genau diesem Bild.

Manchmal frage ich mich ob ich das wirklich bin. So selbstbewusst und glücklich war ich schon lange nicht mehr. Ob sie heute an mich denkt? Ob sie mich vermisst...uns? Was interessiert mich das überhaupt. Es war doch ihre Entscheidung uns im Stich zu lassen. Vermutlich hat sie uns einfach gar nicht verdient. Ich spürte wie eine Träne meine Wange hinunter kullerte. Ich griff nach dem Bild und drückte es ganz fest an meine Brust.

Ich vermisse sie trotzdem. Auch wenn sie es nicht verdient hat vermisst zu werden. Vielleicht fehlt mir auch einfach nur die heile Familie. Die perfekte Welt in der ich lebte, die sich mit einem Tag in Luft auflöste. Ich habe sie zwar auch hier, aber Lucy ist eben nur meine Halbschwester und Anja nicht meine leibliche Mutter. Ich weiß, dass mein Heimweh idiotisch ist. Ich habe hier die Familie die mich liebt. Sogar Anja liebt mich wie ihr eigenes Kind. Eigentlich brauche ich mich nicht zu beschweren, es ist aber doch anders als meine "perfekte Welt".

Ich blickte auf den Wecker. Seit 2 Minuten war ich 13. Wieder ein Jahr älter....wieder ein Jahr weg vom Geschehenem.

Ich hörte wie jemand die Treppen hinauf ging. Ich kannte diese Geräusche auswendig die 14. Stufe knarrte nur ganz leise, während die erste unüberhörbar war. Das schien Lucy nicht zu stören sie schlief weiter. So war das eigentlich jedes Jahr. Eigentlich wollen sie mich mit Lucy wecken an meinem Geburtstag...nur das sie so tief schläft wie ein Stein. Ich versuchte ein wenig an ihrem Bett zu wackeln, in dem ich an die Holzlatten des oberen Bettes klopfte. Leider ohne Zweck. Ich fühlte wie nun die Sonne auch mein Gesicht wärmte als Anja und Daddy die Tür öffneten. Singend kamen die beiden herein. Daddy setzte sich auf meine Bettkante und nahm mich in den Arm. Anja hielt eine Torte in der Hand. „ Alles Gute mein Schatz.", sagte Daddy und gab mir einen Kuss. „ Hier.", sagte Anja. „ Aber du musst alle Kerzen auf einmal auspusten!" In solchen Momenten war ich bereit zu vergessen was passierte. In den Momenten die so perfekt waren, dass man immer das Gefühl hatte geborgen zu sein. Man fühlte sich wohl. Doch wie das Leben es will nehmen auch solche wunderbaren Momente im Leben ein Ende. Auf den perfekten Augenblick folgt zugleich der größte Horrofilm deines Lebens. Zu mindestens aus meiner Erfahrung.



Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 21, 2015 ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

SCHWESTERLIEBEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt