Teil 1

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Ich saß am Bahnhof, in die Musik in meinem Kopf vertieft, meinen Kopf in die Knie gestützt, weinend da ich zu viel nachdachte. Ich merkte, dass sich jemand neben mich setzte, es war ein Mann. Er atmete tief durch, seufzte und sackte im Sitz zusammen. Ich setzte mich aufrecht hin, nahm die Füße vom Sitz und versuchte mir die Tränen aus meinem Gesicht zu wischen. Er schien das bemerkt zu haben und kramte in seiner Tasche. Es war eine große braune Ledertasche. Er fand was er gesucht hatte, holte ein besticktes, Stofftaschentuch heraus und reichte es mir. Ich sah auf, sah das Taschentuch an, dann ihn, nickte und trocknete meine Tränen damit. Es roch genau wie er, angenehm nicht aufdringlich. Ich kannte die Regel bei Stofftschentüchern nicht, sollte man es vorher waschen bevor man es zurück geben sollte oder gab man es einfach wieder zurück?

Während ich darüber nachdachte, sah ich ihm in seine Augen. Sie waren schön, Grün mit braunen Sprenkeln. Sie sahen aufmerksam aus. Ich wollte mich bei ihm bedanken doch meine Stimme versagte. Es kam nur ein leises quietschen aus mir heraus und ich merkte wie mein Gesicht rot anlief. Als ich meinen Blick endlich von seinen Augen abwenden konnte, sah ich dass er lächelte. Ich musterte sein Gesicht, es war schmal und kantig, mit vielen Leberflecken und einen schönen 3 Tage Bart. „Hey" sagte er, seine Stimme war tief und rau. Er hatte einen Akzent, ich wusste nur noch nicht welchen. Ich antwortete nur mit einem quietschendem „Hi". Ich hatte immer noch Tränen in den Augen und hielt sein Taschentuch in der Hand. Er sah mich irgendwie gesorgt an und fragte mich „was ist los? Vieleicht kann ich helfen" Ich schüttelte nur den Kopf. Er war wahrscheinlich ein Engländer oder Ire, denn sein Akzent war nicht eindeutig englisch, es war noch etwas Andreres mit drin.

Ich war überfordert, ich wollte nicht mit einem wildfremden Mann reden, der außerdem, von anderen Menschen am Bahnhof merkwürdig angeguckt wurde. War er ein Verbrecher oder so etwas?

Er sah nicht aus wie einer, er sah harmlos aus, lieb und nett, doch ich bekam Angst. Ich stand auf, ging los, drehte mich noch einmal um, er schaute mir hinterher, irgendwie traurig oder enttäuscht. Ich war schon halb aus dem Bahnhof raus, als mir auffiel das ich noch sein Taschentuch in der Hand hielt. Ich ging zurück zu der Bank auf der er eben noch gesessen hatte, doch sie war leer. Ich überlegte wo er hingegangen sein könnte, doch mir vielen nicht viele Orte ein. Ich war neu in der Stadt, und kannte mich noch nicht sehr gut aus. Also ging ich wieder aus dem Bahnhof raus. Ich musste durch einen Park gehen wenn ich nach Hause wollte, und setzte mich dort auf eine freie Bank.

Es war ein lauer Frühlingstag und ich wollte ein paar Sonnenstrahlen einfangen, bevor ich nach Hause gehen würde. Ich schloss die Augen, saugte die Sonne förmlich ein. Ich hörte wieder Musik in meinem Kopf spielen, und öffnete die Augen, sah mich um. In diesem Park waren viele Bäume, Sträucher und kaum Menschen. Es lagen der Geruch von frisch geschnittenem Rasen in der Luft und noch ein anderer, wieder dieser Geruch des Mannes vom Bahnhof. Ich sah mich um und tatsächlich der Mann war wieder da, er saß ein paar Bänke weiter vom mir weg. Er schien mich nicht bemerkt zu haben und tat genau das gleiche wie ich, vor ein paar Sekunden. Er hatte seine Augen geschlossen und genoss die vereinzelten Sonnenstrahlen die in seinem Gesicht tanzten. Mein Handy klingelte und ich zuckte zusammen. Es war eine Mail, eine Mail die mich traurig und sauer machte.

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Der Mann am BahnhofWo Geschichten leben. Entdecke jetzt