Kapitel 42

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Nachdem Ed alles mit dem Makler geklärt hatte, nahmen wir uns ein Taxi nach King's Cross. „Ich kann nicht glauben, dass wir gerade ein Haus gekauft haben.", sagte ich aufgeregt, nachdem ich mir einen Kaffee und einen Donut geholt hatte. „Ich hab es gekauft, Jojo.", sagte Ed lachend. „Halt die Klappe. Du kannst mir danken, dass ich überhaupt mit dir einziehe.", meinte ich patzig und trank einen Schluck. Gerade noch rechtzeitig, bemerkte ich die drei hysterischen Mädchen, die auf meinen Freund deuteten. Augenverdrehend wies ich Ed darauf hin und er widmete sich seufzend seinen Fans. Ich beobachtete ihn, während er ein Lächeln aufsetzte und in die Handykameras grinste. Er hörte ihren Geschichten zu und unterschrieb währenddessen auf T-Shirts und Autogrammkarten. „Sorry.", murmelte er verlegen und schaute auf seine Uhr. „Fuck, der Zug geht gleich. Wir müssen uns echt beeilen." „Scheiße, wie viel Zeit haben wir?" „Fünf Minuten."


Natürlich verpassten wir den Zug. Und natürlich war ich Schuld. Ich hatte mich nicht besonders beeilt, da ich an die Deutsche Bahn gewöhnt war. „Ich dachte nicht, dass sich die Briten nie beschweren.", murrte ich. „Hä?", Ed war mal wieder schwer von Begriff. Also winkte ich ab und fragte: „Was machen wir jetzt?" „Den nächsten nehmen." „Aha. Und wann fährt der los?" Mir war anzusehen, dass ich genervt war. „In zwei Stunden." Ich stöhnte auf und ließ mich auf die Metallbank fallen. „Kommen wir dann überhaupt noch rechtzeitig?" „Nein." „Kannst du auch mal mit Sätzen antworten, die mehr als drei Wörter haben." „Ja, kann ich." Augenverdrehend versuchte ich jetzt, mein Handy mit dem gratis WiFi zu verbinden. 


Unglaubliche drei Stunden später (dieser Zug hatte dann doch Verspätung) waren wir endlich auf dem Weg zu Eds Eltern. Emsig tippte ich auf meiner Computer-Tatstatur herum. „Was machst du da?", fragte Ed vorsichtig, nachdem er mir ein überteuertes Croissant gekauft hatte. „Bewerbungen.", seufzte ich genervt. Ich war immer noch sauer auf ihn. Ehrlich gesagt so ziemlich ohne Grund. „Wofür das denn?" „Die haben mich von der Uni geworfen.", sagte ich beschämt. Ja, noch so eine Sache, die mich sehr beschäftigte. Mein Traum davon, Unfallchirurgin zu werden, war damit geplatzt. Natürlich war mir das von dem Moment an klar, wo ich mich für meine Tochter entschieden hatte, doch das so, schwarz auf weiß, zu sehen, war schon hart. „Was? Warum hast du nichts gesagt? Ich kenne da bestimmt jemanden...", Ed griff bereits aufbrausend nach seinem Telefon. „Nein. Ich kann nicht mehr Medizin studieren. Jedenfalls nicht sehr bald und dann ist es vielleicht schon zu spät. Die Bewerbungen sind für einen Studienplatz in Journalismus und Ökonomie." Er hob seine Augenbrauen. „Und wann willst du damit anfangen?" „Weiß nicht, sehe ich dann." Ich klappte den Laptop zu und griff nach dem Croissant. Er starrte mich ein paar Minuten an, bis er sich räuspernd abwandte und sich mit seinem Handy beschäftigte.


Zwei Stunden später kamen wir endlich am winzigen Bahnhof von Framlingham an. Es war bereits dunkel und die wenigen Straßenlaternen beleuchteten den Bahnsteig nur spärlich, so dass ich ernsthafte Probleme dabei hatte, meinen Koffer unbeschadet die Treppe herunter zu schleppen. Ed war mir dabei eine große Hilfe, da er nur einen, vergleichsweise winzigen, Rucksack dabei hatte. „Holt uns irgendwer ab, oder?", schnaufte ich, als wir unten angekommen waren. „Nope, wir laufen." Innerlich verdrehte ich die Augen, denn ich hatte nicht besonders viel Lust, jetzt noch durch die Gegend zu rennen. Ich schaute mich suchend nach dem Ausgang um und als ich ihn gefunden hatte, setzte ich mich in Bewegung. Zu meiner Verwunderung folgte mein Freund mir nicht. „Was ist?", rief ich ihm zu. Es befand sich keiner außer uns hier, also konnte ich entgegen der englischen Verhaltensweisen agieren. Er grinste mich nur an und kam mir schließlich doch hinterher. Eine weitere Treppe später standen wir endlich auf der Straße. „Wohin jetzt?" „Jetzt warten wir auf das Taxi, du Idiotin.", lachte er und fuhr sich durch die roten Haare. „Wirklich?", fragte ich erleichtert und wagte es noch nicht, mich auf die Bank niederzulassen. Als er nickte, stellte ich meinen Koffer neben mir ab und entlastete meine, vom Laufen, geschwollene Füße. Meine müden Augen erkannten, nur fünf Minuten später, ein Taxi-Zeichen auf einem schwarzen Auto. 


„Honey, wir sind da.", seine raue Stimme und sein Bart, der mich im Gesicht kitzelte, hatten mich aufgeweckt. Ich war wohl auf der kurzen Fahrt eingeschlafen. Schnell gab ich ihm einen Kuss, räusperte mich und verließ das Taxi, etwas schwerfällig. Wir waren in einer Gegend angekommen, die mich stark an Borehamwood, einer Vorstadt von London, erinnerte. Die Häuser bestanden zum größten Teil aus roten Backstein. Doch am Ende der Straße, stand ein, vergleichsweise großes, hellgraues Haus. Fragend blickte ich Ed an, der damit beschäftigt war meinen Koffer wieder aus dem Wagen zu bekommen. Er sah meinen Blick jedoch und erwiderte ihn. Schulterzuckend setzte ich mich schon mal in Bewegung, in Richtung des Hauses, der Großeltern meines Kindes.


Where we land || Ed SheeranWo Geschichten leben. Entdecke jetzt