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Irgendwann wurde ich wieder wach. Wäre auch zu komisch wenn ich plötzlich in einen Dornröschenschlaf gefallen wäre. Ich bezweifelte nämlich ganz stark, dass es hier in dem Camp einen Prinzen geben könnte. Geschweige denn, einen Typen der zu meinem Kaliber passen würde. Das passten nur die wenigsten, denn ich war sehr wählerisch. Auf dem College hatte ich es zwar einige Male stark krachen lassen, aber nur eine Handvoll Männer konnten mit mir mithalten, denn ich hatte sehr hohe Ansprüche was meine Männerauswahl betraf. Meine längste Beziehung hielt drei Monate. Er sagte mir, dass ich zwar gut im Bett war, aber er nicht mit einer Eiskönigin durch die Gegend spazieren konnte, wenn ich keine Gefühle zeigte. Das war unter meiner Würde, also hatte ich ihn nackt aus seiner Wohnung geschmissen. Die Nacht durfte er dann unter einer Brücke schlafen, oder sonst wo, mir war das damals relativ egal. Wäre es auch heute noch. Sollte mir jemand blöd kommen, schieße ich doppelt so hart zurück. Besonders in solch einer Situation, in der du nackt bist und mit deinem Freund geschlafen hast. Nach seinem Orgasmus gestand er mir seine Liebe und ich hatte daraufhin nichts erwidert. Ich war einfach überfordert mit der Situation. Er wurde sauer, hat mich beleidigt und dann mit mir Schluss gemacht. Das war jetzt drei Jahre her. Wie schon gesagt, im College konnte ich mich trotzdem ganz gut über Wasser halten. Schließlich wollte jeder es schaffen die gefühllose und kalte Person zu knacken. Hat aber nicht ganz funktioniert.

Hungrig machte ich mich auf den Weg in die Küche, in der Hoffnung es würde ein paar Essensreste der letzten Tagen geben. Felix musste schließlich auch irgendwie überleben. Außerdem wollte ich nicht an meine Mitternachtsschokolade, wer wusste schon wie anstrengend es hier sein könnte.

Leise öffnete ich die schwere Mensatür. Es schien so, als wäre ich alleine, jedoch hatten mir einige Horrorfilme gepredigt, dass ich niemals alleine war. Besonders nicht mitten im Wald.

Ich blickte mich neugierig in dem großen Saal um. Es gab, gemütlich aussehende, Tische und Bänke an denen jeder genügend Platz hatte. Nicht wie in den Speisesälen der High Schools und Colleges. Nein, wie das ganze Camp, machte es einen freundlichen Eindruck und war nicht gefüllt mit Kühle und Tristesse. An den Wänden hingen verschiedene Bilder. Es waren zum einen selbstgemalte Bilder der Campkinder, zum anderen Landschaftsbilder. Wunderschöne Landschaftsbilder. Sie waren alle im Camp gemacht worden, dass erkannte ich sofort, obwohl ich kaum etwas von der Landschaft erkundet hatte. Das eine Bild war atemberaubend, denn es zeigte einen See. Die Person die das Bild geschossen hatte stand am Anfang des Stegs und hielt den Sonnenaufgang fest. Wie sich die ersten Sonnenstrahlen im Wasser spiegelten und alles miteinander Harmonierte. Am liebsten hätte ich es von der Wand gerissen und mit nach Hause genommen. Jeden Tag würde ich mit Blick auf das Bild einschlafen und aufwachen wollen. Die Person hatte wirklich Talent.

„Es ist wunderschön, nicht wahr?"

Erschrocken sprang ich zur Seite und begab mich in Abwehrhaltung. Zwar konnte ich kein Karate, oder so was in der Art, aber vielleicht würde es den Täter trotzdem abschrecken.

Der Täter sah nur nicht so aus, als würde er mich angreifen wollen. Eher im Gegenteil, denn er blickte verträumt das Bild des Sees an. Vor mir stand ein großer, sportlich gebauter Typ mit kurzen, schwarzen Haaren und markanten Gesichtszügen. Er war vielleicht ein paar Jahre älter als ich, doch sein Drei-Tage-Bart ließ ihn älter und autoritärer wirken.

„Wer bist du?", fragte ich misstrauisch.

„Oh sorry. Ich wollte dich nicht erschrecken, aber ich bin selbst jedes Mal von der Aufnahme überwältigt. Hi, ich bin Derek", antwortete er mit tiefer Stimme. Freundlich streckte er mir seine Hand entgegen und eine Reihe von weißen Zähnen kam zum Vorschein.

Zaghaft schüttelte ich seine Hand. „Hallo."

„Willst du mir nicht sagen wer du bist?"

„Ehrliche Antwort?"

Derek nickte mit dem Kopf.

„Nein", lachte ich gehässig.

Ich drehte mich von ihm weg und lief in Richtung Küche. Mir war nicht nach Smalltalk, sondern ich hatte Hunger und das schon sehr lange. Einzig das Bild konnte mich von meinem Hunger ablenken. Jedoch zeigte der sich schneller wieder als ich „Butterkeks" sagen konnte. Verdammt, jetzt hatte ich noch mehr Hunger.

In der Küche angekommen wurde ich erstmal mit ganz viel Edelstahl konfrontiert. Nicht ein Farbtupfer befand sich in der Küche, nur das Silber des Edelstahls. Toll, aber Edelstahl konnte man nicht essen. Nach einem kurzen Rundumblick hatte ich mein Opfer gefunden. Da! Ein Kühlschrank. Hastig lief ich zum überdimensionalen Kühlschrank und öffnete diesen mit Schwung.

„Ja!", stieß ich vor Freude aus. Es war etwas Essbares drin. Auf einem Teller lagen noch einige Pizzastücke, die ich mir ohne weiteres rausholte und in die Mikrowelle schob. Die Pizza konnte nicht schnell genug warm werden, solchen Hunger hatte ich. Nach gefühlten hundert Minuten machte die Mikrowelle Pling und ich biss mit Genuss in das heiße Pizzastück.

Stöhnend kaute ich mit geschlossenen Augen, im Stehen, mein Essen. Man hätte meinen können, mir wäre seit Wochen nichts zwischen die Zähne gekommen, aber nach einem kurzen Powernap hatte ich immer Hunger wie eine ganze Football Mannschaft.

„Wenn ich dir von meinem Essen abgeben würde, würdest du dann meinen Namen stöhnen?"

Warum musste er mich ständig erschrecken und stören? Wegen Derek hustete ich ein kostbares Stück Pizza aus, denn ich hatte mich verschluckt.

„Wasser", röchelte ich.

Ich sah wie er sich auf den Weg machte und mir ein Glas Wasser holte. Mit schnellen Schlucken war das Glas binnen weniger Sekunden leer und ich nicht mehr in Lebensgefahr.

„Kannst du mich nicht in Ruhe essen lassen?", fragte ich genervt.

„Ehrliche Antwort? Nein." Mit vor dem Körper verschränkten Armen stand er gegen die Wand gelehnt und beobachtete mich aus seinen grünen Augen.

„Was willst du?"

„Wissen mit wem ich es zu tun habe."

„Ich werde dir jetzt ganz sicher nicht meine ganze Lebensgeschichte erzählen. Ich sage dir meinen Namen und das war's. Wenn ich dir mehr erzählen will, dann mach ich das aus freien Stücken."

„Dann will ich deinen Namen jetzt wissen." Abwartend stand er immer noch an Ort und Stelle. Doch bevor er meinen Namen hörte, biss ich noch einmal von meiner Pizza ab. Er verzog nicht einmal die Miene, als er merkte, dass es länger als ein normales Kauen dauerte.

„Ich heiße Lucy." Warum ich ihn anlog wusste ich nicht genau, aber ich dachte mir, dass es Spaß machen könnte. Leider wusste Derek sofort, dass ich ihn anlog.

„Nie im Leben heißt du Lucy. Jetzt sag mir schon deinen richtigen Namen", verlangte er freundlichem Ton.

„Ich heiße wirklich so", behauptete ich weiterhin.

Der schwarzhaarige schaute mich mit dem „Ich-bin-nicht-dumm-Blick" an und ich gab nach.

„Indiana. Ich heiße Indiana Jones."

Indiana in OhioWo Geschichten leben. Entdecke jetzt