Sofia

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Irgendetwas war seitdem Abendessen mit unserer Mutter zwischen Rose und Finn anders. Es redete zwar keiner darüber, aber es war etwas anders. Gegen Weihnachten war alles wieder normal zwischen ihnen. Mama wurmte das sehr. Besonders, als Finn ihr sagte, dass Rose an Silvester mit zur Feier unseres Clubs käme.

Die Feier unseres Clubs ist eine sehr feine Angelegenheit mit schon fast Galacharakter. Die Damen top geschminkt und in schicken Kleidern und die Herren im Anzug. Mama war der Felsenfesten Überzeugung, dass Rose da nicht rein passen würde und schon gar nicht in irgendein schönes und vor allem elegantes Kleid, dabei ist Rose nun wirklich nicht dick. Tja da hatte Mutter die Rechnung ohne mich gemacht!

Ich wollte dafür sorgen, dass Rose unglaublich aussah und Mutter ganz klar eifersüchtig wäre. Nur brauchte Rose meine Hilfe erst gar nicht.

Am Nachmittag des 31.12 stand sie in einem wirklich schönen etwas längeren Abendkleid in einem hellen grün Ton vor dem Spiegel bei uns im Bad. Die Haare hatte sie ordentlich hochgesteckt nur bei Make-Up fehlte noch etwas. Rose versuchte falsche Wimpern anzukleben, aber scheiterte total. Das ist auch wirklich schwer am Anfang. Die Dinger hingen irgendwann seitlich am Auge und nickt am Wimpernkranz.

"Komm lass mich das machen!" meinte ich schließlich und guckte mich an, als hätte ich gerade gesagt, dass Westernsättel nicht unbequem sind. Ich nahm ihr die Wimpern aus der Hand und schnappte mir eine Pinzette "Augen auf lassen!". Schnell saß die erste Wimper wo sie hin gehört und auch die zweite war an ihrem Platz. "Geht das so?" fragte Rose schließlich etwas nervös. "Ja. Die Jungs werden Finn alle um seine Begleitung beneiden und Mama wird sich in Grund und Boden ärgern!" kicherte ich und machte mich an mein Make-Up.

Gegen 19:00 Uhr fing das ganze Spektakel an, mit einem Jahresrückblick. Wir waren alle auf feste Plätze verteilt worden und ich saß zwischen Rose und Cady. Hannah, eine Frau Anfang 60, der unser Stall zusammen mit ihrem Bruder gehört, trat in einem schwarzen Hosen Anzug mit weißer Bluse unter dem Jacket nach vorne. "Herzlich willkommen, liebe Mitglieder, liebe Gäste. Wir haben ein bewegendes und aufregendes Jahr hinter uns. Von großen Erfolgen bis hin zu schweren Schicksalsschlägen war alles dabei. Deshalb wollen wir dieses Jahr Revue passieren lassen. Fangen wir doch in unserer Jugendabteilung an. Johan Joakim Sjögren? Wunderst du dich nicht wo deine Vereinsmeisterschärpe ist?" Jo neben Cady guckte etwas geschockt und stand schließlich auf. Cady war kurz davor los zu lachen. Jo stand, also vorne auf dem Podium mit gequälten Blick. "Wie kam es dazu, dass du sie nicht hattest?" fragte Hannah und hielt ihm das Mikro hin "Ähm....gute Frage! Ich meine ich hätte sie zu Hause gehabt." Jo grinste leicht peinlich berührt. "Wir mussten ja etwas haben, damit du und Cady nicht schon nach einer viertel Stunde abhauen." der ganze Saal lachte und Jo guckte inzwischen etwas genervt. "Dann noch mal, herzlichen Glückwunsch zum Vereinsmeister im S* Springen. Viel Glück und Erfolg für die nächste Saison und wir zählen darauf dich nächstes Jahr im Nationalkader zusehen." meinte Hannah und händigte Jo seine Schärpe wieder aus. "Leute ihr seit echt bescheuert, aber danke!" Jo schüttelt grinsend den Kopf und nahm die Schärpe entgegen. Es wurden noch ein paar Leute nach vorne geholt und zu ihren Erfolgen beglückwünscht.

"Jetzt kommen wir leider zu einem ziemlich traurigen Programmpunkt. Der Mann über den wir jetzt sprechen ist schon fast eine Legende." Hannah blickte suchend in die Menge "Lena?".

Eine etwas ältere Frau vielleicht Anfang/Mitte 60 ging nach vorne hinter das Rednerpult. "Für mich war dieses Jahr kein leichtes Jahr. Vor 15 Jahren hat mein Sohn nach einem schweren Reitunfall das Zeitliche gesegnet. Viele werden sich an ihn erinnern, ein Ausnahme Springreiter. Jedoch werden sich diejenigen nicht an ihn erinnern, weil er alles gewonnen hat was er gewinnen konnte, nein! Sie werden sich an ihn erinnern, wegen seiner großen Klappe und seinen mal mehr mal weniger schlimmen Eskapaden. Er war ein Kämpfer, ehrgeizig, aber vor allen Dingen war er Springreiter mit Herz und Seele. Er wollte immer nur das beste für seine Pferde und hätte, alles getan damit es Ihnen gut geht. Er war jemand der alles, selbst das Leben für den Sport und die Pferde gegeben hätte. Luke wollte immer mit dem Kopf durch die Wand, höher, schneller, weiter, das schien all die Jahre im Sattel sein Motto gewesen zu seien, schlussendlich wurde ihm diese Einstellung zum Verhängnis." die Frau musste schlucken "auch nach 15 Jahren tut es noch weh. Ich vermisse meinen Sohn immer noch jeden Tag und fragte mich oft, wie es wäre wenn er noch leben würde. Jeden Tag erkenne ich ihn mehr und mehr in meiner Enkelin wieder, sie kann auch nie ein Kommentar für sich behalten, sagt schon mal was sie denkt. Sie lebt und atmet den Sport und ist genauso ehrgeizig, wie er es war. Er wäre stolz auf sie." Cady neben mir rutschte inzwischen etwas unruhig auf ihrem Stuhl rum. "Danke Lena. Wir haben auch noch ein Video rausgesucht. Ein FEI Interview, das kurz vor seinem Tod geführt wurde." Moderierte Hannah an und verließ das Podium wieder. Ich hörte, wie Cady nach Luft schnappte.

Das Video begann und man sah einen recht hübschen Jungen Mann, vielleicht gerade mal Mitte 20. Er lächelte belustigt in die Kamera. "My Name is Lukas Stüwe. I am 27 years old and I ride for Germany." stellte er sich mit einem starken Walisischenakzent vor und am unteren Rand wurde sein Name und die Nation noch einmal eingeblendet, dann ging das Gespräch los. "What means the the sport to you?" hörte man eine Stimme aus dem off. "The world. I haven't done anything else since I was 2 or 3 years old. Show Jumping is my life." So ging das ganze Interview weiter, doch ein Satz brannte sich mir fast ins Gehirn "I never want to be legendary!" aber das war er jetzt! Ein Vorbild, ein Idol und vor allem eine Legende. Cady hatte laut ausgeatmet, als das Video zu Ende war und trocken gesagt "Ich brauch jetzt was zu trinken oder ich muss raus!" Jo blickte mehr oder weniger besorgt zu ihr rüber. Rose guckte Cady verwirrt an und wollte gerade den Mund auf machen. "Rose, frag jetzt nicht! Das erklären wir dir später!" sagte ich schnell, denn Cady schien es echt nicht gut zu gehen. Noch schlimmer wurde es für sie, als auch noch alte Bilder gezeigt wurden und alle Springreiter Aufständen um ihm Respekt zu zollen. Rose guckte ziemlich verwirrt, aber sagte keinen Ton. Irgendwann war Jo mit ihr raus gegangen, wobei er sie schon fast raustragen musste, da sie nicht ansprechbar war. Ich konnte sie verstehen ich hätte es auch nicht ausgehalten.

Später ging ich, nachdem alle reden durch waren und sich alle angefangen hatten zu unterhalten, über den Hof und legte mich fast lang wegen einer gefrorenen Pfütze. Ich hatte sie erst nicht gesehen und war, dann hinten rüber in die Arme einer mir altbekannten Person gesegelt. "Du musst dich mir nicht zu Füßen legen. Ich würde dich auch so nehmen!" meinte Alex grinsend und ich befreite mich angenervt aus seinen Armen "Träum weiter mein lieber!" giftete ich noch und stöckelte, dann in den Stall.

Dort musste ich schmunzeln. Finn und Rose standen an Pico's Box. Finn hatte beide Arme von hinten um die geschlungen und Rose hatte ihre Finger in seinen verwoben. Sie wirkten beide so entspannt, als wäre keine Feier nur 600 Meter von ihren entfernt. Ich zog mein Handy aus meiner Tasche und machte heimlich ein Foto. Sie würden es mir später danken.

Unaccepted - die FeuerprobeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt