>>Komm Dy, wir müssen uns beeilen.<<, rief Mason nach einem Blick auf seine Uhr. >>Wir wollen ja nicht zu spät kommen.<<, antwortete ich zwinkernd und lief los. Meinem Tod in die Arme.
Die Oper erhob sich majestätisch über uns. Sie bestand aus alten Elementen der Römer und aus modernen Feinheiten. Goldene Säulen markierten die prächtige Flügeltür des Einganges und luden förmlich zum dahin schmelzen ein. Mein Herz klopfte mir bis zum Hals und mein Atem ging stoßweise und unregelmäßig als ich das Plakat auf der Tür erblickte >Der Feuervogel<. Meine ganzen Vorbereitungen und das harte Training würden mir heute nicht mehr helfen. Ich war ganz auf mich alleine gestellt. Meine Mutter wäre stolz auf mich gewesen, wenn sie erfahren hätte, dass ich die Hauptrolle tanzte. Sie wäre vor Stolz geplatzt, wenn sie noch leben würde. Sie starb vor elf Jahren, als ich fünf Jahre alt wurde, somit wurde mein Geburtstag gleichzeitig ihr Todestag. Die ersten zwei Jahre waren wie eine Folter für mich gewesen. Ich aß kaum etwas und magerte ab. Denn den Schmerz konnte ich nur mir Leere betäuben. Ich kam zu meinen Großeltern, da mein Vater als er erfuhr, dass meine Mutter mit mir Schwanger war einfach verschwand, und niemand wusste wohin.
Da war also die elf Jahre jüngere Version von mir, total abgemagert, schwach, betäubt und alleine. Selbst meine temperamentvollen Großeltern bekamen mich nicht aus dem kleinen, weißen Zimmer, geschweige denn aus dem Haus. Meine Mutter war so ziemlich das Einzige was ich gehabt hatte, und nun war sie fort, fort im unbekannten Nirgendwo.
Versunken in meinen Gedanken starrte ich das Plakat weiterhin an. Das rot- orange Wesen in Flammen. So hatte ich mich gefüllt. Meinen Körper hatten meine seelischen Qualen zum brennen gebracht. Ich fuhr mit der Hand über das Wesen aus Papier. Mein Zustand wurde nach der Zeit besser, doch die Wunde tief in meinem Inneren riss immer wieder auf.
Ohne den Blick abzuwenden schlenderte ich über die Schwelle in die riesige Empfangshalle. Die letzten Vorbereitungen wurden getroffen und die Menschen, die soeben noch um mich herumgewirbelt waren stellten sich auf ihre Positionen. Die Mundwinkel leicht angezogen schüttelte ich den Kopf. Das alles war so unglaublich, dass es schon fast surreal wirkte. Ich erblickte eine Tür mir gegenüber, mit der Aufschrift >Betreten für Gäste verboten<. Aus ihr konnte ich schon ein leises Stimmengewirr entnehmen. Das war die Kammer, wo ich die nächste halbe Stunde meiner Freizeit verbringen würde.
Ich lief über die kunstvollen Marmorfliesen, bis hin zu der Tür. Meine Tasche baumelte meine Schulter hinunter, und bescherte mir ein kleines bisschen Normalität. Ich atmete tief aus und drückte die metallene Klinke hinunter. Mit einem leisen klack sprang die Tür auf und ich trat ein in das Gewusel. >>Hallo, Dy<<, begrüßten mich alle des Ensembles und ich nickte ihnen lächelnd zu. Die große Kammer, die im Vergleich zu der Empfangshalle schon wieder klein war, war in zwei Abschnitte unterteilt. Der Eine für die Mädchen, der Andere für die Jungs.
Ich ließ mich auf einem Stuhl vor einem Spiegel nieder, schminkte mich dezent und steckte meine langen, dunkel blonden Haare hoch. Danach zog ich mir mein wundervolles Kostüm an. Ein rotes Tutu mit orangem Tüll, der um meinem Körper gewickelt war.
Ich fühlte mich wie im Märchen, doch jedes Märchen hat auch seine Schattenseiten...
Fünf Minuten bevor es ernst wurde, stellten wir uns hinter der Bühne auf. Meine Hände waren nass geschwitzt und ich wippte hin- und her. >>Dy<<, flüsterte eine mir bekannte Stimme hinter mir und ich fuhr herum. >>Hals- und Beinbruch.<<, sagte Mason mit seinem schiefen Grinsen im Gesicht, das meine Knie weich werden ließ. Jedoch hatte ich für seinen misslungenen Versuch mir Glück zu wünschen nur ein Augenrollen übrig. Doch innerlich grinste auch ich. >>Du machst es nicht gerade besser.<< Er umarmte mich kurz und ich drehte mich wieder um. Meine Hände zitterten vor Aufregung, öffneten und schlossen sich automatisch. Mein Blut pulsierte in meinen Adern. Das Gefühl von Spitzenschuhen unter meinen Füßen bescherte mir ein Gefühl vom zu Hause sein, aber gleichzeitig machte es mir Angst.
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Mein Tanz in den Tod
SpiritualMelody liebt es zu tanzen und an ihre Grenzen zu gehen. Besonders nachdem ihre Mutter vor vielen Jahren gestorben ist. Sie ist bereit alles zu tun um sie wieder zu sehen, auch wenn das heißt, dass sie tanzt, bis zu ihrem Lebensende...