Kapitel 19: Der blaue Vogel

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P.o.V Floid:

Jetzt, wo ich es wusste, ergaben einige Situationen auch Sinn. Wofür sie verschreibungspflichtige Medikamente nahm, warum sie ihr Board kaum benutzte und weshalb sie keinen Sport in der Schule mitmachte. Zudem versuchte sie immer ruhig zu bleiben und war an manchen Tagen durchgehend müde. Wenige Sekunden später, riss mich Dr. Schulte aber wieder aus meinen Gedanken. "Aber ich möchte Ihnen noch einen Rat mitgeben, Herr Mundt. Behandeln Sie Lia bitte so, als ob sie diese Krankheit nicht hätte. Für eine junge Frau wie sie gibt es nichts schlimmeres, als mit Samthandschuhen angefasst zu werden.", sagte er und erhob sich wieder. "Haben sie noch weitere Fragen an mich?" Ich schüttelte den Kopf. "Nein, das wäre alles. Vielen Dank.", bedankte ich mich und verließ nach einem Händeschütteln das Behandlungszimmer. 

Die Autofahrt zurück umhüllte uns eine unangenehme Stille. Sie wusste, dass ich nun ihr Geheimnis kannte. Zumindest schien es so, als ob sie sich bereits denken könnte, warum ich ihren Arzt sprechen wollte. In der Wohnung angekommen, ging Lia sofort in ihr Zimmer zurück. Etwas langsamer folgte ich ihr und blieb im Türrahmen stehen. Sie zog sich ihre Jacke hastig aus und wühlte in ihren Malsachen herum. "Warum hast du es mir verheimlicht?", fragte ich sie direkt. Augenblicklich hörte sie kurz auf zu wühlen. "Eine Gegenfrage: Wärst du dann auch so übervorsichtig wie die Anderen, wenn du es gewusst hättest?", gab sie zurück. Ich zuckte mit den Schultern. Leider musste ich zugeben, dass es wahrscheinlich so gewesen wäre. "Typisch...", murmelte sie und kramte weiter. Es war tatsächlich das erste Mal, dass ich Lia so erlebte. Sie traurig zu sehen, war man leider gewohnt. Sie lachend und fröhlich zu sehen, war seid ein paar Wochen auch schon der Fall. Doch aufgebracht und wütend... "Aber um auf deine Frage zurück zu kommen-", setzte sie noch hinzu, "Ich habe so gehandelt, um nicht wie eine Porzellan-Puppe behandelt zu werden." "Ich weiß.", sagte ich, trat nun ins Zimmer ein und schloss hinter mir die Tür. Erneut hörte sie auf in ihren Sachen zu wühlen und setzte sich seufzend auf ihr Bett. Ich setzte mich zu ihr und lies sie erzählen. "Immer heißt es, dass ich für dies und das nicht die nötige Kraft und Ausdauer habe. Ich darf so gut wie nichts machen! Kein Sport, keine Konzerte oder andere Events. Meine Güte, eigentlich dürfte ich nicht einmal Longboard fahren! Es ist einfach nur scheiße anders als andere behandelt zu werden. Als ob man jeden Moment zerbrechen würde. Es nervt mich einfach nur." Während ihrer Ausschweifungen, drehte sie die ganze Zeit an ihrem silbernen Ring herum, welchen sie wie jeden Tag als einzigen Schmuck trug. "Wie lange hast du diesen Lungenhochdruck denn schon?", fragte ich sie. "Festgestellt wurde es, als ich gerade erst elf Jahre alt war.", antwortete sie.

Danach kehrte die unangenehme Stille zurück. Also versuchte ich, das Thema zu wechseln, als mein Blick auf den kleinen, blauen Vogel fiel, welcher am unteren Ende des großen Wandgemäldes saß und noch immer verträumt zu seinen anderen gefiederten Freunden aufsah. "Sag mal, wie bist du eigentlich auf BlueBird gekommen?", fragte ich daher aus heiterem Himmel. Sie lächelte kurz auf. "Wie kommst du denn jetzt darauf?" "Ich wollte das Thema wechseln. Also?" Sie seufzte erneut. "Na schön...", sagte sie und begann zu erzählen.

"Meine leiblichen Eltern haben sich sehr im Tierschutz organisiert. Meine Mutter hat, neben ihren Job als Tierärztin, noch ehrenamtlich im Tierheim gearbeitet und mein Vater war Journalist und hat viel über Umwelt- und Tierschutzthemen geschrieben. Im Herbst vorletzten Jahres hat die Polizei einen illegalen Tiertransport aufgedeckt. In dem Laster waren mehrere Dutzend Wildvögel aus Nordamerika. Man wollte sie an Zoos und Privathaushalte verkaufen. Mein Vater hatte darüber einen Artikel verfasst und in dem Tierheim, indem meine Mutter ehrenamtlich gearbeitet hat, ist ein Teil der Vögel untergebracht worden. Ich bin einmal mit meiner Mutter ins Tierheim gefahren, weil ich mir die Vögel unbedingt mal ansehen wollte. Tja und zwischen diesen Vögeln, stach das blaue Gefieder eines Berghüttensängers hervor." Lia machte eine kleine Pause bevor sie weiter redete. "Da niemand wusste, was man nun mit so vielen Vögeln anstellen sollte, wurde ein Teil der Vögel zurück in ihre Heimat gebracht und der andere tatsächlich auf umliegende Tierheime und Zoos verteilt. Dennoch herrschte in diesem Tierheim Platzmangel für die ganzen Vögel. Da meine Tante aber über ein großes Vogelhaus verfügte und sich gut mit Vögeln auskannte, nahm sie einige bei sich auf. Unter ihnen war auch der blaue Vogel. Ich und meine Geschwister hatten uns sofort in ihn verliebt. Eine meiner Schwestern wollte unbedingt, dass er Prinz heißt." Sie lächelte und schien sich noch genau an diesen Moment zu erinnern. Doch dieses Lächeln verschwand schnell. "Nichtmal ein halbes Jahr später sind er und ein paar andere Vögel entflohen."
Wieder verweilten wir in kurzes Schweigen, bis Lia als erste das Wort ergriff. "Tja, es ist zwar keine besonders aufbauende Geschichte, aber egal. Dein Ablenkungsversuch ist dir aber geglückt.", sagte sie mit einem leichten Lächeln auf den Lippen.

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Ja, dieses Kapitel ist tatsächlich keine Meisterleistung. ^^' Doch das ist gerade unser kleinstes 'Problem'. Denn ich habe ja soweit schon alle Kapitel fertig geschrieben und sind es nur noch, mit Danksagung und Epilog, noch 5 Kapitel, bis das Buch beendet ist. Ich wollte euch nur schon mal davon in Kenntnis setzen, damit ihr euch seelisch auf das Ende vorbereiten könnt.
Trotzdem noch einen 'schönen' Montag und bis nächste Woche. ;)

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