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Es war eine dumme Idee. Dessen war ich mir absolut sicher.
Der bleiche Mond beschien das alte, halb verfallene Haus am Waldrand. Friedlich, fast beruhigend raschelten goldgelbe Blätter an den Bäumen, von Mond und Nacht grau gefärbt. Der Wind zauste durch meine Haare, zog an meinem Kleid und nahm mir meinen Mut. Zuhause hatte ich mir viel Mühe damit gegeben, mich zu schminken und den Zopf zu flechten, doch das Wetter des späten Oktobers hatte meine Frisur bereits auf dem Gewissen.
Je näher ich dem Gebäude kam, desto mehr stellten sich meine Nackenhaare auf, es widerstrebte mir zutiefst, diesem Haus so nahe zu sein.
Er hatte gesagt hier könnte man sich treffen, hier wäre es schön, hier wäre man für sich. Er hatte die Stille beschrieben, die hier herrschte, wie romantisch es doch wäre. Es wäre eine besinnliche Zeit zu zweit....
Kiesel knirschten unter den Absätzen meiner Schuhe als ich die alte Auffahrt zum Tor hinauflief und mich in den Schatten des alten Eichenbaumes begab, der am Tor stand. In meiner Handtasche suchte ich nach meinem Handy um Jonathan anzurufen, doch als ich fündig wurde, fiel mir auf, es würde nichts nützen. Kein Empfang.
"Verdammt" murmelte ich halblaut und sah mich nach einer Klingel um.
"Komm rein Süße..." das quietschen einer Metalltür ließ mich zusammenzucken und schoss mir durch Mark und Bein. Aus dem Schatten der Eiche trat Jonathan, er trug einen makellosen schwarzen Anzug mit einer roten Rose im Knopfloch.
"Hey..." ich versuchte meine Gedanken zu ordnen und schämte mich ein wenig für meine Ängstliche Reaktion. "Ich..." "Komm einfach mit" sprach er mit weicher, warmer Stimme auf mich ein, legte den Arm um meine Schultern und führte mich durch das Tor.
Rechts und links der Auffahrt standen steinerne Löwen, manche verwittert und zerbrochen, andere noch immer ganz, steinerne, ewige Wächter.
Jonathan hatte links und rechts des Wegs Kerzen verteilt die den Pfad leicht erleuchteten. Hier, innerhalb der Hecke aus immergrünen Eiben, die das Anwesen umgaben, war es windstill und weniger kalt. In Jonathans Armen begann ich, mich wieder zu entspannen, lehnte mich an seine Brust, roch an der Rose. Da war der Geruch der Eiche, der Eiben, des Herbstes, ein wenig roch es nach Kerzen und nach verstaubten Büchern als mein Beschützer die Tür des Hauses öffnete. Doch kein Rosenduft.
Innerhalb der alten Mauern standen noch mehr Kerzen, es musste ewig gebraucht haben, alle im Haus zu verteilen. Sie waren völlig unterschiedlich, manche noch frisch oder dünner, andere dick oder schon fast heruntergebrannt, doch alle waren rot. "Rot wie die Liebe..." lächelte Jonathan als er meinem Blick folgte. Er war so süß...
Die Rose in seinem Knopfloch zerfiel als sie sich von ihm löste, die Blume war trocken wie Staub.
Unsere Absätze klackten auf dem steinernen Boden als wir in das Wohnzimmer gingen, alles erleuchtet im flackernden Schein unzähliger Kerzen. "Ich hab ein Geschenk für dich, meine Süße..." Jonathan kramte in seiner Jaquettasche und schien es gefunden zu haben. Voller Vorfreude schloss ich die Augen, als die Gefühle mich davon trugen. Endlich waren wir zu zweit...
Endlich niemand der uns störte.

Die Idee war wunderbar gewesen. Dessen war er sich bewusst.
Trotz der dunklen Nacht hatte sie den Weg hierher gefunden, ans Ende der Welt war sie für ihn gekommen. Er lächelte in sich hinein, als er durch die milchig angelaufenen Scheiben des Anwesens dem Mädchen dabei zusah, wie sie verängstigt dem Weg zu dem Haus folgte.
Es war so schnell gegangen, sie war sein Mädchen. Das eine nach der er gesucht hatte, das eine Mädchen unter hunderten.
Er entfachte ein Streichholz und entzündete die letzten Kerzen, die er in all den Jahren aufgestellt hatte. Dann verließ er das Haus, blieb in den Schatten und wartete. Sie würde gleich da sein.
Er hatte gesagt hier könnte man sich treffen, hier wäre es einsam, hier wäre man allein. Er hatte die Stille beschrieben, die hier herrschte, wie romantisch es doch wäre. Es wäre eine besondere Zeit zu zweit....
Kiesel knirschen unter ihren Absätzen, die hatte sich herausgeputzt. Ein wunderschönes Kleid wehte unter der Jacke hervor, ihre durch den Wind zerzauste Frisur hatte sicher Ewigkeiten gebraucht um sie zu machen und sie war aufwändig geschminkt. Angsterfüllt sah sie sich um, kramte dann in ihrer Tasche. Doch sie würde feststellen, hier gab es kein Netz, keine Telefon. Keine Menschenseele.
"Verdammt" zischte sie und sah sich um, als er beschloss sie in Empfang zu nehmen. Er benutzte öffnete die quietschende Pforte und trat aus den Schatten.
"Komm rein Süße..." Sie war erschrocken, fast panisch zusammengezuckt, doch hatte sie sich beruhigt als sie ihn sah. Sehr gut.
"Hey..." für einen Moment verarbeitete sie ihren Schrecken, geduldig wartete er auf sie. Er war da, sie würde zu ihm kommen wenn sie Nähe oder gar einen Beschützer suchte. "Ich..." setzte sie zum sprechen an, doch schien nicht genau zu wissen was sie sagen sollte. Die Szenerie der Villa hatte sie beeindruckt, offensichtlich war sie verängstigt, doch froh darüber, dass er nun bei ihr war. "Komm einfach mit" sprach er mit weicher, warmer Stimme auf sie ein und übernahm bereitwillig die Rolle des Beschützers. Vorsichtig legte er seinen Arm um ihre schmalen Schultern und zog sie leicht an sich.
Er passierte mit ihr die alten Löwen, ein Deja Vu einer längst vergangenen Nacht.
Das Mädchen entspannte sich, schmiegte sich an ihn, ihre Atmung beruhigte sich und er konnte sich nach Innen führen. Die vielen Kerzen zauberten ein Lächeln auf ihre Lippen, sie war geschmeichelt, tief berührt von der Mühe die er sich gegeben hatte. Ein schwärmerischer Ausdruck trat in ihre Augen während sie all die Lichter bewunderte. "Rot wie die Liebe..." lächelte Jonathan als er ihrem Blick folgte. Nein. Rot wie das Blut.
Ihre Absätze klackten auf dem glatten Steinboden, wie schon Jahre zuvor, alles erleuchtet im flackernden Schein unzähliger Kerzen. Die Rose in seinem Knopfloch zerfiel zu Staub als sie sich von ihm löste. Es war Zeit.
"Ich hab ein Geschenk für dich, meine Süße..." Jonathan griff in seine Tasche. Seine Hände schlossen sich um den kalten Griff, kaltes Metall wie immer. Der einzige Weg. Sie war sein. Das Mädchen schloss die Augen, sie lächelte, wollte geküsst werden und erwartete das Geschenk. Endlich waren sie allein.
Endlich niemand der sie störte.

-Saylth

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