Rose

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"Jetzt sei doch nicht so nervös. Sie wird dir schon nicht den Kopf abreissen." Finn legte einen Arm um mich. Ich zog skeptisch eine Augenbraue hoch. "Da wäre ich mir aber mal nicht so sicher. Erinnerst du dich noch, als ich ihr das letzte mal begegnet bin?" "Okay, ich gebe zu, meine Mutter könnte eine gewisse Neigung dazu haben, dich in der Luft zerreissen zu wollen," gab Finn nach "aber dazu muss sie erstmal an mir vorbei. Und überhaupt, sie war es doch, die gesagt hat, ich soll dich zum Abendessen mitbringen, also scheint sie es ja mit dir versuchen zu wollen." Ich seufzte. "Damit das klar ist, ich tue das nur dir zuliebe." stellte ich klar, dann waren wir am Haus angekommen und Finn schloss die Tür auf. "Das wurde aber auch Zeit." 'begrüßte' sie uns und fügte mit einem wohlwollenden Blick auf Sofia hinzu: "Sofia, war bereits vor einer halben Stunde da." Finn verdrehte bloß die Augen und erklärte genervt: "Mutter, wir sind wirklich so schnell gekommen, wie es ging, aber du hast nunmal mitten beim Ausritt angerufen und wir mussten erst zurückreiten, also sei verdammt nochmal ni-" weiter kam er nicht, denn ich stieß ihm meinen Ellbogen in die Rippen und unterbrach ihn: "Bitte entschuldigen Sie unsere Verspätung, Frau Claasen, wir hatten nicht damit gerechnet, ansonsten hätten wir selbstverständlich mehr Pünktlichkeit an den Tag gelegt. Nicht wahr Finn?" Den letzten Satz sagte ich überdeutlich und sah Finn auffordernd an, doch dieser starrte nur konsterniert zurück. "Na wenigstens hat man dir ein klein wenig Manieren beigebracht," stellte die Eiskönigin von oben herab fest "offensichtlich ganz im Gegenteil zu angemessener Kleidung." Es stimmte, meine Jeans war ziemlich dreckig, weil die Galoppstrecke noch vom Regen heute morgen schlammig gewesen war und wir es etwas übertrieben hatten, aber Finn sah ja auch nicht besser aus. Nichtmal Sofia, die ja angeblich schon eine halbe Stunde hier war, hatte sich umgezogen und sie schien auch ohne Ausritt was abbekommen zu haben. "Wir sind direkt vom Stall hierhergekommen und ihr Sohn und ihre Tochter sehen doch auch nicht besser aus." verteidigte ich mich deshalb, doch Elise ließ sich davon natürlich nicht beeindrucken und erwiderte nur: "Wenigstens tragen meine Kinder ordentliche Reitkleidung." Mir lag eine Erwiederung auf der Zunge, doch ich biss die Zähne zusammen. 'Ganz ruhig Rose, freundlich bleiben.' redete ich innerlich auf mich ein 'Du hast Finn versprochen ihr eine Chance zu geben und ein paar Dinge zu überhören, also reiss dich gefälligst zusammen!' Ich rang mir ein gequältes Lächeln ab, konnte es mir allerdings nicht verkneifen, Sofia im vorbeigehen scherzhaft zuzuraunen: "Jetzt weiß ich endlich, woher ihr diese Sucht nach Spooks und HV-Polo habt." Sofia kicherte und wieß nur auf die 'Manolo Blahnik'-Schuhe der Eiskönigin (passend zu Gucci-Gürtel, Chanel-Tasche und Hermès-Tuch).

Während des Essens (es war scheusslich, weniger wegen dem Geschmack, mehr wegen der Gesellschaft) sagte Elise auf einmal zu Sofia: "Aber iss nicht so viel Kind, denk an dein Gewicht." Mir wäre beinahe die Gabel aus der Hand gefallen. "Sofia ist doch auch so schon total dünn!" sagte ich, viel heftiger als ich es beabsichtigt hatte. Ihre Mutter sah mich mit einem Blick an, als sei ich irgendwie unterbelichtet und täte ihr schon beinahe leid und erklärte mit besserwisserischem Unterton: "Ich weiß ja nicht wie das bei euch Kuhhirten ist, aber Dressur- und Springreiter müssen dünn sein, um Erfolg zu haben. Je dünner desto besser." Langsam reichte es mir. "Haben Sie sich Ihre Kinder mal angesehen? Die sind doch schon echt dünn, fast schon dürr. Ich wette, wenn sie die nicht essen lassen, bis sie satt sind, dann haben sie ziemlich bald untergewichtige Kinder." Frau Claasen machte eine wegwerfende Handbewegung. "Unsinn, Untergewicht, das ist doch eine Erfindung der fetten Leute. Man ist nie 'zu dünn', was glaubst du denn, wie man sonst in Designerkleider reinpasst? Die beiden können ruhig noch ein paar Pfund abnehmen." Einerseits hätte ich fast losgelacht, andererseits widerte diese Frau mich dermaßen an, dass ich eher kotzen als lachen wollte. "Wollen sie ihre Kinder zur Magersucht erziehen oder was?!" fragte ich empört und schon etwas lauter. Elise blickte entrüstet drein, als hätte ich gerade auf einer ihrer Designerhandtaschen einen Fleck hinterlassen. "Es reicht wohl nicht, dass du mit meinem Sohn in die Kiste springst, ich muss mir von dir billigem Flitchen auch noch in meine Erziehung hineinreden lassen! Was glaubst du eigentlich wer du bist? Denkst du, du könntest einfach hier hinkommen, dich von meinem Sohn flachlegen lassen und sein Leben und nicht zuletzt seine Karriere zerstören?" keifte sie. Das saß! Meine Kinnlade fiel umgefähr 3 Meter weit herunter, die Worte blieben mir im Halse stecken. Wäre ich eine Figur in einem Trickfilm gewesen, dann hätte jetzt etwas unter meinem einen Auge zu zucken begonnen. Ich hörte wie Finns und Sofias Vater leise zu seiner Frau sagte: "Elise, dass reicht jetzt." Finn griff nach meiner Hand, stand auf und sagte bestimmt: "Komm Rose." Ich war noch immer zu keiner ordentlichen Reaktion fähig, aber wenigstens klappte ich meinen Mund wieder zu und ließ mich von ihm mitziehen in den Flur, weg von Elise und ihren vor Wut bebenden Händen, die in meinen Augen schienen, als wolle sie mir gleich die Kehle damit zudrücken. "Verdammte Scheiße! Kann sie sich nicht einmal zusammenreissen mit ihrem kranken Weltbild?!" fluchte Finn neben mir, doch ich schwieg immer noch. Er schien es zu bemerken und sah mich dann erst genauer an. "Dein Hände zittern ja." sagte er, schon viel ruhiger. Ich hatte es selbst noch gar nicht bemerkt, aber jetzt wo er es sagte, merkte ich es auch. Finn nahm mich in die Arme, ich lehnte meinen Kopf an seine Schulter und er strich mir übers Haar, als hinter mir schon wieder die Tür zum Esszimmer aufging. Finn hatte es wohl auch bemerkt, denn er spannte sich kurz an, doch es schien bloß Sofia zu sein, dem empört gekeiften "Sofia! Bleibst du wohl hier?" nach zu urteilen, dass aus dem Esszimmer drang. "Ich glaube ich gehe besser..." murmelte ich, aber Finn widersprach: "Auf keinen Fall, dann hat sie doch, was sie wollte." "Ich bin aber nicht lebensmüde!" behaarte ich und dogar Sofia stimmte mir zu, was Finn und ich mit einem synchronen "Klappe Sofia!" quittierten. "Okay," fuhr Finn fort "aber dann komme ich mit. Du willst sie doch nicht gewinnen lassen, oder? Ausserdem lasse ich dich jetzt nicht einfach alleine." Wider Willen musste ich lächeln. "Okay." sagte ich leise und er öffnete die Haustür. "Sofia, du sagst Elise dann schon, wo ich hin bin oder?" warf er noch über die Schulter. "Oh ja!" versicherte sie "Ihre Reaktion wird zu witzig, das will ich nicht verpassen!" Finn nickte und trat dann mit mir nach draussen. Kurz bevor die Tür zufiel hörte ich noch wie Sofia uns ein "Viel Spaß!" nachrief.

Bis wir auf der Ranch angekommen waren hatte ich mich dank Finn wieder beruhigt (Zitat Finn: "Wenn sie das unter 'Leben ruinieren' versteht, dann kommt mir der Ruin wie eine echt tolle Altermative zu Perfektion vor.") und konnte schon fast über Elise lachen. Wir wollten gerade die Treppe hochgehen, als Miranda aus dem Wohnzimmer kam. Sie stutzte kurz als sie Finn entdeckte, doch dann lächelte sie und sagte zu mir: "Oh, wie schön Rose, du hast deinen Freund mitgebracht!" Ich quittierte ihren hyperneugierigen Blick mit einem Augenrollen und meinte: "Ja und ich hab ihn mir mitgebracht, nicht dir, deswegen werden Finn und ich jetzt hochgehen und du wirst uns in Ruhe lassen, verstanden?" Ohne eine Antwort ging ich an ihr vorbei, Finn zog ich an der Hand hinterher, doch Miranda musste mich schon wieder aufhalten. "Wenn du ihn für dich alleine haben willst, kann ich dann wenigstens noch kurz mit dir reden?" fragte sie und fügte mit einem Seitenblick auf Finn hinzu: "Unter vier Augen?" Ich verdrehte schon wieder die Augen. "Geh schonmal hoch, ich komme gleich." wandte ich mich an Finn und drehte mich dann - inzwischen unfassbar angepisst - wieder zu Miranda. "Was ist jetzt?" "Also... ähm... wie fängt man da an..." stammelte sie. Ich verstand nur Bahnhof, sie war doch sonst jemand, der alles gerade heraus sagte, ausserdem hatte ich sie selten so rot erlebt. "Ähm... Also wenn du... und er... also solltet ihr... ich meine wenn du Fragen hast... und überhaupt solltest du immer aufpassen, dass ihr..." Plötzlich fiel bei mir der Groschen - Himmel, war meine Tante verklemmt. "Hör mal Miranda, ich werde da nicht mit dir drüber reden. Ich bin alt genug, ich hab Ahnung genug und du wolltest verdammt nochmal nie eine Mutterrolle! Dieses Gespräch ist echt nicht nötig und das alles geht dich null komma null was an, verstanden?" Mit diesen Worten drehte ich mich um und murmelte im weggehen etwas von "verklemmt", "glaubt ich hätte keine Ahnung" und "geht sie nichts an".

Oben im Flur erwartete mich auch schon die nächste unangenehme Überraschung, beziehungsweise der nächste unangenehme Mensch - und ich dachte schon, davon hätte ich für heute genug gehabt. Direkt gegenüber von Finnstand Daníel wie festgewachsen guckte herablassend, mit einem kleinen Schuss Killerblick. Er wandte seinen Blick erst ab, als ich hinter Finn trat und er was neues zum anstarren hatte. "Was macht ER hier?" fragte Daníel und sprach es - wie immer wenn es um Finn ging - aus, als wäre Finn irgendetwas ekeliges oder eine ansteckende Krankheit, sowas wie Gelbfieber oder Ebola. "Also erstmal hat ER auch einen Namen." erwiderte ich "Und er ist hier wegen mir, denn ob du's glaubst oder nicht, ich wohne hier und ich kann mitbringen wen immer ich will. Ausserdem hast du da überhaupt nichts mitzureden, das ist nicht dein Haus und ich bin nicht deine Freundinn, falls du es vergessen haben solltest." Inzwischen hätte Daníels Blick echt Talent zum Auftragskiller gehabt, aber er selbst war immer noch nur armselig. "Wie kannst du dich nur so einem an den Hals werfen?" zischte er, aber ich meinte bloß: "Neidisch? Weil du nie eine Freundinn kriegen wirst, mit dem Character und so armselig wie du dich aufführst?" Finn konnte inzwischen das Lachen kaum noch zurückhalten. "Ich würde dir ja eigentlich gerne eine reinhauen," meinte er zu Daníel "aber Rose macht das schon so viel besser." danach schob ich Daníel zur Seite und zog Finn durch meine Tür, nur um ihn dahinter zu küssen, wobei ich darauf achtete, Finn schon zu küssen bevor die Tür ganz zugefallen war, nur um Daníel noch ein bisschen zu ärgern.

Unaccepted - die FeuerprobeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt