Bevorstehende Aufklärungen

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Sie befand sich auf dem verschneiten Innenhof von Dominos Schloss. Für einen Moment hatte sie die Befürchtung, dass sie wieder auf Kozmirar war oder gar überhaupt nicht von dort weggekommen war, doch dann lugte der Rest des vereisten Schlosses unheilvoll aus dem Nebel hervor.

Befand sie sich wirklich gerade auf Domino?

Ein Knirschen hinter ihr erregte ihre Aufmerksamkeit und als sie sich umdrehte erblickte sie zwei Gestalten direkt neben dem großen Brunnen. Still und reglos standen der Mann und die Frau da und schienen in ihre Richtung zu blicken. Der Mann war in einer eindrucksvollen Rüstung gekleidet, während die Frau ein langes, elegantes Kleid trug. Auf beiden ihrer Köpfe thronte eine imposante, goldene Krone.

Bloom hatte sie schon oft genug auf Gemälden bewundert, um sie gleich zu erkennen.

König Oritel und Königin Marion von Domino.

Ihre leiblichen Eltern.

Gerade wollte sie zu ihnen gehen, doch ihre Füße wollten gar nicht auf sie hören. Sie fühlten sich mit einem Mal bleischwer an.

„Du hast sie im Stich gelassen", hallte es plötzlich von überall her.

Hastig drehte sie sich in alle Richtungen, um den Ursprung der ihr unbekannten, tiefen Stimme zu finden, konnte jedoch niemanden sehen. Ihr Füße waren immer noch wie am Boden festgewachsen.

Ein Beben erschütterte das Schloss und es bildeten sich Risse an Wänden und Boden.

„Es ist zu spät."

Riesige Steinbrocken fielen von oben herab und landeten zwischen ihr und dem immer noch reglos stehenden Königspaar vor ihr. Sie blieben komplett unbeeindruckt von der Zerstörung um sie herum.

Panisch versuchte sie zu ihnen zu kommen, doch ihre Beine rührten sich immer noch nicht. Mittlerweile war ihr gesamter Körper taub. Als sie an sich herunterblickte wurde ihr klar warum: Nach und nach verwandelte sie sich zu Stein. Sie wollte aufschreien, doch ihre Stimme war ihr im Hals stecken geblieben. Ihr Mund wollte sich nicht öffnen.

Hoffnungslos blickte sie zu König Oritel und Königin Marion hoch.

Lauft! Lauft weg!, wollte sie ihnen zurufen, doch sie kam nicht gegen den Kloß in ihrem Hals an.

Sie war dazu gezwungen zuzusehen, wie Dominos wunderschönes Schloss in sich zusammenfiel und ihre leiblichen Eltern unter sich begrub.

„Du hast versagt."

○●○


Bloom fuhr auf und schnappte keuchend nach Luft. Wie wild blickte sie sich um, versuchte zu verstehen, wo sie sich gerade befand.

„Bloom? Bloom!"

Erschrocken zuckte sie zusammen und begegnete dem alarmierten Blick grüner Augen. Flora saß neben ihr auf der Bettkante und hatte ihre Hände zu ihr erhoben, so als wüsste sie nicht, wo sie sie berühren konnte.

„Hey, ganz ruhig, du bist hier sicher. Es war nur ein Traum", sprach sie beruhigend.

Sanft streifte sie ihren Arm und das brachte Bloom letzten Endes wieder zurück in die Realität. Sie war nicht versteinert. Sie konnte Hände und Füße bewegen und nichts blockierte mehr ihre Stimme.

„Wie...", sie räusperte sich, „wie lange habe ich geschlafen?"

Flora bedachte sie mit einem undurchdringlichen Blick. „Das kann ich dir nicht sagen. Als ich gestern Nacht nämlich zurück ins Zimmer gekommen bin, warst du plötzlich weg."

Richtig. Da war sie mit Valtor auf ihrer zweiten Mission gewesen. Scheinbar waren sie tatsächlich nur eine Nacht lang fort gewesen. Eine Nacht, die sich wie eine ganze Ewigkeit angefühlt hatte. Zu viel war passiert.

„Aber es ist nicht allzu spät, wenn du das meintest. Wir haben kurz vor acht."

Schockiert blickte Bloom Flora an. „Aber wir kommen doch zu spät zum Unterricht!"

Sie wollte schon hastig aufstehen, da hielt Flora sie auf. „Nein, nein, wir haben doch die erste Stunde frei, schon vergessen?"

Ja, das hatte sie. Bis vor kurzem hatte sie nicht einmal gewusst, welchen Tag sie heute hatten. Erschöpft ließ sie sich wieder zurück auf ihr Kissen fallen. „Hätten wir doch bloß den ganzen Tag frei", murmelte sie und starrte hoch auf die Decke.

Flora gab einen zustimmenden Laut von sich. „Ja, das wäre wirklich gut..."

Blooms Blick wanderte zu ihrer Freundin. Erst beim näheren Hinschauen bemerkte sie, wie müde diese eigentlich wirkte. Sie sah aus, als wäre sie diejenige gewesen, die die ganze Nacht über unterwegs gewesen war.

Flora bemerkte ihren Blick und lächelte ihr leicht zu. Dann sah sie wieder besorgt aus. „Was hast du eigentlich geträumt? Du warst die ganze Zeit über so unruhig in deinem Schlaf."

Bloom schluckte und vor ihrem inneren Auge sah sie wieder, wie das Königspaar von Domino von den Trümmern des Schlosses begraben wurde.

„Ein Alptraum über meine leiblichen Eltern", sprach sie leise. „Ich habe geträumt, wie ich sie wieder verloren habe. Diesmal für immer."

„Oh, Bloom..."

Sie schüttelte den Kopf, dann legte sie ihre Hand beruhigend auf die ihrer Freundin. „Ist schon okay. Ich fühle mich einfach nur schuldig, dass ich in meiner Suche nach ihnen kein Stück vorangekommen bin." Kurz darauf kam ihr ein Gedanke und nun war sie diejenige, die besorgt aufblickte. „Bist du etwa deswegen schon so früh wach? Habe ich dich aufgeweckt?"

Flora blickte hinunter auf ihre Hände. Sie drehte ihre Hand, die Bloom immer noch hielt, nach oben und drückte leicht die Finger ihrer Freundin. „Nein, keine Sorge, ich war da schon wach gewesen."

Bloom folgte Floras Blick und erst da fiel ihr ein beschriebenes Blatt Papier auf, das auf deren Schoß lag. „Was ist das?"

Flora entzog ihr ihre Hand. Stattdessen griff sie nach dem Papier und schien noch einmal das dort Geschriebene zu überfliegen. Sie seufzte. „Isabelle hat mir einen weiteren Brief geschrieben..."

Blooms Herz sank. Das konnte nur eines bedeuten. „Gibt es Neuigkeiten aus Lynphea?"

Flora nickte ohne zu ihr aufzublicken. „Die Lage ist noch viel schlimmer geworden, als sie es schon davor war. Dass es durch die verdorrte Ernte zu Nahrungsknappheit kommen könnte, war uns bereits klar gewesen. Normalerweise würde unsere Magie aushelfen können, doch irgendwas scheint die neuen Jungpflanzen davon abzuhalten an Stelle der alten, abgestorbenen zu wachsen." Endlich blickte sie zu Bloom auf und die rothaarige Fee las die Angst von ihren Augen ab. „Und nicht nur das. Unser Planet hat Schwierigkeiten jemand anderes zu finden, der uns aushelfen könnte. So viele andere Planeten sind auf den Export unserer Nahrungsmittel angewiesen. Nicht nur Lynphea würde leiden, sondern andere auch."

Blooms Mund war wie ausgetrocknet und sie starrte ihre Freundin entsetzt an. Sie hatte ja gar keine Ahnung gehabt, wie verheerend diese Pflanzenvergiftung sein würde! Bis jetzt hatten die Winx und sie noch die Hoffnung gehabt, dass es vielleicht irgendeinen Durchbruch auf Lynphea geben könnte, was das Gegenmittel betraf. Ohne Erfolg. Nein, die Lage war wirklich schlimmer als gedacht.

Der einzige, der das wirklich rückgängig machen konnte war Valtor. Aber der schien keinen Finger rühren zu wollen. Stattdessen schleifte er sie von einem Ort zum anderen, rieb ihr dabei unter die Nase, dass der Bindungspakt „auf Gegenseitigkeit beruhte", und selbst hielt er seinen Teil der Abmachung überhaupt nicht ein!

Ungebändigte Wut packte sie bei dem Gedanken. Bevor sie jedoch etwas sagen konnte, klopfte jemand an ihre Tür. Kurz darauf öffnete sich diese und Tecnas Kopf lugte hervor.

„Morgen ihr beiden", begrüßte sie sie und fuhr gleich fort ohne ihre Antwort abzuwarten, „Miss Griselda wartet auf uns."

Flora und Bloom wechselten einen überraschten Blick.

„Miss Griselda?", wiederholte Flora. „Aber warum das?"

Tecna zuckte nur mit den Achseln. „Miss Faragonda hat uns zu sich rufen lassen. Mehr hat sie nicht gesagt. Beeilt euch lieber, ihr wisst doch wie schnell sie ungeduldig werden kann."

Kurz darauf drehte sie sich um und ging zurück auf ihr Zimmer. Die Tür ließ sie offen stehen, sodass beide Feen sehen konnten, wie der Rest der Winx sich gehetzt fertig machte. Das brachte sie aus der Starre und so standen auch sie auf und beeilten sich, sich anzuziehen.

Ein paar Minuten später ging der gesamte Winx Club hinter der strengen Oberhausdame her. Keine von den Mädchen hatte sich getraut einen weiteren Versuch zu wagen, mehr über den Grund, warum Miss Faragonda sie sehen wollte, herauszufinden, und so waren sie gezwungen ihr stumm durch die noch leeren Schulflure zu folgen.

Zu ihrer Überraschung hatte Miss Griselda auch die Estrellas dazu aufgefordert mitzukommen, sodass nun eine kleine Armee an Feen ihr hinterher marschierte. Auch die andere Gruppe an Feen hatte keine Ahnung, warum sie zur Direktorin gerufen wurden.

Der Weg zu Miss Faragondas Büro erschien mit einem Mal sehr lang und die unnatürliche Stille zwischen den Mädchen machte die Stimmung unter ihnen noch drückender. Hatten sie etwas angerichtet? Würde man sie gleich bestrafen?

Als Miss Griselda vor der Tür zum Büro der Schuldirektorin stehen blieb, wandte sie sich endlich an die versammelte Gruppe. „Bevor ich euch reinlasse, möchte ich euch eines klarstellen", sie bedachte jede von ihnen mit einem eindringlichen Blick. „Ich verlange von euch nichts als aufrichtige Ehrlichkeit. Dieses Gespräch ist sehr wichtig, euer Wissen von großer Bedeutung. Wenn ihr wollt, dass Magix sicher bleibt, dann sagt ihr die Wahrheit. Habt ihr mich verstanden?"

Alle blickten sie mit großen Augen an und murmelten ein leises: „Ja, Miss Griselda."

Mittlerweile hatten sie eine Ahnung, worum es in diesem Gespräch gehen könnte.

Die Dame nickte. Kurz darauf öffnete sie ihnen die Tür und bedeutete ihnen hineinzugehen. Eine nach der anderen befolgten sie ihre stumme Aufforderung. Als auch die letzte Fee in das Büro gegangen war, ging die Tür mit einem finalen Klicken hinter ihnen wieder zu.

Nun stand nichts mehr zwischen ihnen und Miss Faragondas geplantem Verhör.


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Ich wünsche euch fröhliche Weihnachten!

Hoffentlich feiert ihr schön und bekommt viele tolle Geschenke ^^



Blooms dunkles GeheimnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt