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Als ich sehe, wie er einfach ganz gelassen zur Eingangstür läuft, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, halte ich ihn schnell zurück. „Bist du verrückt?", flüstere ich aufgebracht. „Du willst einfach durch den Haupteingang reingehen?"
„Was denn sonst?" Er lacht. „Ich kann hier herkommen, wann ich möchte."
„Bei irgendwelchen Problemen, zum Beispiel einem Rohrbruch, aber doch nicht einfach mal so!"
„Honor, beruhig dich", sagt er jetzt genervter. „Wir werden einfach ganz normal das Hotel betreten und du wirst dich nicht anstellen, als tun wir hier irgendeine Scheiße."
Nervös sehe ich von ihm zu dem Eingang. „Normalerweise tue ich so etwas eben nicht. Ich will echt keinen Ärger bekommen."
Mit rollenden Augen entzieht er sich mir und geht einfach zum Eingang.
Zögernd folge ich ihm. Das kann nur eine schlechte Idee sein. Ich komme mir vor, wie ein Rebell, obwohl ich das doch gar nicht sein will. Harry ist ein Rebell, ich bin nur ein kleiner Anhänger, der all das in Kauf nimmt, um in seiner Nähe sein zu dürfen.
Doch tatsächlich betreten wir einfach ganz normal das Hotel, gehen an der Rezeption vorbei und laufen dann durch die Flure, die totenstill sind. Ich folge Harry in einem Abstand von zwei Meter und beobachte seine Füße, die vor mir herlaufen.
Ich kann nicht vermeiden, dass mein Herz unglaublich pocht und ich mich jedes Mal umsehe, wenn ich von irgendwo ein Geräusch höre, denn uns könnten auch sofort die Nachtwächter erwischen. Und ob sie zulassen, dass wir hier einfach mal umherlaufen, ist eine andere Sache.
„Du willst das wirklich tun?", flüstere ich Harry zu, als wir vor der Eingangstür der Veranstaltungshalle stehen und er einen Schlüssel aus seiner Hosentasche kramt.
Er zieht ihn heraus und steckt ihn in die Tür. „Du kneifst?"
„Ich weiß nicht", gebe ich zu und kaue mir nervös auf der Lippe. „Ich habe einfach Angst ..."
Mit einem beinahe sanften Gesichtsausdruck, sieht er zu mir herab und schließt die Tür auf. „Keine Angst. Es wird dir nichts passieren."
Ich atme tief durch und vertraue seinen Worten. Eigentlich wäre es mir lieber, wenn er sagt, dass uns nichts passiert, aber trotzdem beruhigen mich seine Worte doch enorm. Früher wäre es ihm egal gewesen, wenn ich mir Gedanken um so etwas gemacht hätte und wahrscheinlich hätte er dann noch einen Spruch abgelassen, der mir noch mehr Angst gemacht hätte, doch heute ist es anders. Heute vertraue ich ihm.
Wir betreten die dunkle Halle und Harry schließt die Tür wieder hinter uns zu. Er steckt danach den Schlüssel in den Stromkasten an der Wand und danach knippst er zwei Schalter um, wodurch nur die große Bühne vor beleuchtet wird.
Der weiße Flügel steht dort oben, für die Unterhaltung der üblichen Gäste. Doch heute wird es wohl unsere alleinige Unterhaltung sein. Es ist kühl hier in der Halle, doch wärmer als draußen, weswegen es die Tatsache, dass ich ein Kleid trage, angenehmer macht.
„Komm", sagt Harry und nickt zur Bühne, während er schon darauf zugeht.
Ein letztes Mal atme ich tief durch. Es ist unfassbar, was hier gerade passiert. Harry will mir bei meinen Klaviersonaten helfen. Gott, wer hätte das gedacht? Zwar weiß ich noch immer nicht, wie er mir dabei helfen will, doch ich bin mir sicher, dass er es kann. Er könnte bei allem helfen, solange er einfach anwesend ist.
Schwermütig folge ich ihm auf die Bühne und ich betrachte den weißen Flügel genauer. Ich habe noch nie darauf gespielt, obwohl es mich oft an meinen Arbeitstagen in den Fingern gejuckt hat, es mal auszuprobieren. Der Flügel ist ein absolutes Prachtstück und sollte eigentlich nur von Engeln gespielt werden, weil er so weiß und schön ist.
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Remember His Story
Fanfiction"Sie wünschte sich manchmal, sie könnte seine Gedanken lesen. Doch dann fragte sie sich, ob sie mit der Wahrheit leben könnte." In Honors Grundschulzeit gab es einen Jungen, an den sie sich ewig erinnern würde. Er war anders, als die anderen Jungs...