Des Schneeprinzen warmes Herz

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Hoch, hoch droben im tiefen Norden liegt ein Land, in dem es nie Winter wurde. Dort gab es die schönsten Sommer die man sich vorstellen konnte, ewig blaue Himmel, grüne Wiesen, strahlender Sonnenschein und immer glückliche Leute. Die Ernte fiel stehts gut aus, niemand musste unter Hunger leiden, oder gar unter Armut.
Dieses Land wurde von einem König und einer Königin regiert, welche beide sehr, sehr gütig waren. Jeder auf seine Art.
Die Königin, gehörte dem Hofstaat des Sommers an, und war eine wunderschöne, junge Frau.
Der König hingegen, gehörte dem Hof des Winters an, dennoch war er ein schöner, junger und kluger Mann.
Als die beiden sich vermählten, wurde das Reich, was vorher in einem tiefen Winter gelegen hatte, durch die Liebe der beiden neu erweckt. Der König liebte seine junge Frau so sehr, dass er jegliche Kälte, die ihr hätte schaden können, aus seinem Reich verbannte. Und so erblühte das Land in einem nie enden wollenden Sommer.

Nach einigen Jahren wünschten sich die beiden sehnlichst ein Kind, und kurz darauf wurde die Königin schwanger.
Doch während das Kind in ihr heranwuchs, griff es ihren Körper an, und schwächte sie immer und immer mehr.
Bald ward die Ursache gefunden: die Königin trug einen Schneeprinzen in sich.
Und der Sommer stößt den Winter ab.
Doch die Königin wollte lieber ihren Sohn zur Welt bringen und dabei sterben, als dass dieser niemals die Wunder dieser Welt sehen sollte.
Und so geschah das unfassbare.
An einem lauen Junitag, gebar sie ein Kind, welches die schönsten blauen Augen hatte, die man je im Königreich gesehen hatte, und die schwärzesten, dichtesten Haare.
Der König glaubte, er könnte seine Königin retten, sobald das Kind ihrem Körper nicht mehr schadete, doch kaum hatte sie ihr Kind geboren, tat sie ihren letzten Atemzug und starb.
Das Herz des Königs brach, im selben Moment in dem das Herz seiner Frau versagte, und eine eisige Kälte senkte sich über das Land. Blumen verwelkten und starben schließlich, die ganze Natur schien inne zu halten und ihren letzten Atemzug zu tun.
Die Menschen flüchteten sich in ihre Häuser, und verließen, aus Angst vor dem Schneekönig, ihre Häuser nur noch sehr selten.

Zwei Jahre später wurde ein kleines Mädchen geboren, dessen Mutter bei ihrer Geburt starb. Denn dieses kleine Mädchen, hatte, wie der Schneeprinz, Sommer und Winter in sich vereinigt.
Mit ihrem Vater, der dem Sommervolk angehörte, lebte sie in einer kleinen Hütte im nirgendwo und spielte jeden Tag draußen.
Auch wenn ihr Vater ihr verbieten wollte frei zu sein, und sie einsperren wollte, hatte dieses Mädchen vom ersten Tag, an dem sie das Licht der Welt erblickt hatte, eine angeborene Neugier, und die ließ sie vor nichts zurück schrecken.

So reiften nun zwei Kinder heran, die dasselbe Schicksal teilten und doch so verschieden waren. Weit voneinander entfernt, und nicht wissend vom anderen, wurden sie aufgezogen und erlebten die unterschiedlichsten Abenteuer.
Als nun aber der Prinz in das Alter kam, in dem man sich auf Brautsuche begab, wurde er zu seinem Vater gerufen.
„Ich bin schon alt, und müde.“ sprach der Vater, der nach dem Tod seiner Frau nie wieder Freude verspürt hatte, und fasste die Hand des jungen Knaben.
„Ich wünsche dir, dass du eine eben solche Liebe findest wie ich vor langer Zeit.“
Und so ließ der Vater einen Ball ausrichten, zu dem alle heiratsfähigen Mädchen, aus dem ganzen Reich, eingeladen wurden.

Auch das Mädchen, welches mittlerweile schon an die 18 Jahre zählte, wurde zu diesem Ball eingeladen. Doch ihr Vater war sehr besorgt um sie, er wollte sie nicht verlieren, und außerdem erzählte man nur schlechtes über den Schneekönig. Er versuchte sie zu hindern, doch das Mädchen schlüpfte Nachts aus ihrem Fenster und entkam so.
„Jetzt steh ich hier, im bitter kalten Schnee und habe kein Kleid.. “ schniefte sie vor sich hin, „Und dabei würde ich so gern den Prinzen sehen.“

Nachdem sie diese Worte gesprochen hatte, erhob sich eine Windböe, Eis und Schnee wirbelten um sie herum, und als sie an sich herab sah, erblickte sie ein Kleid, schöner als die Morgenröte.
Funkelnde, filigrane Eisblumen überzogen einen Rock aus dunkelblauer Seide, die langen Ärmel waren mit feinsten Stickereien überzogen, die im Mondlicht schimmerten, und in ihren Haaren ertastete sie weiter Eiskristalle und eine kleine Krone.
Lachend wirbelte sie herum, lief in den Stall, holte ihr treues Pferd heraus und galoppierte zum Schloss davon.

Ein schimmernder Eispalast erhob sich vor den Augen des staunenden Mädchens, und fast ein wenig ängstlich betrat sie die große Halle.
Niemand war dort, doch sie hörte Stimmen, klirrende Gläser und Lachen aus einer Tür, durch die ein dünner Lichtspalt auf den Eisboden fiel.
Schüchtern huschte sie dorthin und verbarg sich hinter der Tür. Plötzlich wollte sie nur noch reiß aus nehmen und befand sich schon im gehen, als jemand sie in seine Arme zog, und mit ihr durch die Tür, auf die Tanzfläche wirbelte.

Sie blickte in die schönsten blauen Augen, die sie in ihrem Leben je gesehen hatte, und als sie seine Stimme vernahm färbten ihre Wangen sich rot.
„Ich kann dich verstehen.“ sagte er leise, und schenkte ihr ein Lächeln, „Ich bin auch nicht gerne hier.“
Nachdem die Musik geendet hatte, verbeugte ihr Tanzpartner sich, und ging davon.
Das junge Mädchen tanzte noch viele Tänze an diesem Abend, doch selbst auf dem Heimweg wollte ihr der junge Mann nicht aus dem Kopf gehen.

Viele Monate später, der Ball war schon fast vergessen, klopfte es eines Abends an ihre Tür.
Nur mit einem Nachthemd am Leib und einer Kerze in der Hand, huschte sie durch die Flure und öffnete die Tür.
Vor ihr stand jener junge Mann, der sie auf dem Ball so verzaubert hatte.
Er beugte sich vor, küsste ihre Hand und hielt ihr einen Eiskristall entgegen.
„Ich habe überall nach dir gesucht! Dieser Eiskristall ist alles, was mir von dir blieb, als du vom Ball verschwandest.“ sprach er, und sah ihr dabei in die Augen.
„Du.. Ihr“, korrigierte sie sich hastig, „Ihr seid der Prinz.“
Unsicher knickste sie und wand den Blick gen Boden.
„Ja, der bin ich. Und ich bin durch das ganze Land gereist, um das Mädchen zu finden, dass mich verzaubert hat.“ hörte sie seine leise Stimme.
Vorsichtig hob er ihr Kinn an und als sie in seine wunderschönen blauen Augen sah, wusste sie, dass sie zusammen gehörten. Sie sah die Liebe und die Hoffnung, die darin schimmerten und noch bevor er ihr die alles entscheidende Frage stellte, wusste sie, dass sie ja sagen würde.

An dem Tag, an dem die Hochzeit der beiden prunkvoll gefeiert wurde, ging ein Beben durch die Erde, und als ihre Lippen sich berührten, schmolz all der Schnee dahin, und das Land erblühte aufs neue.
Denn der Prinz hatte seine wahre Liebe gefunden.

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