Der Maskenball der Vampire

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Hauchdünner, dunkelroter Satin schmiegte sich sanft an ihren Körper. Langsam reckte sie sich, streckte sich, schlug das weiche Federbett zur Seite und tapste auf bloßen Füßen ins Badezimmer.
Ihr schwarzer Wuschelkopf und ihre grünen Hexenaugen starrten sie aus dem Spiegel heraus an. Ein Träger ihres Nachthemds war herunter gerutscht, und grinsend musterte sie ihr veruchtes Aussehen. Ihre dunkelrot lackierten Fingernägel, schimmerten wie frische Blutstropfen auf ihrer schönen blassen Haut. Und als sie ihren Mund noch weiter öffnete erkannte man die spitzen, kleinen Eckzähne, die so typisch für ihre Art waren.

Zurück in ihrem Zimmer, holte sie den roten Morgenmantel aus ihrem Ankleidezimmer, und lief die große, breite Treppe hinunter. In der Küche nahm sie sich ein Croissant, ein wenig Honig und ein Glas Milch, und setzte sich anschließend im Esszimmer an die große Tafel.

Wenig später hörte sie leise Schritte auf der Treppe, als sie gerade ein Glas Blut zu sich nahm. Ihr Gehör war, selbst für ihre Art, sehr ausgeprägt und sensibel. Schnell stellte sie das Glas in die Spüle, wischte sich über die Lippen, wusch sich den Mund aus und setzte ein strahlendes Lächeln auf.
„Guten Morgen.“ hörte sie wenig später die rauchige Stimme ihres Vaters, und kurz darauf auch die melodische ihrer Mutter.
„Guten Morgen.“ antwortete sie, mit einer Mischung aus Rauch und Melodie in ihrer Stimme, während sie sich langsam umdrehte.

Da stand sie. Ihre Mutter. Am Arm ihres Vaters. Jedes mal aufs neue war sie beeindruckt, wie makellos die beiden waren, auch wenn sie selbst genauso war.
„Hast du wohl geruht?“ sprach sie jetzt ihr Vater an, während sein liebevoller Blick sie wärmte.
„Oh ja, das habe ich durchaus.“ antwortete sie im gleichen Tonfall, auch wenn ihr diese Sprache manchmal sehr veraltet vor kam.
„Und Ihr werter Herr Vater, werte Frau Mutter?“
„Wir hatten einen sehr geruhsamen Tag, danke.“ lächelte ihre Mutter sie warm an.
„Weswegen wir eigentlich so früh wach sind, hat ein ganz anderer Grund. Wir wünschen, dass du uns heute Nacht auf einen Ball begleitest. Es wird Zeit, dass du der Gesellschaft gezeigt wirst. Und mit deinen 333 Jahren bist du auch alt genug keinen Unfug mehr zu machen.“ schmunzelte ihr Vater.
Ihr Herz machte einen Hüpfer und ihr Bauch kribbelte erwartungsvoll.
„Auf deinem Bett liegt dein Kleid, danach wird Marietta dir die Haare machen, und anschließend wird Joseph dir noch den Schmuck aus dem Safe holen.“ fügte ihre Mutter hinzu.
„Oh vielen, vielen Dank!“ rief sie übermütig aus und stürmte, nach einer glücklichen Umarmung, die Treppe nach oben.

Tatsächlich lag auf ihrem Bett ein Kleid. Es war aus dunkelroter Seide gefertigt, Schulterfrei und über und über mit schwarzer Spitze bestickt.
„Oh heiliger Satan.“ murmelte sie über glücklich und wirbelte das Kleid um sich herum. Aus den Falten des Kleids fiel ein kleiner roter Gegenstand. Sie bückte sich und erkannte eine Maske, die die obere Hälfte ihres Gesichts bedecken würde. Sie war mit dunkelroter Seide und schwarzer Spitze über zogen, ganz wie das Kleid, und war auf der Innenseite mit schlichter, schwarzer Seide verkleidet.
Kaum war sie in das Kleid geschlüpft, und spürte die weiche anschmiegsame Seide auf ihrer Haut, klopfte es an der Tür.
„Herein.“ rief sie, und Marietta, die junge Dienstmagd der Familie, schlüpfte ins Zimmer. Auch wenn Marietta mit ihren 200 Jahren 133 Jahre jünger war als sie selbst, verstanden sich die beiden Mädchen ausgezeichnet und heckten so manchen Schabernack aus.

Nach etwa einer Stunde hatte Marietta ihr eine sündhaft schöne Frisur gezaubert, bei der ein Teil ihrer langen, dicken Haare kunstvoll nach oben geflochten war, und der andere Teil in sanften Locken über ihre Schultern fiel.
„Du bist eine Zauberin! “ rief sie entzückt aus und ihre vollen Lippen formten sich zu einem strahlenden Lächeln.
Als Marietta gegangen war tuschte sie ihre langen, geschwungenen Wimpern in tiefem Schwarz und fuhr mit einem dunkelroten Lippenstift über ihre zarten Lippen. Danach sprühte sie noch einen Hauch ihres Parfums über sich, und öffnete Joseph die Tür.
Sie wählte schlichte, kleine Rubine, die an ihren Ohren geheimnisvoll funkelten. Dazu legte sie ein, ebenfalls sehr schlichtes, Collier mit funkelnden Rubinen an, die beim geringsten Lichteinfall, wie in Flammen aufgingen.

Schließlich zog sie noch ihre schwarzen Tanzschuhe an, und stürmte die Treppe hinunter. Am Absatz der Treppe blieb sie noch kurz stehen und band sich die Maske um, dann ging sie die letzten Stufen hinunter.
Als sie die große Halle betrat, drehten ihre Eltern sich um, und sie sah wie ihnen für einen Moment die Sprache fehlte. Lächelnd ging sie auf sie zu und hauchte beiden einen sanften Kuss auf die Wange. Ihre Mutter trug ein atemberaubendes dunkelblaues Kleid mit goldenen Stickerein, welches mit ihren Augen um die Wette glühte. Ihre kastanienbraunen Haare waren zu einem langen kunstvollen Zopf geflochten, in dem kleine Saphire steckten.
Ihr Vater trug einen maßgeschneiderten schwarzen Anzug und eine schwarze Fliege, welche seine leuchtenden grünen Augen zum Vorschein brachten.
Sie besaß genau die Augen ihres Vaters, dachte sie, genauso wie seine pechschwarzen Haare. Bei diesem Gedanken musste sie lächeln, und in ihren Wangen entstanden dieselben Grübchen wie bei ihrer Mutter.
„Lasst uns gehen!“ hörte sie ihren Vater, nach einem deutlichen Räuspern, sagen.

Die Kutsche hielt vor dem düsteren, prachtvollen Schloss. Raben umkreisten die hoch aufragenden Türme und die Auffahrt war vom schummerigen Licht der alten Lampen beleuchtet.
Sie setzte einen Fuß aus der Kutsche und zog den anderen nach.
Als sie unten angekommen war, ordnete sie ihr Kleid und ging anschließend mit angemessenen Schritten zur Droschke ihrer Eltern.

„Ah. Willkommen, Herr Graf und Frau Gräfin. Oh, die junge Gräfin ist auch dabei. Es ist uns stehts eine Ehre, Euch in unserer Mitte willkommen zu heißen.“ lächelte der Butler am Eingang, während er ihnen ihre Mäntel abnahm.
Genervt verdrehte sie die Augen, und blickte zu ihrem Vater. Dieser zwinkerte ihr nur zu, und genoss es sichtlich nach langem wieder einen Ball zu besuchen.
Als Sprössling eines der letzten fünf großen und edlen Herrschergeschlechte, hatte sie es aber auch nicht leicht wirkliche Freunde zu finden, was ihr ganz besonders zu schaffen machte.

Wenig später betraten sie gemeinsam den Ballsaal, der über und über mit weihnachtlichem Schmuck bestückt war. Glitzernder Schnee rieselte auf den Boden des Saals, und ein Orchester stimmte gerade den ersten höfischen Tanz an.
Ein junger Mann näherte sich ihr, und forderte sie zum tanzen auf, was sie mit einem liebreizenden Lächeln annahm.
Während sie die Folgen durchschritt, die sie seit 300 Jahren gelernt hatte, waren ihre Gedanken abwesend, bis ihr Blick plötzlich auf einen weiteren jungen Mann fiel.
Er stand etwas abseits vom Geschehen, doch er zog ihren Blick immer wieder magnetisch an. Seine etwas düstere und geheimnisvolle Aura übertrug sich nahtlos auf sie, und als er seinen Blick hob, trafen seine stechenden blauen Augen sofort auf ihre.
Ein eiskalter Schauer rann ihr über den Rücken, er legte seine Stirn in Falten, schien sich zu konzentrieren und plötzlich wurde sein Blick weicher. Er konnte ihre Gedanken nicht lesen, dachte sie erleichtert, doch damit, wurde ihr klar, war er ihr Lebensgefährte. Ein warmer Windhauch fuhr über ihren Körper, als sein Blick sie streichelte.
Als sie diese Erkenntnis gefasst hatte, sah sie, wie der junge Mann zielsicher auf sie zukam und ihren Tanzpartner einfach ablöste.
Verloren in seinen dunkelblauen Augen, tanzte sie weiter und weiter. Sein muskulöser, schlanker Körper passte sich perfekt an ihren an, und seine starken Arme umfingen sie.
Nachdem die Musik geendet hatte, verbeugte er sich vor ihr, seine rauchige Stimme umfing ihren Körper und seine warmen, liebevollen Augen gaben ihr all die Bestätigungen, die sie ihr Leben lang gesucht hatte.
„Ich habe eine Ewigkeit nach dir gesucht. Und jetzt lasse ich dich nie wieder gehen.“

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