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Das Erwachen.
Es ist wie ins-Leben-gerufen-werden.

Ganz langsam beginne ich meinen Körper zu spüren. Ein Prickeln durchläuft mich und ich spüre jede Faser einzeln. Das Denken setzt ein und mit ihm eine Sintflut von Eindrücken. Zunächst läuft es noch ganz langsam ab. Das Prickeln lässt nach und ich spüre zum ersten Mal meinen Körper. In einem zitternden Impuls bewege ich mich, und fühle mich eingeengt. Etwas stimmt nicht und ich will dieses Gefühl abschütteln. Noch einmal versuche ich mich zu bewegen und merke wie der Druck an einer Stelle nachlässt.
Ich verwende meine volle Aufmerksamkeit drauf, freizukommen. Als es mir schließlich gelingt, kann ich mich kaum mehr bewegen. Erschöpft hole ich zum ersten Mal Luft und meine Lungen füllen sich. Ich zittere schrecklich.

Nach einigen Momenten läuft das Atmen wie von allein und ich entfalte meinen Körper vollständig.

Ich schüttele den Hals frei vom Schleim des Eies spreize die Klauen, entrolle den Schwanz zu voller Länge, wische mir mit den zarten Vorderklauen Schleim aus dem Gesicht und schnaube vorsichtig durch die Nüstern.
Als ich schnaube, höre ich mein eigenes Ausstoßen der Luft und wiederhole es.
Doch, da. Ich kann hören

Im Hintergrund höre ich noch andere Geräusche, doch meine Aufmerksamkeit wird schon wieder gefesselt, als ich Luft durch die Nüstern einsauge. Ich rieche etwas. Es muss in der Nähe sein. Wieder schnuppere ich und fühle plötzlich etwas in meiner Bauchgegend. Es hängt mit dem zusammen was ich rieche und höre.

Dann öffne ich vorsichtig die Augen und blinzele aufgrund der Helligkeit und Intensität der Eindrücke, die nun auf mich einströmen. Formen, Farben.

Wieder rieche ich etwas ganz in der Nähe und sehe dass der Geruch von etwas kommt, das vor mir liegt. Es ist rot und riecht sehr verlockend.

Einem tierischen Instinkt folgend, öffne ich das Maul und beiße in das Fleisch vor mir. Ich reiße Brocken aus dem Kadaver und schlucke sie gierig hinunter. Salziges Blut füllt meinen Mundraum und ich mache immer weiter. Es erweckt all meine Sinne.

Nach einer Weile des Fressens verschwindet das unangenehme Gefühl. Zufrieden lege ich meinen Kopf auf den Boden, rolle den Schwanz um mich herum, ziehe die Beine nah an den Körper und lasse die gespaltene Zunge zufrieden aus dem Maul hängen.

Kaum dass ich die Augen geschlossen habe, übermannt mich der Schlaf mit Macht.

ErwachenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt