Vor mir lag eine weite Wiese. Eine laue Briese verwuschelte mir meine kurzen, braunen Haaren. Lachend rannte ich einem Schmetterling hinter her, der mir immer um einen Millimeter entwischte. Ich sprang höher und höher, rannte schneller und schneller, aber immer flog er einen Haken und war somit wieder unerreichbar.
„Er muss gefangen werden wollen." hörte ich eine sanfte Stimme hinter mir. Irritiert drehte ich mich um, und blickte einem jungen Mädchen ins Gesicht. Ihre langen schwarzen Haare wehten im Wind, und ihre schokobraunen Augen blickten mich freundlich an. „Wie bitte?" fragte ich verwirrt, und ging automatisch einen Schritt auf sie zu. Sie wirkte eine unheimliche Anziehungskraft auf mich aus. Wie eine Fee stand sie vor mir, in ihrem weißen Sommerkleid, den langen schwarzen Haaren in denen einzelne Blüten verfangen waren und den, mit langen, dichten Wimpern umkränzten, schokobraunen Augen.
„Er wird zu dir kommen, wenn er gefangen werden will. So ist es ein hoffnungsloses Unterfangen und er wird dir immer wieder entwischen." antwortete sie ganz ruhig, mit ihrer engelsgleichen Stimme. Irgendwie glaubte ich ihr was sie sagte, aber gleichzeitig konnte ich nicht einfach aufgeben.
Doch als der Schmetterling immer weiter aus meinem Sichtfeld verschwand, und ich nur noch einen kleinen blauen Punkt von ihm sehen konnte, rang ich mich durch und öffnete den Mund.
„Aber wie kann ich das schaffen?" fragte ich verzweifelt.
„Ruf ihn. Wenn er kommen will, wird er kommen" lächelte sie mit einer solchen Selbstverständlichkeit, als würde sie das jeden Tag machen.
Aber tatsächlich. Der kleine blaue Schmetterling kam, als hätte ich ihn gerufen. Sanft landete er auf meinem Finger und flatterte ruhig mit den Flügeln. So als hätte er gar keine Angst.
Als ich die Hand ausstrecken wollte, um seine zarten Flügel zu berühen, schrie das Mädchen laut. Es hörte sich fast an, als würde ihr etwas weh tun.
„Nein! Fass ihn nicht an! Er muss frei sein! Jeder Schmetterling ist ein Wesen wie du und ich, aber dennoch haben sie einen ganz besonderen Zauber, denn sie haben eine Elfenseele. Wenn du sie berührst stirbt die Elfe, und der Schmetterling wenige Tage später auch."
Ihre Augen waren weit aufgerissen, und sie blickte mich bittend und ängstlich an.
Unsicher blickte ich auf den kleinen, zarten Schmetterling in meiner Hand... Was wenn sie Recht hatte? Und tatsächlich jeder Schmetterling eine Elfe war?
„Lass ihn wieder fliegen." bat sie mich. Und ich konnte nicht anders, als ihr den Wunsch zu erfüllen.
Langsam hob ich meinen Arm auf Augenhöhe, blickte den Schmetterling noch einmal an, und pustete ihn dann sanft, mit dem nächsten Windhauch weg.
„Flieg kleiner Flügelbote." murmelte ich.Und der nächste Windhauch schien mir ein leises, sanftes Danke zu zu wehen. Ein Lächeln überzog mein Gesicht, und ich drehte mich um. Doch das kleine Mädchen war mit dem Schmetterling verschwunden.
Ich fand nur einen kleinen Zettel im Gras, auf dem stand:
Für jeden kommt einmal der Punkt, an dem er dem Wind vertrauen und seine Flügel ausbreiten muss. Für mich ist er gekommen, aber wir werden uns wiedersehen.
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Der Dachboden der Träume
Short StoryLangsam stieg sie die steilen Stufen nach oben. Sonnenlicht blitzte hier und da um Ecken und zwischen Astlöchern hindurch. Staubkörner wirbelten durch die Luft, als würden die Sonnenstrahlen eine nur für sie hörbare Musik machen. Sie musste niesen...