Des Bürgermeisters Sohn (Ziall)

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NIALL

Ich hatte es schon immer gehasst, der Sohn des Bürgermeisters zu sein. Überall in unserer kleinen Gemeinde (und leider auch außerhalb davon) kannte man mich, man grüßte mich auf der Straße, ich musste Gespräche mit irgendwelchen Leuten führen, die sich bei meinem Vater einschleimen wollten und mein Vater brachte mich jedes Mal dazu, bei „wichtigen" Versammlungen dabei zu sein, was ich am allerwenigsten nachvollziehen konnte. Was hatte ich da bitte zu suchen, bei all den feinen Schnöseln, denen man nicht mehr genug Geld in den Hintern stecken konnte? Meinem Vater war es schon immer sehr am Herzen gelegen, dass wir nach außen hin die perfekte, eben bürgermeisterliche Familie abgaben, die für jeden anderen in der Umgebung ein Vorbild sein sollte. Schon bei der Vorstellung allein rümpfte ich die Nase. Perfekt war was anderes. Meine Eltern konnten sich schon seit Jahren nicht mehr riechen – Mum blieb nur noch wegen des Geldes und dem Dach überm Kopf (hier in der Pampa war es ziemlich schwierig eine neue Wohnung aufzutreiben) und mein Vater wollte auf keinen Fall eine Scheidung riskieren, da sonst die Gerüchte ihren Lauf nehmen und seinen guten Ruf zerstören würden.

Als ich eines Abends mal wieder vor dem Rathaus auf der Treppe saß und genervt auf meinen Vater wartete, der in ein eifriges Gespräch mit dem Landrat verwickelt war, war ich so in Gedanken versunken, dass ich bei dem Geräusch eines gegen die Wand knallenden Steins wie vom Blitz getroffen hochfuhr. Mit zusammengekniffenen Augen sah ich mich um, jederzeit bereit, im Inneren des Gebäudes vor weiteren Geschossen Schutz zu suchen. Jemand in überwiegend schwarzen Klamotten trat aus dem Schatten des gegenüberliegenden Pfarrheims heraus und schlenderte auf mich zu. Unwillkürlich näherte ich mich mit jedem seiner Schritte einen Millimeter der Tür, wohl wissend, dass ich einen Schlüssel dafür mit mir herumtrug und sie somit absperren konnte. Wie aus dem Nichts flog ein weiterer kleiner Stein auf mich zu und hinterließ in der Wand direkt neben mir eine kleine Kerbe. Jetzt konnte ich mich nicht mehr zurückhalten. „Sag mal, geht's noch?".

„Was?", antwortete mir eine melodische, tiefe Stimme, bevor der Typ ins Licht der Straßenlaterne trat und zum Glück endlich stehenblieb. Wie von alleine blieben meine Augen auf seinem Gesicht haften. Sogar von dieser Entfernung sah ich seine kastanienbraunen, von langen dunklen Wimpern umrahmten Augen, die belustigt in meine blickten, die markanten Gesichtszüge, die vollen Lippen und noch dazu das dunkle Haar, von dem ihm eine Strähne wirr in die Stirn fiel. Verwirrt schüttelte ich den Kopf. Jetzt war wirklich nicht die Zeit für solche Gedanken. Wenn mein Vater wüsste, dass sein Sohn schwul war, würde er mich vermutlich in die Psychiatrie stecken, bis ich wieder „normal" geworden war und währenddessen jedem erzählen, ich würde in Oxford studieren oder ähnliche heldenhafte Dinge vollbringen.

Dem Typen schien ganz und gar nicht entgangen zu sein, welche Wirkung er auf mich ausübte, denn sein wie auf seinem Gesicht festgepflastertes Lächeln wurde noch breiter, als er sich wieder in Bewegung setzte und sich mir näherte, bis er nur noch zwei Schritte von mir entfernt stand und mich mit unverholener Neugier eingehend musterte. „Was glotzt du denn so?". Am liebsten hätte ich ihm eins auf die Fresse gegeben und wäre so schnell ich konnte weggelaufen, aber ich wollte nicht wie ein unverbesserlicher Waschlappen rüberkommen (vor allem nicht gegenüber eines solchen Typen), sodass ich trotzig genau auf dieser Stelle blieb und seinen Blick finster erwiderte. Irgendwie hatte ich das Gefühl, ihm beweisen zu müssen, dass ich nicht das brave Bürgermeister-Söhnchen war, das alles tat, was Papi ihm auftrug.

Zu meinem Ärger zuckte er nur die Schultern. „Ich sehe dich an".

„Das seh ich auch", gab ich augenverdrehend zurück. Dieser Idiot nervte mich jetzt schon. „Wenn du dann bitte die Gnade besitzen würdest, aufzuhören, mich mit Steinen zu bewerfen?".

Er zog die Augenbrauen hoch. „Ich habe doch gar nicht dich mit Steinen beworfen".

Ich lachte leise auf und schaute mich übertrieben um. „Ach echt? Ich sehe aber sonst niemanden".

One Shots (Larry, Ziall, Niam, Narry)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt