1.

15.4K 296 11
                                    

 Einen weiteren Tag ganz normal verbracht.
'Normal'... Was heißt das eigentlich? Ein Tag voller Schmerz, Freude, Trauer, Hass, Liebe, Gefühlswirrwarr? Ist das normal?! Das war doch früher nie so! Früher hatte er dieses Gefühlschaos einfach nicht. Er wusste nicht einmal, dass er jemals in dieses Chaos hinein geraten konnte. Vor allem nicht bei dieser Person, nicht wegen der Person.

Nicht wegen seinem besten Freund.

Nicht wegen Taddl.

Nun liegt er wieder in seinem Bett, Ardian Bora.

Taddls Brudi.

Sein bester Brudi.

Und doch bedeutete ihm der Blauäugige so viel mehr...
Taddl wusste nicht, dass Ardy schwul war. Vor ein paar Monaten wusste er es ja nicht mal selbst!
Irgendwann... Nach so langer Zeit... Es war irgendwie schon immer da, dieses Kribbeln, wenn der Blonde in seiner Nähe war. Es war nur nicht so stark und konnte nicht wirklich in diese Kategorie eingeordnet werden.
Die Kategorie 'Verliebt-sein'.
Für ihn war es mehr als ein bloßes 'Verliebt-sein'. So stark war dieses Gefühl noch nie zuvor. Taddl ist die wichtigste Person in seinem Leben.
Ohne ihn würde er durchdrehen.
Genauso, wie er es mit ihm tut.
Wieder liegt er mitten in der Nacht in seinem Bett und denkt über ihn nach.
Wieder eine schlaflose Nacht.
Wieder denkt er nur an ihn.
Wieder sind diese Gedanken keinesfalls schön.
Er hat Angst.
Riesige Angst.
Angst, er würde Taddl verlieren, er würde ihn abstoßend finden, sich über ihn lustig machen, die Freundschaft kündigen, ihn für immer verlassen.
Und das ganze geht bereits seit ein paar Monaten so.
Taddl hat dies natürlich bereits mitbekommen, doch jedes Mal, wenn der Blonde ihn darauf ansprach, blockte Ardy ab.
Diese Angst machte ihn kaputt, zerstörte ihn Stück für Stück, doch er wollte seinen Brudi um keinen Preis verlieren.
Er würde lieber sterben.
Ein Leben ohne Taddl war für ihn unvorstellbar geworden.
Und er wusste, dass diese Gefühle niemals erwidert wurden.
Taddl war hetero.
Irgendwann schlief er doch ein. Es war ein unruhiger Schlaf. Erneut einer dieser fürchterlichen Albträume, nach denen er immer schreiend und schweißnass aufwachte, senkrecht im Bett saß, nur um zu sehen, dass Taddl neben ihm in seinem Bett sitzt.
Er schaute ihn von unten voller Angst und Tränen im Gesicht an. Seine Augen waren rot, geschwollen und von tiefen Augenringen umrandet, welche den Schlafmangel der letzten Monate zeigte.
Sein Hals schmerzte, er bekam kaum Luft und die Angst verschwand einfach nicht.
All die Sorgen blieben bestehen.
Er umarmte seinen Liebsten stürmisch, krallte sich in seinem Rücken fest, vergrub den von Gedanken schwer gewordenen Kopf in seiner Halsbeuge und weinte.
Er weinte einfach, schluchzte und ließ seinen Tränen freien Lauf.
Seine Kehle war wie zugeschnürt, es fühlte sich an, als würde er ersticken, es brannte, wenn er atmete, er zitterte wie Espenlaub im Wind und es schmerzte in seiner Brust.
Taddl saß nicht immer an dem Bett.
Viel zu oft unterdrückte der Ältere diesen Schmerz, wollte nicht so gesehen werden, nicht von Thaddeus.
Das war in der ganzen Zeit erst das vierte Mal, dass Taddl hier saß, ihn mit diesem besorgtem Gesicht anschaute, was ihm das Herz brach.
Er wollte nicht, dass Taddl traurig war. Er hätte ihm gerne alles gesagt, wollte den Jüngeren nicht immer anlügen, doch die Angst, ihn für immer zu verlieren, war zu groß.
Nun saß er ganz nah an dem Mann, den er so sehr liebte, weinte sich die Seele aus dem Leib und war mit den Nerven am Ende.
Wieso konnte nicht alles wie früher sein? Musste er sich ausgerechnet in Taddl verlieben? Wieso konnten sie keine besten Freunde bleiben, warum tat das so weh, wieso nur ist das alles so kompliziert?!
Dem Braunhaarigen wurde übel.
"Mein Gott, Ardy! Was ist los mit dir, Mann?!", wollte Taddl besorgt wissen. "Was sind das für Albträume?! Verdammt, rede doch endlich mit mir!"
Doch er schwieg und schmiegte sich mehr an den Größeren heran, als dieser ihn von sich wegschieben wollte um ihm in seine Augen schauen zu können.
"Bitte geh nicht!", wisperte der Kleinere und krallte sich mehr an Taddl fest, so dass es ihm fast an den Händen und seinem Liebsten im Rücken weh tat.
Taddl bekam ebenfalls Angst. Irgendwas stimmte nicht mit seinem besten Freund und er wollte ihn nicht so leiden sehen, wollte, dass es ihm gut ging, dass sie rumalberten, wie früher, doch er distanzierte sich immer mehr von ihm.
Er drückte das kleine Häufchen Elend näher an sich, flüsterte beruhigende Worte, mit seiner wundervollen Stimme und streichelte behutsam über seinen Rücken.
Nach einiger Zeit beruhigte sich Ardy wieder und als er sich aus den Armen von Taddl befreien wollte, wurde er jedoch zurückgehalten.
"Ich will endlich wissen, was mit dir los ist.", verlangte Taddl bestimmt, dennoch sanft, da er nicht wollte, dass der Ältere wieder abblockt.
Stille.  


Tardy-OS (Lemon)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt