KAPITEL 13 oder Für eine einzige Nacht

294 44 10
                                    

Pyero hatte darauf bestanden, dass ich es mir in seinem Bett bequem gemacht hatte. Ich lag in seinem Himmelbett, welches meinem wirklich sehr ähnelte. Es war aus dem selben Holz, so wie eigentlich die gesamte Einrichtung in diesem Schloss. Auch der Aufbau des Zimmers war identisch. Ich vermutete, dass diese Gemächer genau über meinen lagen und sich in keinem Detail unterschieden. Nur die Farbwahl seiner Kissen und sonstigen individuellen Besitztümer war erstaunlich anders. Seine Zimmer waren nicht wie die seiner Schwester in Hellblau gehalten sondern in Dunkelblau und einem warmen Gelb. Als ich ihn darauf ansprach, sagte er, dass es die Farben des Himmels bei Nacht und der Sterne seien, die er so sehr liebte. Ich hatte ihn nicht für einen Mann gehalten, der die Himmelskörper beobachtete, aber irgendwie fand ich es sehr ansprechend.
Überall in seinen Räumen befanden sich leuchtende Steine, deren Licht so hell strahlte, dass ich alles sehr gut erkennen konnte. Es erinnerte mich an das Leuchten des Vollmondes, welches ich so sehr liebte und oft aus meinem Zimmer in Simaris, meiner Heimat beobachtet hatte.

Während er im Badezimmer verschwand, legte ich mich auf den Rücken und schloss für einen Moment die Augen.
Jetzt wo ich in einem ruhigen Raum war und nicht tausend verschiedene Einflüsse auf einmal auf mich wirkten, kamen die Schmerzen auf einen Schlag zurück. Schweiß rann mir die Stirn hinab und mir war schon wieder furchtbar kalt, obwohl es in seinem Zimmer schwül und stickig war. Ich wollte mich gerade unter seiner Decke verkriechen, als er wieder zu mir kam. Sein Blick war sorgenvoll und mitleidig. Er ließ sich auf der Kante des Bettes nieder und beugte sich zu mir vor.
Pyero zerriss ohne mich zu fragen am Bauch mein Kleid und entfernte den blutdurchtränkten Verband. Alles schmiss er einfach auf den Boden. Die Schnittstelle war tief und sah nicht besonders gut aus. Ich konnte gar nicht hinschauen und betrachtete lieber seine Gemälde von Seeungeheuern an der rechten Wand.
"Wie kannst du es nur mit dieser Wunde aushalten?!", fragte er geschockt und holte meine Aufmerksamkeit wieder zu sich. „Du bist wirklich hart im nehmen. Ich glaube nicht einmal Dako würde mit so einer Wunde noch aufrecht stehen können."
Ich zuckte nur mit den Schultern. Auf einmal war ich zu müde. Selbst zum antworten fehlte mir die Kraft. Dabei fragte ich mich, ob es an den Schmerzen lag, oder ob es die aussichtslose Situation war, in der ich mich befand. Hoffnungen ruhten auf mir, die ich nie erfüllen würde können. Auch wenn nicht mehr das ganze Volk an mich glaubte, so hatte ich doch einen so starken Willen, dass ich wusste, dass ich eine Lösung finden musste, auch wenn ich und anscheinend auch alle anderen der Ansicht waren, dass es aussichtslos war. Meine Gedanken drehten sich nur noch um einen Punkt.
Doch dann rutschte Pyero näher an mich heran und holte ein paar Sachen aus einer Schachtel hervor die er aus dem Badezimmer mitgebracht hatte. Konzentriert begann er meine Wunde zu säubern. Ich beobachtete ihn, wie er vorsichtig und fürsorglich meine Haut abtupfte und eine Salbe auf trug. Anschließend nahm er einen neuen Verband und hüllte die Wunde diesmal sehr professionell ein. Ich fragte mich immer wieder woher er das alles konnte. Schließlich war er ein Prinz und hatte seine eigenen Mediziner. Doch ich wollte ihn im Moment nicht fragen. Zu fasziniert war ich von seinen Künsten und seinen blauen Augen, die so liebevoll auf mich herab blickten.
"Ich danke dir", flüsterte ich als er fertig war und seine leicht blutverschmierten Hände an einem Tuch abrieb.
Er drehte seinen Kopf zu mir und unsere Blicke trafen sich.
"Gern geschehen". Er hatte seine Stimme ebenfalls gesenkt. "Ich kann eine so hübsche Frau wie dich doch nicht einfach leiden lassen." Er zwinkerte und stieß ein Lachen hervor. Ich grinste.
Noch immer harrten seine Augen in den meinigen. Die Augen des Prinzen waren so tief wie der Ozean und genauso unergründlich. Ich konnte meinen Blick einfach nicht abwenden. Ich war wie gefangen, aber nicht auf eine negative Weise, sondern auf eine behütende Art. Es war, als könnte ich ihm in seine Seele blicken, die die erste nach einer langen Zeit war, die rein und friedvoll schien. Ohne Hintergedanken und heimliche Pläne, wie man meine Schwäche in diesem Moment ausnutzen konnte. Ich kannte Pyero zwar noch nicht sehr lange und hatte mir selbst geschworen niemals einem Menschen zu schnell zu vertrauen, da dies schon sehr oft schief gegangen war, aber bei ihm war ich mir sicher, dass kein Unheil mir erfahren konnte, solange ich diese Augen nicht aus meinem Blickfeld nahm.

Time to Reign - Die Geschwister✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt