Eight

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Ungefähr eine dreiviertel Stunde später hörte ich, wie die Wohnungstür aufging. 

"Soph'?", schrie Alice.

"Hier!", schrie ich aus dem Wohnzimmer zurück.

Sie kam hinein und hatte offensichtlich einen Mann aus dem Fanclub mitgebracht.
Auf seinem T-Shirt war dieser komische Hut zu sehen, den Alice vorhin aufhatte. Darunter stand groß "Holmes". Er sah ziemlich alt aus, etwa Ende 20.
Er hatte gegelte, dunkelbraune Haare und war etwa so groß wie ich, wenn nicht sogar kleiner.
Schlecht sah er definitiv nicht aus, aber er war viel zu alt für Alice.  Schüchtern sah er sich im Raum um und wich meinem Blick so gut es ging aus.

"Das ist Jim", stellte Alice ihn vor.

"Hi...", sagte er mit wenig Selbstbewusstsein.

"Geht ihr in eine Klasse?", fragte ich meine Schwester, obwohl es mehr als klar war, dass er wahrscheinlich schon arbeitete oder studierte.

"Ne, ich kenn' ihn aus dem Fanclub. Er arbeitet schon längst", antwortete meine Schwester.

"Oh, alles klar", sagte ich. "Freut mich Sie kennen zu lernen, Jim." Ich streckte ihm meine Hand entgegen, die er nur zögerlich entgegen nahm.

"Eine Frage hätte ich aber noch..." Ich sah Jim an. "Wieso sind Sie in Ihrem Alter in einem Fanclub von irgendeinem Detektiv?"

"Wieso nicht? Holmes ist klasse. Er ist so intelligent, so anders und so ... gut aussehend."

Schwul!, dachte ich.

"Naja, es gibt schlimmeres, was Sie in Ihrem Alter toll finden könnten."

Mein Blick schweifte zu meiner Schwester. "Was habt ihr jetzt vor?", fragte ich sie.

"Wir wollten einen Film anschauen... in meinem Zimmer natürlich."

Ich nickte. "Falls ihr was braucht, ich bin in meinem Zimmer." 

Dann sah ich Jim an. "Wollen Sie zum Abendessen bleiben?"

"Klar, gerne", sagte er.
Er legte einen Arm um die Taille meiner Schwester und verschwand mit ihr in ihrem Zimmer.

Ich ging in mein Schlafzimmer, setzte mich aufs Bett und schaltete den Fernseher ein. Es lief wie immer nur Schrott, aber bei Scrubs blieb ich am Ende hängen.

Irgendwann abends, um ca. 19 Uhr entschied ich mich dann mit dem Abendessen anzufangen.
Ich bin nie gut im Kochen gewesen, aber meine Kochkünste reichten aus, um nicht zu verhungern.
Ich entschied mich am Ende für Spaghetti, da konnte man schließlich nicht so viel falsch machen.

Ich deckte den Tisch und schrie schließlich "Abendessen!"
Ich hörte es rumpeln und schließlich saßen beide am Esstisch im Wohnzimmer.

Das Abendessen rief relativ ruhig ab, die Beiden saßen stumm gegenüber von mir und meine Schwester, die sonst so vorlaut war und sich beim Essen immer den Mund vollstopfte, saß mit roten Wangen und gesenktem Kopf am Tisch und aß möglichst langsam, wahrscheinlich um einen guten Eindruck vor ihrem neuen Lover zu machen.
Ich schob mir Spaghetti in den Mund und sah zu Jim. Dieser erwiderte meinen Blick und lächelte mich kurz an.

Irgendwann brach meine Schwester dann endlich die Stille.
"Wie läuft's so im Krankenhaus?"

"Sie arbeiten im Krankenhaus?", fragte Jim interessiert.

"Ja", sagte ich, "Im St. Barts"

"Ärztin?", fragte er.

Alice grinste. "Pathologin."

Er schaute mich erstaunt an. "Normalerweise hör ich entweder Krankenschwester, Allgemeinmedizinerin, Chirurgin und ganz selten mal Gynäkologin."

"Naja, ich stehe halt nicht so auf Intimregionen, kranke Menschen waschen oder lebendige Menschen aufschneiden."

"Aber auf Leichen?", fragte Jim schmunzelnd.

"Die können sich wenigstens nicht wehren. Und sie fühlen sich an wie Tiefkühlfleisch."

Er lachte.

"Leute, ich will essen!", rief Alice angeekelt.

Ich murmelte nur ein "Sorry" und widmete mich wieder meinen Spaghetti.

Als Alice fertig mit dem Essen war, lief sie wortlos in ihr Zimmer.
Ich stöhnte genervt auf und fing an, das Geschirr zusammen zu räumen.
Als ich in die Küche ging, um abzuwaschen, lief mir Loki hinterher und kuschelte mit meinen Knöcheln.

Jim kam in die Küche, nahm sich einen Teller und fing an, abzuspülen.

"Danke für die Hilfe", sagte ich lächelnd.

Ich nahm ihm den Teller ab und trocknete ihn ab. Als er sich den nächsten Teller nehmen wollte, streifte sein Ellbogen meinen Unterarm. Er hielt kurz inne, musterte mich einmal, lächelte dann und wendete seinen Blick wieder aufs Spülbecken. Mal wieder entstand diese unangenehme Stille, was auch Jim bemerkte.

"Ihr wohnt also nur zu zweit hier?", fragte er mit einem durchdringenden Blick.

"Ja, wer sollte sonst noch hier wohnen?", schmunzelte ich.

"Ihr..." Er räusperte sich. "Freund?"

Ich lachte leise. "Ich bin mit meiner Arbeit zusammen."

"Das Gefühl kenne ich", sagte Jim.

"Ähm... wie alt sind Sie eigentlich?", lenkte ich ab.

"Ich bin schon 28", antwortete er.

"Arbeiten Sie?"

"Ja, ich bin im IT-Bereich tätig."

Also ein Nerd.
Ich bückte mich um die abgewaschenen Teller in die Schränke einzusortieren und merkte Jim's verstohlenen Blick auf meinen Hintern.
"Sie machen Yoga?"

"Nein, wieso?" Wie kam er darauf?

"Ihre Hose", sagte Jim grinsend.

Yoga Pants sind ziemlich gefährlich, wenn man sich bücken muss.

Ich flüsterte ein leises "Verdammt".

Jim muss es gehört haben, denn er zwinkerte mir zu, räumte das restliche Geschirr ein und stellte sich vor mich. Ich wollte zurückweichen, rutschte dann aber auf einer Spülwasser-Pfütze aus. 

Jim packte mich an der Taille und rettete mich vor dem Aufprall auf den harten Küchenfliesen.
Seine Hände ruhten auf meiner Taille, mein Atem war immer noch hektisch vom Adrenalin des plötzlichen Ausrutschers. Er sah mir tief in die Augen und seine Hände rutschten ein paar Zentimeter höher. Jim beugte sich zu mir vor, aber nicht zu meinem Mund, sondern zu meinem Ohr.
"Ich ruf Sie an, Sophia", flüsterte er. Meinen Namen hauchte er nur noch.

Dann legten sich seine Lippen an meinen Hals. Er biss leicht hinein und saugte kurz an der Stelle.
Er grinste mich dreckig an, ließ mich los und verließ meine Wohnung.
Ich stand wie eine Bekloppte in der Küche.

War das gerade wirklich passiert?


His second friend | Sherlock Holmes x OC #Wattys2016Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt