Abschied?

177 1 0
                                    

“Hey, Lisa! Was machst du denn hier?” Mit einem gezwungenen Lächeln setzte sie sich ans hintere Ende des Tresens, so dass sie bequem den ganzen im Blick hatte. Zudem hatte sie auf diese Weise den Hinterausgang der kleinen Kneipe direkt in ihrem Rücken - nur für den Fall der Fälle.. Es wäre nicht das erste Mal, dass ihr Vater ihr folgte. “Frag mich nicht, Joe!” Er verzog das Gesicht zu einer Grimasse, die wohl einmal ein Grinsen hatte werden sollen und schob ihr wortlos ein Bier über den Tresen. Seufzend nahm sie einen Schluck. “Danke!” “Dafür bist du doch hier. Oder?” Sie nickte nur und starrte vor sich auf ihre Bierflasche. “Du weißt, dass du immer zu uns kommen kannst, wenn du Probleme hast. Oder, Darling?” Ein kleines, trauriges Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. “Danke, Joe, aber ich sehe nicht, wie ihr mir noch mehr helfen könntet, als ihr es schon tut.” “Da würde uns bestimmt etwas einfallen, wenn du uns erzählen würdest, was eigentlich los ist, Hon.” Lächelte Melissa während sie dem Gast zwei Plätze neben Lisa sein Bier hinstellte. Lisa schüttelte nur den Kopf. “Ich kann nicht.” “Hey, das ist in Ordnung, Darling. Du sollst nur wissen, dass wir jederzeit für dich da sind.” Lisa nickte. “Danke, ihr beiden. Das weiß ich wirklich zu schätzen.” Beide wandten sich wieder den anderen Kunden zu. Es wurde zusehends voller. Dennoch konnte Joe nicht umhin zu bemerken, dass der junge Mann am anderen Ende des Tresens unentwegt zu Lisa hinüberstarrte. Er kniff die Augen zusammen und machte seine Frau auf ihn aufmerksam. Sie nickte nur. “Ich weiß!” Sie nahm ein Bier und trat wieder zu Lisa. “Hey, Hon, noch ein Bier?” Lisa nickte mit einem dankbaren Lächeln. “Ja, danke!” “Sag mal, der heiße Typ da mit den traurigen Augen am anderen Ende. Kennst du den? Der starrt dich schon die ganze Zeit an.” Überrascht sah Lisa hinüber und für einen Augenblick trafen ihre Blicke sich. Sie runzelte die Stirn. “Ja, der kommt mir schon irgendwie bekannt vor, aber ich kann mich nicht daran erinnern, woher ich ihn kennen könnte.” Melissa wieselte wieder davon. Sie hatte keine Zeit für längere Gespräche. Lisa sah sich um. Es war wirklich voll an diesem Abend. Wie von alleine glitten ihre Blicke wieder zu dem Typen hin, auf den Melissa sie gerade aufmerksam gemacht hatte. Diese Augen. Sie kannte diese unwahrscheinlich blauen Augen. Aber wo hatte sie sie gesehen? Ihre Gedanken wanderten zurück in eine Zeit, in der sie noch glücklich gewesen war. Und da waren sie wieder, diese Augen. Sie runzelte die Stirn. Konnte das wirklich sein? Konnte Er es sein? Sie sah wieder zu ihn hinüber. Benjamin! Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Er hatte sie gehänselt und gepiesackt solange sie einander gekannt hatten, aber aus irgendeinem Grund hatte sie ihm nie lange böse sein können. So gemein er hatte sein können, wenn seine Freunde dabei waren, so lieb hatte er auch sein können wenn sie beide alleine waren. “Hey, Lisa! Du bist doch Lisa. Oder?” Erschrocken sah sie auf und entdeckte, dass er jetzt den Platz direkt neben ihr eingenommen hatte. Lächelnd sah sie ihn an. “Hey, Benjamin! Was machst du hier? Ich meine abgesehen von mich anstarren und Bier trinken.” Sie zwinkerte. Für einen Moment wollte sie nicht mehr an ihre Sorgen denken und sich nur darüber freuen mit jemandem aus ihrer alten Welt reden zu können. “Du erinnerst dich an mich?” Ehrliches Erstaunen in den Augen sah er sie an. Sie lächelte breit. “Natürlich! Warum sollte ich mich nicht erinnern?” Er starrte auf sein Bier, dass er vor sich auf dem Tresen abgestellt hatte. “Wenn ich bedenke, was ich dir alles angetan habe, damals …Und ich hatte nie die Gelegenheit mich bei dir zu entschuldigen bevor du weggegangen bist.” Er sah sie voller Reue an. “Bitte entschuldige, Lisa. Ich war damals wirklich ein richtiges Arschloch!” Für einen Moment gefror das Lächeln auf ihren Lippen, als sie an die vielen Gelegenheiten dachte, bei denen sie weinend auf ihrem Bett gelegen hatte - wegen ihm, aber dann sah sie ihn wieder voller Wärme an und legte ihre Hand auf seinen Unterarm. “Hey, das ist alles längst vergessen und vergeben, Ben. Ich freue mich dich zu sehen.” Er hatte seine Blick wieder gesenkt, doch jetzt schoss sein Kopf wieder hoch und er starrte sie überrascht an. “Du … so hast du mich noch nie genannt.” Sie lächelte. “Nein, wir waren ja auch nie Freunde, aber vielleicht können wir ja jetzt Freunde werden?” Er nickte schnell mit dem Kopf. “Nichts lieber als das!” Sie umarmte ihn kurz und sah ihn dann ernst an. “Möchtest du mir erzählen warum du aussiehst wie ich mich fühle?” “Du meinst wie Scheiße?” Er sah sich um. “Nicht hier! Gehen wir ein Stück?” Sie nickte. “Hey, Joe! Melissa! Wir gehen jetzt. Ich zahle morgen. Okay?” “Nah, geht aufs Haus, Darling!” Lisa lachte. “Da streiten wir uns morgen drüber! Gute Nacht!” Sie winkte den beiden zu, hakte sich bei Benjamin unter und verließ mit ihm die Kneipe. “Dein Freund?” “Nur wenn du nicht von der Art Freund sprichst wie in verliebt, verlobt …” “Oh … Und du bist öfter da drin?” Sie grinste. “Jeden Tag.” Er blieb stehen und starrte sie überrascht an. “Jeden Tag? Das sieht aber nicht nach der Lisa aus, die ich mal kannte!” Sie lächelte traurig. “Von der ist auch nicht viel übrig. Glaub mir!” Plötzlich musste sie lachen. “Hey, beruhige dich. Normalerweise stehe ich auf der anderen Seite des Tresens und bin stocknüchtern! Ich besaufe mich nicht jeden Tag!” “Auch wenn ich das manchmal möchte.” setzte sie leise hinzu. “Was ist mit dir passiert, Lisa?” Sie schüttelte traurig lächelnd den Kopf. “Nicht wichtig! Du wolltest von dir erzählen.” Inzwischen hatten sie einen kleinen Park erreicht in dem mitten auf einer großen Wiese eine uralte Eiche stand. Sie setzte sich unter die Eiche und bedeutete ihm sich zu ihr zu setzen.

Abschied?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt