Kapitel 1

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Lange starrte ich mich in dem riesigen Badezimmerspiegel an. Meine Haare waren komplett geglättet, und fielen wie Stöcke über meine Schultern. Das enge Kleid lenkte meinen Blick sofort auf meine Speckansätze an den Hüften, und im Gesicht sah ich aus als wäre ich in Abdeckpuder gefallen.

Ein weiterer Geschäftsessen von Dad's Arbeit, bei dem ich in das perfekte-kleine-Familie-Schema hineingepresst werden musste, also hatte Mum mein Aussehen höchstpersöhnlich übernommen. Bei so einem wichtigen Anlass durften die Überreste meiner krankhaften Akne, meiner widerspenstigen Haare und die ausdruckslosen, leeren Augen natürlich nicht im Weg stehen.

Am liebsten hätten sie mich wahrscheinlich gar nicht mitgenommen, aber anscheinend machte mein Vater einen guten Eindruck wenn er sein junges Töchterchen mit kurzem Kleid anschleppte. Hatten die ganzen hohen Bosse schön was zum gaffen. 

Ich verstand noch immer nicht warum sie sich nicht eine zweite Tochter angeschafft hatten, eine, die vielleicht nicht so missraten wäre. Oder einen angagierten Sohn, der später die Nachfolge für seinen Vater antreten konnte. Meine Mutter müsste nicht mal riskieren durch die Schwangerschaft fett zu werden, sowas konnte man doch sicher adoptieren.

Vorsichtig schob ich mit einer Hand das Ende des neuen Kleides hoch. Es ging nur knapp bis zu den Anfang meiner Verletzungen, was meiner Mum gar nicht zu passen schien. Sie würde mir wahrscheinlich den ganzen Abend am Hacken hängen, um sicher zu gehen das alles sitzt, und ich nicht auf den Tisch springe, meine Narben zeige und 'Schaut her, meine abgefuckte Familie ist gar nicht so perfekt!' schreie. Was die eigene Mutter einem nicht alles zutraut. Ich würde nicht einmal bis auf den Tisch klettern, ein Stuhl reicht mir vollkommen aus.

"Abeygaile! Werd' fertig!"

Ich zuckte zusmamen bei der gereizten Stimme meines Vaters. Schnell zog ich das Kleid wieder zurecht, nahm mein Handy vom Waschbecken und sprintete die Treppe hinunter. Dad war genervt, und das war keine passende Gelegenheit für eine Vater-Tochter-Diskussion.

[...]

Das gleiche Restaurant. Der gleiche reservierte Tisch. Die gleichen wartenden Leute. Die gleiche Begrüßung.

"Ach, Hunter, sehr erfreut. Mit Familie, sieh an! Setzen Sie sich doch."

Ich musste mich jedes mal zusammenreißen nicht laut los zu prusten. 'Mit Familie, sieh an'? 'Familie' kommt schon seit Jahren fast jeden zweiten Monat mit zu diesem Geschäftsessen, und 'Familie' scheißt auf Ihr 'sieh an'.

Diesem alten Sack das ins Gesicht zu sagen und ihn auszulachen wäre nicht einmal das Problem gewesen, die unzähligen male bei denen er mich auf diese brechreizerregende Art und Weise angeschaut hat, warteten noch auf ihre Rache. Aber nicht jetzt. Und nicht heute. Und schon gar nicht mit meinen Eltern an meiner Seite, die mich ohne Umschweife enterben würden.

Wir setzten uns auf unsere Plätze der unausgesprochenen Sitzordnung. Meine Mutter hatte mich nur verständnislos angestarrt als ich ihr von meiner Theorie mit der Sitzordnung erzählt hatte. 'Das ist doch völliger Unsinn!' Klar, wir sitzen jedes mal gleich, und das einzigste mal bei dem sich jemand getraut hat mit seiner Frau einen Stuhl weiter links zu sitzen, wurde er zurück auf seinen normalen Platz gescheucht. Purer Zufall.

Ich griff nach meinem Stuhl um mich neben meine Mutter zu setzen, aber ehe ich dazu kam, wurde er bereits zurück geschoben, und mir mit einer einladenen Handbewegung deutlich gemacht mich zu setzen. Ich fakte mein bestes ich-hätte-das-alleine-nie-hinbekommen-Lächeln, und zog schnell mein Kleid zurecht, das eine einzelne Verletzung sichtbar gemacht hatte.

"Hemmings, da hast du ja einen richtigen Gentleman großgezogen!"

Und schon fingen wieder die Standart-Themen an...

Never wanted to be rescued (5sos FanFiction)Where stories live. Discover now