Kapitel 3

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Er zielt mit dem Lauf der Pistole direkt auf meine Stirn. Ich kann nichts denken, nichts fühlen. Meine Handflächen schwitzen. Ich habe Angst.

„Irgendwelche letzte Worte?", frägt er und seine kalten blauen Augen durchbohren mich.

„Ich liebe dich."

„Ha, das nenn ich ja mal ein Schicksal. Erschossen von der großen Liebe. Welch eine Tragik." Ein bösartiges Lächeln umspielt seine Mundwinkel und er entsichert die Waffe.

„Das war's dann wohl."

„Alles in Ordnung? Geht's dir gut? Du schwitzst total und hast geschrien."

Ich öffne meine Augen und erblicke sogleich Niall über mir. So fühlt es sich also an, wenn jemand einem in den Rücken fällt. Ich darf den Traum Niall gegenüber nicht erwähnen...

„Hallooo?" Er fuchtelt mit seiner Hand über meinem Gesicht herum, „alles okay? Was hast du geträumt?"

„Äh nichts.", sage ich, noch von den blauen Augen aus meinem Traum eingenommen.

„Nach nichts sieht das aber nicht aus", sagt er nüchtern und streicht mir über die Stirn.

„Ich hab geträumt, dass ich eine sechs in Mathe geschrieben hab."

„Das war die schlechteste Lüge, de ich je gehört hab. Jetzt rück schon raus mit der Sprache, vielleicht kann ich dir helfen."

„Du bist eh nur neugierig, Niall. Ich will's dir nicht erzählen", zische ich genervt.

„Kein Grund überzureagieren, Al. Zieh dich an wir müssen eh aufstehen", erwidert er kalt.

Jetzt ist er sauer, toll gemacht. Langsam und ein wenig wankend (ihr müsst wissen, ich bin morgens eine Art Zombie) suche ich meine Klamotten zusammen.

„Jetzt mach doch mal. Wir müssen runter."

„Stress mich nicht Niall. Ich hab gerade echt keine Nerven für dich." Das habe ich definitiv nicht so gemeint..

Mit einer Mischung aus Verletztheit und Wut schaut er mich an.

„So ist das also. Dann stört es dich bestimmt auch nicht, das ich heute gehe. Wohl eher im Gegenteil. Gut zu wissen." Damit tritt er aus der Tür und stürmt die Treppe runter.

Mist, das wollte ich gar nicht so sagen. Ich bin einfach am Ende. Allein der Gedanke, dass er heute geht, löst Schmerzen in mir aus. Ich verliere meine zweite Hälfte. Noch dazu meine bessere Hälfte. Ich muss das so schnell wie möglich klären, ich will nicht, dass unsere Freundschaft so endet. Im Streit.

Schnell schlüpfe ich in mein schwarzes T-Shirt und meine dunklen Jeans, mache mir einen Pferdeschwanz und packe meine Tasche. Eine gefühlte Minute später sitze ich neben Niall am Esstisch.
Er würdigt mich keines Blickes und mir steigen ungewollt Tränen in die Augen. Mist verdammter. Ich schaue auf mein Käsebrot anstatt es zu essen. Heimlich rollt mir eine heiße Träne über die Wange. Ich spüre Nialls Blick von links auf mir und kurz darauf ruht seine Hand auf meinem Knie. Heißt das, er hat sich beruhigt? Hoffentlich.

Nachdem Niall gegessen und ich mein Käsebrot in Grund und Boden gestarrt habe, stehen wir auf und gehen noch schnell in Nialls Zimmer.
Er steht am Fenster und fährt sich mir der Hand durch die Haare, den Blick starr in die Ferne gerichtet. Ich stehe ich gegenüber, mein Blick ruht auf seinem Gesicht, versucht jede kleinste Regung wahrzunehmen.

„Hör zu. Das von vorhin tut mir leid, ich meinte das nicht so. Das Wissen, das du gehst, macht mich einfach fertig."

Langsam und unsicher schaut er mich an, dann greift er nach meiner Hand und verschränkt unsere Finger.

„Ich weiß. Ich weiß, dass es hart für dich ist, dass ich gehe. Glaub mir, mir fällt es auch nicht leicht. Wir sind beide ein bisschen durcheinander, denke ich." Aufmunternd lächelt er mir zu, dann schließt er seine Arme um mich und vergräbt seinen Kopf in meiner Schulter.

„Ich werde dich vermissen, Al."

Er beginnt zu schluchzen und ich schwaches, emotionales Ding schluchze mit ihm.

„Ich erst Niall. Das kannst du dir gar nicht vorstellen!"

Eine Weile bleiben wir ineinander verschlungen stehen und genießen die Anwesenheit des anderen. Ich präge mir jedes einzelne Detail ein. Seinen Geruch, das Gefühl, wenn er mich umarmt, seine Hand an meinem Rücken, seinen Kopf in meiner Schulterbeuge.

Ein Ruf ertönt, wir sollen runter kommen. Wir lösen uns von einander und ich sehe die Traurigkeit in Nialls Augen. Zärtlich lege ich meine Hände an sein Gesicht und küsse ihn. Einfach so, weil ich ihn eh nie wieder sehen werde, weil er mich verlässt, weil ich ihn liebe. Für einen kurzen ist alles vergessen. Der kleine unbedeutende Streit von vorhin, die Abreise, die Zeit vergessen. Für einen kurzen Moment gibt es nur Niall und mich. Seine Lippen auf meinen Lippen. Die Explosion dieser Berührung, die Wärme und das Kribbbeln.
Sanft lösen wir uns von einander und Niall schaut mich an. In seinem Blick hat sich etwas geändert, er wirkt noch trauriger als zuvor.

„Niall, ich liebe dich.", flüstere ich.

Traurig lächelnd gibt er mir einen Kuss.

„Ich dich auch."

Ein weitere Ruf ertönt und Niall schwingt sich seine Reisetasche über die Schulter. Ich nehme meine kleine Tasche und gemeinsam stürmen wir ein letztes Mal die Treppen runter.

Maura lädt seine Tasche in den Kofferraum, drückt mich kurz und steigt in das Auto.
Niall schaut mich an und schluckt.
Ein letztes Mal hält er mich in seinen Arme und küsst mich.
Dann dreht er sich wortlos um und geht zum Auto, schaut noch einmal über die Schulter und lächelt mich an. Ein letztes Mal...

Das Auto fährt los und urplötzlich bin ich komplett alleine.





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⏰ Letzte Aktualisierung: Nov 29, 2015 ⏰

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