Fünf nach sechs. Sie waren zu spät. Mal wieder. Seufzend ließ ich meine Taschenuhr zuschnappen und drehte eine der Billardkugel in der Hand umher, als ich eine bekannte Stimme hörte. Emmet schlenderte auf mich zu und lehnte sich entspannt an den Billardtisch. "Entschuldige meine Verspätung, aber der Verkehr ist grauenvoll. ", sagte er und fuchtelte noch ein wenig mit den Händen. "Wo sind Dan und Amy?", fragte ich und drehte mich der Form halber suchend um. "Oh, das weiß ich nicht. Ich dachte, sie wären längst da." Entnervt stöhnte ich auf.
"Ach lass die beiden Turteltauben doch. Ich glaube er ist ernsthaft verliebt, da vergisst man schon mal die Welt um sich herum. Du kannst es ihm doch nicht übel nehmen", sagte Emmet mit einem neckischen Grinsen. "Na komm, die Partie spielen wir zu zweit, oder hast du Angst, allein gegen mich zu verlieren, du Spießer?!" Emmet hatte die wunderbare Eigenschaft, aus den schrecklichsten Situationen, eine gute Stimmung hervorzuholen. Grinsend stand ich auf. "Wie kannst du da so sicher sein, wo du doch fast immer verloren hast, huh?", "Oh, Monsieuer sind auf einen Wettstreit aus, ja? Nun dann müssen Monsieuer leider feststellen, dass sich die Billardkünste meinerseits deutlich gebessert haben und Monsieuer keine Chance haben", sagte er und nahm sich einen Queue, positionierte sich und sah mich herausfordernd an. "Na los Logan, trete deinem Meister gegenüber!", grinste er. "Das wollen wir doch erstmal sehen.", grinste ich zurück und wandte mich an einen der Kellner. "Bringen Sie uns bitte ein paar Cola Baccardi." Wieder an Emmet:"Gib mir die Gelegenheit, mich an deinem gescheiterten Versuch, mich zu besiegen, zu ergötzen."
◇
Diverse Partien, einige Wortgefechte und unzählige Gläser des Baccardi später, sahen wir schließlich ein, dass es keinen eindeutig besseren Spieler gab. Hatte einer gewonnen, so gewann die nächste Partie der andere und immer so weiter. Sturz betrunken zahlten wir die horrende Rechnung, aber der Preis war uns völlig egal. Emmet rief nach seinem Chauffeur und begrüßte ihn grölend, worauf ich in schallendes Gelächter ausbrach. Wankend versuchten wir uns zu verabschieden, da wir uns aber immer an den Tischen oder Stühlen festhalten mussten, musste ein beherztes Schulterklopfen reichen. Der Chauffeur hievte Emmet halb ziehend, halb tragend nach draußen, was mich wieder auflachen ließ.
Seufzend trank ich den letzten Schluck Baccardi aus. Schließlich wankte ich Richtung Tür und kramte murmelnd in meiner Jacke. Draußen goss es kübelweise vom Himmel herab und durchnässte mich in kürzester Zeit. Als ich endlich erleichtert das Handy aus der Tasche gefischt hatte, versuchte ich verzweifelt, mich an meinen Code zu erinnern. Nicht all zu leicht im besoffenen Zustand. Frustriert warf ich das Teil vor mich, genau in eine riesige Pfütze. Ich fluchte lautstark und musste feststellen, dass es nun gar nicht mehr zu gebrauchen war. Elendes Drecksstück, dachte ich und pfefferte es gegen die Mauer eines der Häuser an der Straße. Dann halt nicht! Es war mitten in der Nacht, es schüttete eimerweise, ich war mehr als angetrunken, konnte Dwoyn nicht erreichen, da das Handy Schrott war und war trotz meiner Trunkenheit zu stolz, um wieder umzukehren und nach einem Telefon zu fragen.
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Wo verflucht war doch gleich die Hauptstraße? Ich stolperte sicher seit einer halben Stunde durch die Gassen der Metropole und hatte meinen Orientierungssinn verloren.
Wenn es einem scheisse geht, soll man an die frische Luft und sich etwas bewegen. Jaja, schon klar. Nur leider macht das einen auch nicht in geringster Weise nüchtern. Meine Klamotten klebten an meiner Haut, meine Haare hingen triefend vor meinem Gesicht und es machte bei jedem Schritt ein matschendes Geräusch in meinen Schuhen.
Plötzlich sah ich ein Pärchen, dass lachend unter einem Regenschirm durch die kaum beleuchteten Strassen ging. Stark schwankend ging ich auf sie zu. "Allohh?! Kinn's m'hlfen?", lallte ich lautstark. Die Frau schaute erschrocken und der Mann legte seinen Arm beschützend um sie. "Verschwinden Sie!", brüllte er mich an und ging mit der Frau schnell weiter, sodass sie irgendwann außer Sichtweite waren. Ich wollte ihnen noch etwas hinterherrufen, ließ meinen Arm jedoch wieder hängen. Wütend auf diese ignoranten Spießer drehte ich mich um und schnellte in einen Pfahl dieser Beleuchtungsstangen. Überrascht jaulte ich vor Schmerz auf und krümmte mich, während ich mir den Kopf hielt. Verdammte Laterne! Verdammte Leute! Verdammter Baccardi! Vor Ärger über meine eigene Dummheit, trat ich mit aller Kraft nochmal gegen diese schrecklich widerstandsfähige Laterne und hatte das Gefühl, dass mir nach und nach jeder Knochen im Bein brach. Entsetzt brüllte ich auf und ließ meinen Frust, diesmal mit Schimpfwörtern, an dieser verdammten Laterne aus und beschimpfte sie aufs übelste. Irgendwann sah ich ein, dass es keinen Sinn hatte und wandte mich ab.Völlig erschöpft lehnte ich mich an die Außenwand eines Kleidungsgeschäfts. Im Inneren war es natürlich stockfinster, aber durch die Straßenbeleuchtung, konnte man die ausgestellten Kleiderpuppen betrachten. Beim Anblick eines orangenen Kleides mit marineblauer Stola verzog ich angewiedert das Gesicht. "Wie k'nnst'n swas ansiehn, huh?!", blökte ich die Plastikdame an, die mich aber ignorierte und weiter vor sich hinstarrte. "Du v'snobtse 'hre solls mi g'wälligs andworden!!", schrie ich sie an und hämmerte gegen die Scheibe, doch überheblich, wie diese Kunststoffpüppchen nun mal sind, schenkte sie mir weiterhin nicht die geringste Beachtung. So stand ich da. Stützte mich mit beiden Händen an der Scheibe ab, völlig durchnässt, sturz besoffen, hatte Angst, dass mich die Übelkeit übermannte und starrte die Plastikpuppe wütend an. Muss ein herrlicher Anblick gewesen sein.
Da bemerkte ich plötzlich eine Bewegung, irgendwo hinter den Puppen. Verwirrt zog ich die Augenbrauen zusammen. Da war jemand. Wohl jemand, dem es egal war, ob man ihn sieht oder nicht. Seltsam. Per Telepathie versuchte ich die Person näher ans Fenster zu bringen und musste wieder frustriert feststellen, dass das nicht funktionierte. Viel konnte ich nicht erkennen, aber es bewegte sich komisch. Mehr wie ein Tier, als ein Mensch es könnte. Bei genauerem Hinsehen, sah es auch nicht so richtig, wie ein Mensch aus. Dieses schemenhafte Etwas hatte seine Arme vor sich, wie ein Raubtier, dass seine Beute damit fängt. Muss wohl irgend so eine Art optische Täuschung sein, die die Kundschaft anlockt oder so. Witzig. Es sah so real aus. Schließlich wurde die Kreatur doch besser beleuchtet. Sehnige Muskelstränge waren an den überlangen Gliedmaßen zu erkennen und die Haut war eher gräulich und fast transparent. Eklig. Alles was ich erkennen konnte, waren seltsam lange Fangzähne. Aber wie genau das Gesicht aussah, konnte ich nicht sagen, dafür war mein Spiegelbild immer im Weg.
Spiegelung.
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Marrya
Fantastik"Gestalten huschten durch die Straßen. Fast transparente Körper, die sich wie Geister durch die Massen bewegten. Ihre Bewegungen ähnlich einer Katze. Und doch fast menschlich. Und er sah sie." ◇ "Du solltest nicht hier sein.", "Warum?", "Wenn sie d...