Supermarktphilosophie

50 1 0
                                    

"... Sie noch ihre Hausarbeiten abgeben, vergessen Sie das nicht!"
Blablabla!
Was sich diese Dozenten immer herausnehmen. Denken, sie wüssten alles und dass die Studenten ohne ihre ach so tollen Vorschläge nichts auf die Reihe kriegen.
Ich stupse meine beste Freundin Amy an, die eigentlich Amanda heißt, und zeige auf einen ziemlich hübschen jungen Mann, der schräg unter uns sitzt. Amy schaut zu ihm, kichert und wird rot, dann starrt sie auf ihren Block mit sorgfältig geführten Mitschriften und kritzelt rosa Herzchen an den Rand. Sie ist in Dylan verknallt, traut sich aber nicht, ihn anzusprechen, deshalb ärgere ich sie immer ein bisschen damit.
Ich möchte gerade zu einer witzigen Bemerkung über unseren Dozenten ansetzen, als dieser die Vorlesung für heute beendet.
Alle stehen auf und rauschen aus dem Saal.
"Endlich vorbei, was?", frage ich Amy, die, noch ein wenig verträumt, neben mir läuft.
Sie zuckt mit den Achseln. "Ich fand's eigentlich ganz okay. Vielleicht schreib ich sogar meine nächste Hausarbeit über das Thema."
Ich starre sie mit offenem Mund an. Für mich waren diese anderthalb Stunden eine absolute Qual. Einfach nur langweiliger Wissenschaftskram.
Sie lacht. "Weißt du, Flora, wenn du ab und zu auch mal bei anderen Vorlesungen, als nur in Philosophie, zuhören würdest, würdest du erkennen, wie interessant das alles ist."
Ich schüttle den Kopf. Ich gehe ja auch nur Amy zuliebe in diese Vorlesungen, damit ich im Nachhinein so tun kann, als wäre ich überall fleißig da gewesen. Dass ich mir immer nur Amys Mitschriften kopiere, braucht ja niemand zu wissen.
Allerdings hat sie Recht, ich lebe wirklich nur für die Philosophie-Vorlesungen, denn die sind wirklich richtig spannend und werden zudem auch noch vom heißesten aller Dozenten geleitet.
Ja, ich bin ziemlich verliebt in einen älteren Mann...

Übrigens, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt.
Mein Name ist Flora Hollister, ich bin achtzehn Jahre alt und gehe auf die University of Washington in Seattle.
Mit meinen roten Haaren, die aussehen wie flammende Feuerzungen, meinen katzengrünen Augen und meiner Bikinifigur, bin ich der Schwarm unter den Männern. Und damit meine ich zum Teil auch erfahrenere Männer als die üblichen Studenten. Doch die interessieren mich alle nicht. Nur oberflächliche Ärsche, die nichts im Kopf haben und allein mit ihrem Schwanz denken. Deshalb gehe ich auch nie auf Partys. Ich mag zwar rebellisch sein, aber ein gutes Buch ist mir trotzdem tausendmal lieber als ein Liter billiger Chemie-Cocktail.
Ich liebe es, über die Fragen des Lebens zu philosophieren, weshalb ich mir auch diesen Studiengang ausgesucht habe. Ein weiterer Grund war der heiße Dozent, in den ich mich im ersten Moment verliebt habe. Schon auf der Immatrikulationsfeier wusste ich, dass keinem anderen mein Herz gehören soll als ihm.
Leider bin ich in Liebesdingen nicht wirklich gut, trotz meines verführerischen Aussehens. Ich glaube, er hat mich bisher noch nicht mal richtig wahrgenommen, obwohl die Hälfte des ersten Semesters schon wieder rum ist.

Deshalb seufze ich auch nur, als Amy mit einer Hand vor meinen Augen herumwackelt und kichernd ruft "Hallo!? Erde an Flora!"
Ich zwinge mir ein Lächeln auf die Lippen und verdrehe die Augen, als sie fragt, ob ich wieder an ihn gedacht habe. Sie weiß nämlich Bescheid über meine Verliebtheit, ist aber nicht im Mindesten so begabt im Darüber-lustig-machen wie ich.
Ich steige also einfach in mein Auto, winke ihr grinsend zu und fahre vom Parkplatz. Als ich endlich das Unigelände verlassen habe, - ich würde mich echt wohler fühlen, wenn das alles nicht so ein riesen Komplex wäre - sind es nur noch wenige Meter bis nach Hause. Theoretisch könnte ich auch mit dem Fahrrad fahren, aber dafür bin ich wohl zu eitel. Außerdem gehe ich jeden Abend joggen, das ist genug Sport.
Zuhause angekommen, bin ich kaum durch die Tür getreten, als mein großer Bruder Kyle mich mit vielsagendem Blick wieder nach draußen schiebt, mir die Worte "Mum hat mal wieder Migräne" ins Ohr flüstert und einen Zettel in meiner Hand hinterlässt, auf dem die Einkäufe für diese Woche stehen. Er winkt mir zu, steigt in sein Auto und fährt davon. Wahrscheinlich zu seinem Freund Brandon.
Ich seufze erneut, drehe mich um und steige wieder in meine Karre. Wenn Mum Migräne hat, hilft nur eine starke Schmerztablette, viel Ruhe auf der Couch und ein riesen Bottich Anti-Depressions-Tee. Sie macht einerseits total schlapp und wird andererseits wahlweise aggressiv oder depressiv, sodass wir (also mein Bruder und ich, mein Dad ist vor zwei Jahren gestorben) uns einfach fügen und ihr so gut es geht, unter die Arme greifen.

Während der Fahrt zu unserem Lieblingssupermarkt singe ich die Songs aus dem Radio aus vollster Kehle mit, weil sie mir so gut gefallen und mich im Auto ja niemand hören kann.
Bei Supermart angekommen, finde ich recht schnell einen Parkplatz, was um diese Uhrzeit und dazu noch an einem Montag, keine Überraschung ist.
Vor mich hin pfeifend gehe ich durch die Gänge und packe die Sachen in den Wagen. Trotz ihrer Probleme ist Mum echt präzise beim Schreiben von Einkaufszetteln, sodass niemand, aber auch wirklich niemand, etwas Falsches mitbringen könnte.
Als ich schließlich an der Kasse angekommen bin und sich vor mir zwischen der Verkäuferin und einem Kunden ein Streit entwickelt, trete ich von einem Bein aufs andere und murmel vor mich hin, was denn das Wort 'Wert' überhaupt bedeutet und warum der Mann nicht einfach sein 'wertvolles' Geld auf den Tresen legt und verschwindet.
Als eine Stimme hinter mir sagt "Vielleicht war die Menschheit irgendwann der Tauschgeschäfte überdrüssig", merke ich, dass ich das wohl doch etwas lauter gesagt haben muss als beabsichtigt...
Ich drehe mich um und als ich erkenne, wer da vor mir steht, werde ich augenblicklich fast genauso rot wie meine Haare.
"Mr. Robins?"
"Grüßen Sie sich, Miss Hollister." Er lächelt.
Mir bleibt der Mund offen stehen. Vor mir steht er. Der Mann, den ich immer nur heimlich und unerkannt angeschmachtet habe, steht direkt vor mir. Beziehungsweise hinter mir, denn wir befinden uns ja in einer Einkaufsschlange.
"Ich- Äh- Ich denke, das ist nicht ganz richtig", beziehe ich unser Gespräch und meine Gedanken wieder auf das Thema Geld und den Wert von Dingen.
"Wie ist es denn dann richtig?", fragt er lächelnd nach.
Verdammt, weiß er eigentlich, wie gut er aussieht, wenn er lächelt?!
"Nun, Geld wurde doch eigentlich nur durch die Kolonialisierung der Großmächte eingeführt, oder?"
Er lacht. "Sicher. Aber ist es nicht viel spannender, darüber nachzudenken, was Geld überhaupt wert ist?"
______________________________________

Hallo ihr lieben :)
Da diese Geschichte noch ganz frisch ist und einige Ideen überhaupt erst in meinem Kopf reifen müssen, wollte ich euch fragen, wie euch dieser erste Teil gefallen hat?
Kommentare sowie Votes sind natürlich gern gesehen und ich versuche, in den nächsten Tagen das nächste Kapitel zu veröffentlichen :)

Mein Leben als Flora CullenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt